Kapitel III – Ausreichende Offenbarung
Es ist wenigstens ein Weg zur Ausführung der Erfindung im Einzelnen anzugeben. Da die Anmeldung für Fachleute bestimmt ist, ist es weder notwendig noch wünschenswert, dass Einzelheiten allgemein bekannter Merkmale angegeben werden; die Beschreibung muss aber die Merkmale, die für die Ausführung der Erfindung wesentlich sind, so genau offenbaren, dass für den Fachmann ersichtlich ist, wie die Erfindung ausgeführt werden kann. Ein einziges Beispiel kann genügen; wenn aber die Patentansprüche weit gefasst sind, gelten die Erfordernisse des Art. 83 in der Regel nur dann als durch die Anmeldung erfüllt, wenn die Beschreibung mehrere Beispiele angibt oder alternative Ausführungsformen oder Varianten beschreibt, die den von den Patentansprüchen umfassten Bereich abdecken. Man muss jedoch die Tatsachen und Beweismittel im jeweiligen Fall berücksichtigen. Es gibt Fälle, in denen auch ein sehr weit gefasster Patentanspruch durch eine geringe Anzahl von Beispielen oder sogar nur ein Beispiel ausreichend verdeutlicht wird (siehe auch F‑IV, 6.3). In diesen letztgenannten Fällen muss die Anmeldung zusätzlich zu den Beispielen ausreichende Angaben enthalten, anhand deren der Fachmann die Erfindung mithilfe seines allgemeinen Fachwissens ohne unzumutbaren Aufwand und ohne erfinderisches Zutun im gesamten beanspruchten Bereich ausführen kann (siehe T 727/95). Der "gesamte beanspruchte Bereich" umfasst in diesem Zusammenhang im Wesentlichen alle unter den Umfang der Ansprüche fallenden Ausführungsarten, wobei ein Herumexperimentieren in gewissen Grenzen vertretbar sein kann, zum Beispiel auf einem noch unerforschten Gebiet oder wenn große technische Schwierigkeiten vorliegen (siehe T 226/85 und T 409/91).
Bei der Beurteilung der ausreichenden Offenbarung sind jedoch die inhärenten Grenzen zu berücksichtigen, die dem Gegenstand der unabhängigen Ansprüche durch eine sinnvolle Lektüre gesetzt werden; mit anderen Worten: der Fachmann, der die beanspruchte Erfindung ausführen möchte, wird jegliche Ausführungsform ausschließen, die sinnlos ist und nicht mit der Lehre der Anmeldung übereinstimmt (siehe T 521/12).
Ein Einwand mangelnder Offenbarung nach Art. 83 darf nur dann erhoben werden, wenn ernsthafte, durch nachprüfbare Fakten erhärtete Zweifel bestehen (siehe T 409/91 und T 694/92). Kann die Prüfungsabteilung unter den besonderen Umständen dieses Einzelfalls triftige Argumente dafür anführen, dass die Anmeldung die Erfindung nicht ausreichend offenbart, so obliegt es dem Anmelder zu zeigen, dass die Erfindung im Wesentlichen im gesamten beanspruchten Bereich durchgeführt und wiederholt werden kann (siehe F‑III, 4).
Damit den Erfordernissen des Art. 83 und der Regel 42 (1) c) und Regel 42 (1) e) voll entsprochen wird, muss nicht nur die Struktur des Erfindungsgegenstands, sondern auch dessen Funktion beschrieben werden, sofern diese nicht ohne Weiteres erkennbar ist. Auf einigen technischen Gebieten (z. B. Datenverarbeitungsanlagen) kann eine klare Funktionsbeschreibung viel zweckmäßiger sein als eine übergenaue Strukturbeschreibung.
Wurde befunden, dass in der Anmeldung nur ein Teil des beanspruchten Gegenstands im Sinne von Art. 83 ausreichend offenbart ist, so ist unter Umständen gemäß Regel 63 nur ein teilweiser europäischer oder ergänzender europäischer Recherchenbericht erstellt worden (siehe B‑VIII, 3.1 und B-VIII, 3.2). In diesen Fällen ist, sofern die Anmeldung nicht in geeigneter Weise geändert wird, außerdem ein Einwand nach Regel 63 (3) zu erheben (siehe H‑II, 5 und H‑IV, 4.1.1).