3. Änderung der Ansprüche
Die Erfordernisse des Art. 123 (2) sind nur erfüllt, wenn das Ersetzen oder Streichen eines Merkmals im Rahmen dessen erfolgt, was der Fachmann der Gesamtheit der Anmeldungsunterlagen unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens ‒ objektiv und bezogen auf den Anmeldetag (oder den Prioritätstag gemäß Art. 89) ‒ unmittelbar und eindeutig entnehmen kann (G 3/89, G 11/91 und G 2/10).
Wenn die Änderung mittels Ersetzen oder Streichen eines Merkmals aus einem Anspruch aufgrund mindestens eines Kriteriums den folgenden Test nicht besteht, verstößt sie notwendigerweise gegen Art. 123 (2):
i)das ersetzte oder gestrichene Merkmal wurde in der ursprünglich eingereichten Offenbarung nicht als wesentlich hingestellt,
ii)der Fachmann würde unmittelbar und eindeutig erkennen, dass das Merkmal als solches für die Funktion der Erfindung unter Berücksichtigung der technischen Aufgabe, die sie lösen soll, nicht unerlässlich ist (in diesem Zusammenhang ist besondere Vorsicht geboten, wenn die technische Aufgabe im Verfahren neu formuliert wird, siehe H‑V, 2.4 und G‑VII, 11), und
iii)der Fachmann würde erkennen, dass das Ersetzen oder Streichen keine Angleichung eines oder mehrerer Merkmale erfordert (es ändert nicht als solches die Erfindung).
Aber selbst wenn die vorstehenden Kriterien erfüllt sind, muss die Abteilung trotzdem sicherstellen, dass die Änderung mittels Ersetzen oder Streichen eines Merkmals aus einem Anspruch die Erfordernisse des Art. 123 (2) erfüllt, wie sie auch in G 3/89 und G 11/91 dargelegt und in G 2/10 als "Goldstandard" bezeichnet wurden.
Werden mehrere Merkmale aus einem unabhängigen Anspruch gestrichen und wird er dadurch z. B. auf lediglich einen Teil des ursprünglich beanspruchten Gegenstands beschränkt, so muss der Gegenstand des geänderten Anspruchs unmittelbar und eindeutig aus der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung als Erfindung als solche ableitbar sein, d. h. er muss eine technische Aufgabe lösen und auch ohne die gestrichenen Merkmale funktionsfähig sein.
Die Streichung eines beschränkenden Merkmals aus einem unabhängigen erteilten Anspruch wird wahrscheinlich zu einer Erweiterung des Schutzbereichs führen und dürfte somit gegen Art. 123 (3) verstoßen. Ebenso ist beim Ersetzen eines Merkmals in einem erteilten Anspruch die Vereinbarkeit mit Art. 123 (3) sorgfältig zu prüfen.