Kapitel VI – Verfahren bei der Prüfung des Einspruchs
Die Einspruchsabteilung wird zunächst bestrebt sein, eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren herbeizuführen. Sie stützt sich dabei unter Berücksichtigung der in der Regel vorausgegangenen Ermittlungen des beauftragten Mitglieds (siehe D‑II, 5 und D-II, 6) auf das schriftliche Vorbringen der Beteiligten und gegebenenfalls auf im schriftlichen Wege herbeigeführte Beweiserhebungen, insbesondere durch Vorlegung von Urkunden, durch Einholung von Auskünften und durch schriftliche Erklärungen unter Eid.
So trifft die Parteien im mehrseitigen Verfahren eine besondere Pflicht zur sorgfältigen und beförderlichen Verfahrensführung. Dazu gehört es, alle relevanten Tatsachen, Beweismittel, Argumente und Anträge so früh und so vollständig wie möglich vorzulegen (siehe D‑IV, 1.2.2.1 und E‑IV, 1.2). Ferner werden alle von dem/den Einsprechenden nach Ablauf der Einspruchsfrist eingereichten Gründe, Tatsachen und Beweismittel als verspätet eingereicht betrachtet, sofern sie nicht durch eine Änderung des Verfahrensgegenstands bedingt sind; Näheres siehe E‑VI, 2 und Unterpunkte. Die Zulässigkeit von Änderungen durch den Patentinhaber wird ausführlich in H‑II, 3 bis H‑II, 3.5 sowie in E‑VI, 2.2.2 und E‑VI, 2.2.3 behandelt.
Auf Antrag eines Beteiligten oder, sofern die Einspruchsabteilung dies für sachdienlich erachtet, von Amts wegen ist in den in Art. 116 (1) vorgesehenen Fällen nach entsprechender Vorbereitung eine mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung abzuhalten (siehe D‑VI, 3.2). In der mündlichen Verhandlung können die Beteiligten zur Klärung der noch offenen Fragen ihre Sache vortragen sowie Anträge stellen. Die Mitglieder der Einspruchsabteilung können Fragen an die Beteiligten stellen.
Ein seltener Sonderfall des Einspruchsverfahrens ist die unter Umständen erforderliche mündliche Beweisaufnahme als Teil einer mündlichen Verhandlung bzw. zur Beweissicherung vor der Einspruchsabteilung oder außerhalb der mündlichen Verhandlung durch das beauftragte Mitglied. Zur Durchführung einer Beweisaufnahme, die die Einspruchsabteilung nicht für erforderlich hält, ist sie auch dann nicht verpflichtet, wenn ein Beteiligter sie beantragt hat. Die Beweisaufnahme durch Vernehmung kann auch vor dem zuständigen Gericht im Wohnsitzstaat des zu Vernehmenden, gegebenenfalls unter Eid, stattfinden. Der Vernehmung vor dem zuständigen Gericht kann auf Antrag der Einspruchsabteilung ein Mitglied der Einspruchsabteilung beiwohnen (siehe E‑IV, 1.3).
Zur mündlichen Beweisaufnahme zählt in erster Linie die Vernehmung von Zeugen und Beteiligten (siehe E‑IV, 1.6).
Die Beweisaufnahme durch Sachverständigengutachten in mündlicher und/oder schriftlicher Form (siehe E‑IV, 1.8.1) und die Einnahme des Augenscheins (siehe E‑IV, 1.2, letzter Absatz) sind, soweit sie von der Einspruchsabteilung veranlasst werden, sehr seltene Ausnahmefälle. Wegen der Sachkundigkeit der Mitglieder der Einspruchsabteilung sind sie ‒ auch im Hinblick auf die dabei anfallenden Kosten ‒ nur der allerletzte Ausweg.
Regeln 117 bis Regel 120