5.4.2 Beispiele zur Anwendung des COMVIK-Ansatzes
Anspruch 1:
Verfahren zur Erleichterung des Einkaufens mit einem Mobilgerät, wobei
a)der Nutzer zwei oder mehr Produkte auswählt, die er kaufen möchte,
b)das Mobilgerät die Daten der ausgewählten Produkte und den Standort des Geräts an einen Server übermittelt,
c)der Server auf eine Anbieterdatenbank zugreift, um die Anbieter zu ermitteln, die mindestens eines der ausgewählten Produkte anbieten,
d)der Server anhand des Gerätestandorts und der ermittelten Anbieter eine optimale Einkaufsroute für den Erwerb der gewählten Produkte festlegt, indem er auf einen Cache-Speicher zugreift, in dem bei früheren Anfragen festgelegte optimale Einkaufsrouten gespeichert sind, und
e)der Server die optimale Einkaufsroute an das Mobilgerät übermittelt, damit sie dort anzeigt werden kann.
Anwendung der Schritte des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes gemäß G‑VII, 5.4:
Schritt i): Die Merkmale, die zum technischen Charakter beitragen, bilden prima facie ein verteiltes System, das ein mit einem Servercomputer verbundenes Mobilgerät umfasst, wobei der Server über einen Cache-Speicher verfügt und mit einer Datenbank verbunden ist.
Schritt ii): Als nächstliegender Stand der Technik wird Dokument D1 gewählt, in dem ein Verfahren zur Erleichterung des Einkaufens mit einem Mobilgerät offenbart ist, wobei der Nutzer ein Produkt auswählt und der Server aus einer Datenbank den dem Nutzer nächstgelegenen Anbieter dieses Produkts auswählt und diese Information an das Mobilgerät übermittelt.
Schritt iii): Unterschiede zwischen dem Gegenstand des Anspruchs 1 und D1:
1)Der Nutzer kann zwei oder mehr Produkte auswählen, die er kaufen möchte (anstatt nur eines Produkts).
2)Dem Nutzer wird eine "optimale Einkaufsroute" für den Erwerb der Produkte zur Verfügung gestellt.
3)Die optimale Einkaufsroute wird vom Server festgelegt, der auf einen Cache-Speicher zugreift, in dem bei früheren Anfragen festgelegte optimale Einkaufsrouten gespeichert sind.
Die Unterschiede 1 und 2 stellen eine Veränderung der zugrunde liegenden Geschäftsidee dar, weil sie die Erzeugung einer geordneten Liste von Läden betreffen, die die betreffenden Produkte anbieten. Es liegt kein technischer Zweck vor, und aus diesen Unterschieden lässt sich keine technische Wirkung ableiten. Die Merkmale leisten somit keinen technischen Beitrag gegenüber D1. Unterschied 3 leistet dagegen einen technischen Beitrag, weil er die technische Umsetzung der Unterschiede 1 und 2 betrifft und die technische Wirkung aufweist, dass die optimale Einkaufsroute durch den Zugriff auf in einem Cache-Speicher gespeicherte frühere Anfragen schnell festgelegt werden kann.
Schritt iii) c): Die objektive technische Aufgabe ist aus der Perspektive des Fachmanns auf einem technischen Gebiet zu formulieren (G‑VII, 3). Dieser hat keine betriebswirtschaftlichen Fachkenntnisse. Im vorliegenden Fall kann er als Experte auf dem Gebiet der Informationstechnologie definiert werden, der die geschäftsbezogenen Merkmale 1 und 2 – wie in der Realität vorstellbar – einer Anforderungsspezifikation entnimmt, die Teil der Formulierung der zu lösenden technischen Aufgabe ist. Die objektive technische Aufgabe besteht also darin, das Verfahren aus D1 so zu verändern, dass die durch die Unterschiede 1 und 2 definierte nichttechnische Geschäftsidee, die als zu erfüllende Vorgabe gilt, in einer technisch effizienten Weise umgesetzt wird.
Naheliegen: Hinsichtlich der Anforderung 1 wäre es für den Fachmann reine Routine, das in D1 verwendete Mobilgerät so anzupassen, dass der Nutzer zwei oder mehr Produkte statt nur eines Produkts auswählen kann. Es wäre auch naheliegend, die Aufgabe der Festlegung der optimalen Einkaufsroute (Anforderung 2) dem Server zuzuweisen, nämlich analog zur Ermittlung des geografisch nächstgelegenen Anbieters, die in D1 ebenfalls vom Server ausgeführt wird. Da die objektive technische Aufgabe ferner eine technisch effiziente Umsetzung erfordert, würde der Fachmann nach effizienten technischen Umsetzungen für die Festlegung einer Route suchen. In einem zweiten Dokument D2 ist ein Reiseplanungssystem für die Festlegung von Reiserouten offenbart, das eine Reihe von zu besuchenden Orten auflistet und diese technische Aufgabe löst: das System aus D2 greift zu diesem Zweck auf einen Cache-Speicher zu, der Ergebnisse früherer Anfragen speichert. Der Fachmann würde daher die Lehre von D2 berücksichtigen und den Server aus D1 so anpassen, dass er auf einen Cache-Speicher zugreifen und diesen wie in D2 offenbart nutzen kann, um eine technisch effiziente Umsetzung der Festlegung der optimalen Einkaufsroute bereitzustellen, d. h. den Unterschied 3. Damit liegt keine erfinderische Tätigkeit im Sinne der Art. 52 (1) und Art. 56 vor.
Anmerkungen: Das Beispiel veranschaulicht eine typische Anwendung des in T 641/00 (COMVIK) entwickelten Ansatzes. In Schritt iii) werden die technischen Wirkungen ausführlich analysiert, um festzustellen, ob die Unterschiede gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik Merkmale umfassen, die einen technischen Beitrag leisten. Mit dieser Analyse wird die erste Feststellung in Schritt i) vertieft, indem das Merkmal des Zugriffs auf den Cache-Speicher, der die Ergebnisse früherer Anfragen enthält, bei der Festlegung der Route als technisches Merkmal identifiziert wird. In diesem Fall müsste Schritt i) nicht ausdrücklich in der Begründung angegeben werden. In Schritt iii) c) erhält der Fachmann die nichttechnischen Veränderungen der Geschäftsidee als zu erfüllende Vorgabe. Ob die neue Geschäftsidee innovativ ist, ist dabei für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit unerheblich, weil dieser die Merkmale der technischen Umsetzung zugrunde liegen müssen.