7.5 Internet-Offenbarungen
Wird einer Anmeldung oder einem Patent ein Internet-Dokument entgegengehalten, müssen dieselben Sachverhalte geklärt werden wie bei jedem anderen Beweismittel einschließlich traditioneller Papierveröffentlichungen (siehe G‑IV, 1). Diese Bewertung erfolgt gemäß dem Grundsatz der "freien Beweiswürdigung" (siehe T 482/89 und T 750/94). Das bedeutet, dass jedes Beweismittel entsprechend seiner Beweiskraft gewichtet wird, die unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls bestimmt wird. Die Beurteilung dieser Umstände erfolgt nach dem Grundsatz des Abwägens der Wahrscheinlichkeit. Danach reicht es nicht aus, dass der behauptete Sachverhalt (z. B. der Veröffentlichungstag) lediglich wahrscheinlich ist; die Prüfungsabteilung muss darüber hinaus von seiner Richtigkeit überzeugt sein. Dies bedeutet allerdings auch, dass die Behauptung nicht völlig zweifelsfrei und lückenlos bewiesen werden muss.
Der Veröffentlichungstag einer Internet-Offenbarung, die von einem am Einspruchsverfahren Beteiligten eingereicht wird, wird anhand derselben Grundsätze ermittelt, die auch im Prüfungsverfahren angewandt werden, d. h. anhand der besonderen Umstände im Einzelfall. So werden insbesondere auch der Zeitpunkt der Einreichung sowie die Interessen des Verfahrensbeteiligten berücksichtigt, der die Offenbarung eingereicht hat.
In vielen Fällen enthalten Internet-Veröffentlichungen eine ausdrückliche Angabe zum Veröffentlichungstag, die in der Regel als verlässlich betrachtet wird. Solche Datumsangaben werden ohne Weiteres akzeptiert, und den Beweis für das Gegenteil müsste der Anmelder erbringen. Für die Ermittlung oder Bestätigung des Veröffentlichungstags müssen gegebenenfalls Indizien gesammelt werden (siehe G‑IV, 7.5.4). Kommt der Prüfer zu dem Schluss, dass – nach Abwägen der Wahrscheinlichkeit – ein bestimmtes Dokument der Öffentlichkeit an einem bestimmten Datum zugänglich war, so wird dieses Datum als Veröffentlichungstag für die Zwecke der Prüfung verwendet.