Kapitel VII – Erfinderische Tätigkeit
Die vom Prüfer bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit zu berücksichtigenden zweckdienlichen Angaben und Beweismittel können in der ursprünglichen Patentanmeldung enthalten sein oder vom Anmelder im Laufe des Verfahrens eingereicht werden (siehe G‑VII, 5.2 sowie H‑V, 2.2 und H-V, 2.4).
Werden neue Wirkungen zur Stützung der erfinderischen Tätigkeit genannt, so ist allerdings stets Vorsicht angebracht. Solche neuen Wirkungen können nur berücksichtigt werden, wenn sie in einer ursprünglich gestellten Aufgabe, wie sie sich aus der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung ergibt, impliziert sind oder zumindest im Zusammenhang mit ihr stehen (siehe auch G‑VII, 5.2, T 386/89 und T 184/82). der Fachmann ausgehend vom allgemeinen Fachwissen am wirksamen Anmeldetag und auf der Grundlage der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung schlussfolgern würde, dass diese Wirkung von der technischen Lehre umfasst und von derselben ursprünglich offenbarten Erfindung verkörpert wird (G 2/21, Leitsatz II).
Zum Nachweis einer technischen Wirkung vorgelegte Beweismittel, die bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit berücksichtigt werden können, werden nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung bewertet. Solche Beweismittel dürfen nicht allein aus dem Grund unberücksichtigt bleiben, dass sie nachveröffentlicht wurden (G 2/21).
Beispiel für eine solche neue Wirkung:
Die Erfindung in der eingereichten Fassung bezieht sich auf eine pharmazeutische Zusammensetzung mit einer bestimmten Wirksamkeit. Auf den ersten Blick scheint in Anbetracht des einschlägigen Stands der Technik mangelnde erfinderische Tätigkeit vorzuliegen. Später legt der Anmelder neue Beweismittel vor, die zeigen, dass die beanspruchte Zusammensetzung einen unerwarteten Vorteil in Form geringer Toxizität aufweist. In diesem Fall ist es zulässig, die technische Aufgabe neu zu formulieren und den Gesichtspunkt der Toxizität aufzunehmen, denn pharmazeutische Wirksamkeit und Toxizität stehen insofern miteinander im Zusammenhang, als der Fachmann die beiden Gesichtspunkte immer zusammen betrachten würde.
Durch die Neuformulierung der technischen Aufgabe kann es unter Umständen zu einer Änderung oder Hinzufügung der technischen Aufgabe in der Beschreibung kommen. Eine solche Änderung ist allerdings nur dann zulässig, wenn die in H‑V, 2.4 genannten Bedingungen erfüllt werden. In dem obigen Beispiel einer pharmazeutischen Zusammensetzung könnte weder die neu formulierte Aufgabe noch die Angabe über die Toxizität ohne Verstoß gegen Art. 123 (2) in die Beschreibung aufgenommen werden.