2. Entscheidungen der Prüfungs- oder Einspruchsabteilungen
Der Anspruch auf rechtliches Gehör beinhaltet nicht nur das Recht, sich zu äußern, sondern auch das Recht darauf, dass diese Äußerungen gebührend berücksichtigt werden. Wenn ein Verfahrensbeteiligter Änderungen und Bemerkungen einreicht, müssen diese auch berücksichtigt werden, und dem Beteiligten muss Gelegenheit gegeben werden, sich zu den von der Prüfungsabteilung vorgebrachten Gründen zu äußern (siehe T 1123/04 und T 852/07). Ein Dokument darf nicht zum ersten Mal in einer Entscheidung angeführt werden (siehe T 635/04), es sei denn, es wurde in der mündlichen Verhandlung eingeführt. Das Vorbringen neuer Argumente in einer Entscheidung, die weiterhin auf den vorher mitgeteilten Gründen und Beweismitteln beruht, ist zulässig (siehe T 268/00 und T 1557/07).
Wird eine Sache von einer Beschwerdekammer zur weiteren Entscheidung an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen, muss diese klären, ob noch Anträge aus dem Prüfungsverfahren vor der Beschwerde zu prüfen sind, und sie muss dem Beteiligten Gelegenheit geben, sich zu äußern (siehe T 1494/05). Waren die entscheidungswesentlichen Tatsachen und Gründe bereits von einem Beteiligten dargelegt worden und hatte der Beteiligte, gegen dessen Antrag entschieden werden soll, ausreichend Zeit zur Äußerung, so ist dem rechtlichen Gehör nach Art. 113 (1) Genüge getan. Soll die Entscheidung im Einspruchsverfahren auf Gründe gestützt werden, die zwar im Prüfungsverfahren, aber nicht in den Einspruchsschriftsätzen, in den Stellungnahmen der Beteiligten oder den Bescheiden der Einspruchsabteilung genannt worden sind, so sind diese vor der Entscheidung von der Einspruchsabteilung in das Einspruchsverfahren einzuführen, d. h. zur Sprache zu bringen, um den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Patentinhaber muss, wenn der Einspruch auf mangelnde erfinderische Tätigkeit gestützt wird, damit rechnen, dass der im Einspruchsverfahren neu genannte Stand der Technik mit dem Stand der Technik, von dem ein unabhängiger Patentanspruch in seinem einleitenden Teil ausgeht, in Kombination zu betrachten ist. Werden jedoch neue Tatsachen und Gründe in das Verfahren eingeführt oder sind die Tatsachen und Gründe, auf die sich die beabsichtigte Entscheidung stützen soll, nicht so offensichtlich und deutlich in den Schriftsätzen der Beteiligten dargelegt, dass dem Beteiligten Anlass gegeben war, sich dazu zu äußern, so muss dem Betroffenen vor der Entscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme und zur Einreichung von Beweismitteln gegeben werden.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör wird nicht verletzt, wenn der Patentinhaber in Erwiderung auf einen Bescheid der Einspruchsabteilung, in dem die wesentlichen Argumente gegen eine Aufrechterhaltung des Patents in der geltenden Fassung vorgebracht wurden, nur unbedeutende Änderungen der Ansprüche vorgenommen hat, sodass die für den Widerruf des Patents maßgeblichen Gründe im Wesentlichen unverändert weiter bestehen, sofern die Stellungnahme des Patentinhabers gebührend berücksichtigt wurde.
In einem solchen Fall kann angesichts der praktisch unveränderten Sachlage und folglich des Weiterbestehens der dem Patentinhaber bekannten Patenthindernisse das Patent unmittelbar, also ohne erneute Mitteilung der vollständigen, die Entscheidung begründenden Argumente, widerrufen werden.