2.2 Gewährbarkeit
Befindet sich der Fehler in der Beschreibung, den Patentansprüchen oder den Zeichnungen, so müssen sowohl der Fehler als auch die Berichtigung derart offensichtlich sein, dass sofort erkennbar ist,
i)dass ein Fehler vorliegt und
ii)welche Berichtigung vorzunehmen ist.
Was i) betrifft, so müssen die unrichtigen Angaben für den Fachmann unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens aus den ursprünglich eingereichten Unterlagen (Beschreibung, Ansprüche und Zeichnungen) objektiv erkennbar sein.
Was ii) betrifft, so muss die Berichtigung im Rahmen dessen erfolgen, was der Fachmann unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens – objektiv und bezogen auf den Anmeldetag – den ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen unmittelbar und eindeutig entnehmen kann.
Das heißt mit anderen Worten, dass die Erfordernisse des Art. 123 (2) entsprechend gelten.
Der Nachweis, was am Anmeldetag allgemeines Fachwissen war, kann in jeder geeigneten Form erbracht werden.
Die Prioritätsunterlagen können für die unter i) und ii) genannten Zwecke nicht herangezogen werden (siehe G 3/89 und G 11/91).
Eine Berichtigung nach Regel 139 Satz 2 hat rein feststellenden Charakter und bringt nur das zum Ausdruck, was der Fachmann unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens den die Offenbarung betreffenden Teilen einer europäischen Patentanmeldung in ihrer Gesamtheit bereits am Anmeldetag entnehmen konnte (siehe oben G 3/89 und G 11/91). Daher ist das Ersetzen der vollständigen Unterlagen einer Anmeldung, also der Beschreibung, der Patentansprüche und der Zeichnungen, durch andere Unterlagen nicht möglich (siehe G 2/95).
Beispiele für zulässige Berichtigungen:
I) Ersetzung von "respectfully" durch "respectively" in einem Anspruch (T 34/03).
II) Hinzufügung der Pluralendung "s" zum Wort "particle", weil das entsprechende Verb "have" im Plural war und die Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung eine Partikelgrößenverteilung beschrieb. Da Partikelgrößenverteilungen nur für mehrere Partikel beschrieben werden können, wurde die Berichtigung für zulässig befunden (T 108/04).
Nicht berufen kann sich der Anmelder/Patentinhaber dagegen auf
a)ein bloßes Zählen der betreffenden Wörter in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung, um zu erreichen, dass ein Wort durch ein anderes ersetzt wird, z. B. "excluded" durch "included", wenn nicht klar ist, dass ein Fehler vorliegt, und nicht sichergestellt werden kann, dass der Verfasser "eingeschlossen" und nichts anderes gemeint hat (T 337/88).
b)die allgemeine Praxis oder Industriestandards für das Messen der Konzentration von Verbindungen auf dem relevanten technischen Gebiet, wenn in der Anmeldung in der eingereichten Fassung lediglich "%" steht und der Beschreibung nicht eindeutig entnommen werden kann, ob "%" sich auf die Konzentration per Gewichtsprozent, Volumenprozent oder etwas völlig anderes beziehen soll (T 48/02).
c)das allgemeine Fachwissen, wenn keine weiteren Beweismittel wie eine Enzyklopädie oder ein Standardwerk vorliegen, um beispielsweise zu belegen, dass der Fachmann sofort erkannt hätte, dass es vor dem Prioritätstag eines Patents keinen ASTM-Standard mit einer sechsstelligen Nummer gab (T 881/02).