6.1 Erste oder weitere medizinische Verwendung bekannter Erzeugnisse
Der Schutzumfang zweckgebundener Stoffansprüche nach Art. 54 (5) ist auf den Stoff oder das Stoffgemisch im Kontext seiner medizinischen Verwendung begrenzt, die das beanspruchte Erzeugnis neu und gegebenenfalls erfinderisch macht.
Dieser Grundsatz gilt nur für Stoffe und Stoffgemische und kann nicht auf andere Erzeugnisse ausgedehnt werden. Ein Anspruch, der auf eine Vorrichtung für eine beabsichtigte medizinische Verwendung gerichtet ist (z. B. einen Schrittmacher oder einen implantierbaren chemischen Sensor zur Verwendung in ...), muss so ausgelegt werden, dass eine für diese medizinische Verwendung geeignete Vorrichtung beansprucht wird (F‑IV, 4.13).
Ein Erzeugnis kann als "Stoff oder Stoffgemisch" im Sinne des Art. 54 (5) gelten, wenn es der Wirkstoff einer spezifischen medizinischen Verwendung ist und die therapeutische Wirkung seinen chemischen Eigenschaften zugeschrieben werden kann (siehe G 5/83 und T 1758/15). Ein Beispiel ist ein Füllstoff, der zwischen ein erstes, zu bestrahlendes Gewebe und ein zweites, sensibles und vor der Strahlung zu schützendes Gewebe injiziert wird. Wird die Abschirmwirkung des Füllstoffs erreicht, indem das empfindliche Gewebe rein mechanisch durch das vom Füllstoff zwischen den beiden Gewebeschichten beanspruchte Volumen verdrängt wird, so ist der Füllstoff als Vorrichtung und nicht als Stoff oder Stoffgemisch anzusehen. Hat der Füllstoff hingegen eine strahlenreduzierende Wirkung auf das sensible Gewebe, die seinen chemischen Eigenschaften zugeschrieben werden kann, wäre er als "Stoff oder Stoffgemisch" im Sinne des Art. 54 (5) zu betrachten.