2.7 Verspätet eingereichte Anträge nach der Ladung zur mündlichen Verhandlung im Prüfungsverfahren
Auf die Ausübung des Ermessens nach Regel 137 (3) bei der Behandlung von Anträgen, die ohne triftigen Grund nach dem gemäß Regel 116 (1) Regel 116 (2) bestimmten Zeitpunkt eingereicht werden, wendet die Prüfungsabteilung den Grundsatz der "eindeutigen Gewährbarkeit" an (T 153/85).
Diese verspätet eingereichten Ansprüche werden nur zum Verfahren zugelassen, wenn sie eindeutig gewährbar sind. Das heißt, für die Prüfungsabteilung muss sofort ersichtlich sein, dass die Änderungen die Einwände erfolgreich ausräumen, ohne ihrerseits neue Einwände aufzuwerfen ("Prima-facie"-Beurteilung).
Zum Beispiel werden verspätet eingereichte Anträge nicht zugelassen, wenn sie den Erfordernissen nach Art. 123 (2) oder Art. 84 nicht eindeutig genügen. Ebenso können verspätet eingereichte Anträge zurückgewiesen werden, wenn der neu definierte Gegenstand keine konvergente Weiterentwicklung des Gegenstands ist, der die Grundlage des bisherigen Prüfungsverfahrens gebildet hat (Konvergenz ist unter H‑III, 3.3.2.2 definiert).
Bei der Beurteilung, ob die Ansprüche eindeutig gewährbar sind, muss die Prüfungsabteilung die Begründung des Anmelders berücksichtigen, in der erläutert wird, warum die Änderungen vorgenommen wurden und wie mit ihnen die erhobenen Einwände ausgeräumt werden sollen.
Kommt die Prüfungsabteilung nach den Erörterungen zu dem Schluss, dass die verspätet eingereichten Anträge nicht eindeutig gewährbar sind, so weist sie sie nach Regel 116 (2) und Regel 137 (3) mit der Begründung zurück, dass sie keinen eindeutig gewährbaren Gegenstand umfassen, also ihr Gegenstand den Erfordernissen des EPÜ nicht eindeutig genügt (zu Fällen, in denen der Anmelder nicht zur mündlichen Verhandlung erscheint, siehe H‑III, 3.3.3 und E‑III, 8.3.3). In der Entscheidung ist auch zu begründen, warum die spezifische(n) Anforderung(en) nicht erfüllt ist (sind).
Der Grundsatz der "eindeutigen Gewährbarkeit" wird in der Regel auch auf Anträge angewandt, die der Patentinhaber im Einspruchsverfahren verspätet einreicht (siehe E‑VI, 2.1 und 2.2 sowie T 98/96 in Bezug auf Einspruchsbeschwerdeverfahren).