1. Mitteilung nach Regel 71 (3)
Hat die Prüfungsabteilung beschlossen, dass ein Patent erteilt werden kann, muss sie dem Anmelder die für die Erteilung vorgesehene Fassung mitteilen. Diese Fassung kann Änderungen und Berichtigungen enthalten, die die Prüfungsabteilung von sich aus vorgenommen hat und von denen sie vernünftigerweise annehmen kann, dass der Anmelder zustimmt. Bestehen Zweifel, ob der Anmelder mit den von der Prüfungsabteilung vorgeschlagenen Änderungen einverstanden ist, ist er telefonisch oder per Mitteilung zu kontaktieren. Das Einverständnis des Anmelders mit solchen Änderungen während einer Rücksprache wird in der Regel in der Mitteilung nach Regel 71 (3) vermerkt (siehe C‑VII, 2.4).
Beispiele für Änderungen, die ohne Rücksprache mit dem Anmelder vorgenommen werden können:
a)Anpassung der Angabe der Erfindung in der Beschreibung an die Ansprüche
b)Streichung verschwommener allgemeiner Angaben in der Beschreibung (siehe F‑IV, 4.4) oder offensichtlich belangloser Angaben (siehe F‑II, 7.4)
c)Einfügung von SI-Einheiten (siehe F‑II, 4.13)
d)Einfügung von Bezugsziffern in Patentansprüche, sofern nicht bekannt ist, dass der Anmelder Einwände dagegen hat oder bereits früher erhoben hat
e)Einführung einer Zusammenfassung des Stands der Technik, der eindeutig den der Erfindung nächstliegenden Stand der Technik darstellt (siehe F‑II, 4.3)
f)Änderungen, die zwar die Bedeutung oder den Schutzbereich eines unabhängigen Anspruchs ändern, jedoch eindeutig notwendig sind, sodass anzunehmen ist, dass der Anmelder dagegen keine Einwände erheben wird (siehe z. B. G‑VI, 6.1.2, G‑VI, 6.1.3 und G‑VI, 6.1.4 G‑VI, 7.1.2, 7.1.3 und 7.1.4)
g)Berichtigung sprachlicher und sonstiger geringfügiger Mängel
h)Umformulierung von auf eine Behandlungsmethode gerichteten Ansprüchen in eine gewährbare Form (siehe G‑II, 4.2)
i)Streichung überflüssiger Ansprüche (z. B. Omnibus-Ansprüche oder Ansprüche, die der Anmelder nicht gestrichen hat, obwohl er ihre Merkmale in andere Ansprüche aufgenommen hat)
Beispiele für Änderungen, die eine Rücksprache mit dem Anmelder erfordern:
i) Änderungen, die die Bedeutung oder den Schutzbereich eines Patentanspruchs wesentlich ändern, wenn es mehrere Möglichkeiten der Änderung gibt, sodass der Prüfer nicht vorhersehen kann, welcher Möglichkeit der Anmelder zustimmen wird
ii) Streichung kompletter Ansprüche, mit Ausnahme sogenannter Omnibus-Ansprüche (d. h. Ansprüche der Art "Vorrichtung, im Wesentlichen wie hier beschrieben" oder mit ähnlichem Wortlaut)
iii) Kombination von Ansprüchen, um einen Einwand wegen mangelnder Neuheit oder erfinderischer Tätigkeit auszuräumen
Die vorstehende Liste soll helfen, Änderungen, die der Anmelder vermutlich ablehnen wird, zu vermeiden und dadurch Verzögerungen im Prüfungsverfahren zu verhindern. Die einheitlichen Zeichen, die von der Abteilung bei Nutzung des elektronischen Tools zur Kennzeichnung von Änderungen und Berichtigungen verwendet werden, sind in der Anlage zu Kapitel C‑V aufgelistet.
Die Fassung wird dem Anmelder durch eine Mitteilung nach Regel 71 (3) übermittelt, in der er außerdem aufgefordert wird, die Erteilungs- und Veröffentlichungsgebühr zu entrichten (siehe C‑V, 1.2) und eine Übersetzung der Ansprüche in den beiden Amtssprachen des EPA einzureichen, die nicht die Verfahrenssprache sind (siehe C‑V, 1.3); hierfür wird ihm eine nicht verlängerbare Frist von vier Monaten gesetzt. Wenn der Anmelder innerhalb dieser Frist die Gebühren entrichtet und die Übersetzungen einreicht (und keine Berichtigung oder Änderung der in der Mitteilung nach Regel 71 (3) für die Erteilung vorgeschlagenen Fassung beantragt oder einreicht, siehe C‑V, 4.1), gilt dies als Einverständnis mit der für die Erteilung vorgesehenen Fassung (Regel 71 (5)).
Sind im Prüfungsverfahren ein Hauptantrag und Hilfsanträge gestellt worden (siehe C‑IV, 1 und E‑X, 2.9) und ist einer dieser Anträge gewährbar, so muss die Mitteilung nach Regel 71 (3) auf der Grundlage des (ersten) gewährbaren Antrags ergehen, es sei denn, es gibt einen höherrangigen Antrag auf mündliche Verhandlung (siehe E‑X, 2.2). Die Mitteilung nach Regel 71 (3) muss kurz die zusammen mit einer kurzen Angabe der wesentlichen Gründe dafür ergehen angeben, warum der Gegenstand der höherrangigen Anträge nicht gewährbar ist bzw. warum diese Anträge nicht zulässig sind (siehe auch H‑III, 3). Die Prüfungsabteilung sollte ausreichende Informationen zu den erhobenen Einwänden geben, sodass der Anmelder dazu Stellung nehmen kann.
Handschriftliche Änderungen der Beschreibung, der Ansprüche und der Zusammenfassung durch den Anmelder – sofern es sich nicht um grafische Symbole und Schriftzeichen sowie chemische oder mathematische Formeln handelt – werden in strikter Anwendung von Regel 50 (1) in Verbindung mit Regel 49 (2) (Art. 2 (7) des Beschlusses des Präsidenten des EPA vom 25. November 2022, ABl. EPA 2022, A113) nicht mehr akzeptiert (siehe ABl. EPA 2013, 603, und A‑III, 3.2). Das Verfahren, das in mündlichen Verhandlungen zu befolgen ist, ist in E‑III, 8.7 beschrieben.