3. Einheitlichkeit der Erfindung
Bei Euro-PCT-Anmeldungen, für die das EPA als ISA oder als SISA tätig war, prüft die Prüfungsabteilung nach Ablauf der in der Mitteilung nach Regel 161 und Regel 162 gesetzten Sechsmonatsfrist gemäß Regel 164 (2) die Anmeldungsunterlagen. Für jede im Sinne des Art. 82 beanspruchte Erfindung oder Gruppe von Erfindungen, zu der das EPA in seiner Eigenschaft als ISA oder SISA keine Recherche durchgeführt hat, erlässt die Prüfungsabteilung eine Aufforderung zur Entrichtung von Recherchengebühren.
Die geänderten Anmeldungsunterlagen können Ansprüche, die auf eine nicht recherchierte Erfindung gerichtet sind, nicht nur dann enthalten, wenn die der Prüfung zugrunde zu legenden Unterlagen den Anforderungen an die Einheitlichkeit nicht entsprechen.
Es kann zum Beispiel auch sein, dass die geänderte Anmeldung nur eine einzige Erfindung enthält, die zwar beansprucht wurde, zu der in der internationalen Phase vom EPA als (S)ISA aber keine Recherche durchgeführt wurde. In diesem Fall besteht kein Einwand wegen mangelnder Einheitlichkeit gegen diesen Anspruchssatz, und in der Aufforderung ist nur auf den Einwand im WO‑ISA zu verweisen sowie darauf, dass in der internationalen Phase keine zusätzliche Recherchengebühr für diese Erfindung entrichtet wurde.
Es ist gut möglich, dass eine in den Anmeldungsunterlagen enthaltene Erfindung in den Anmeldungsunterlagen, die dem Verfahren in der internationalen Phase zugrunde gelegt wurden, nicht einmal beansprucht war und später aus der Beschreibung aufgenommen wurde (siehe F‑V, 7.1 iv)). In solchen Fällen muss die Prüfungsabteilung für jede nicht recherchierte Erfindung eine Aufforderung zur Entrichtung von Recherchengebühren nach Regel 164 (2) erlassen, unabhängig davon, ob die Ansprüche noch uneinheitlich sind. In der Aufforderung nach Regel 164 (2) ist anzugeben, dass – und warum – die neue Erfindung in der internationalen Phase nicht recherchiert wurde. Umfassen in einem solchen Fall die Ansprüche noch weitere Erfindungen, die ebenfalls nicht recherchiert wurden (aber in der PCT-Anmeldung beansprucht waren), so muss der Anmelder in derselben Mitteilung auch aufgefordert werden, weitere Recherchengebühren für diese Erfindungen zu entrichten. Bei der Beurteilung, ob ein in den geänderten Ansprüchen vorhandener Gegenstand eine zuvor nicht beanspruchte, aus der Beschreibung aufgenommene Erfindung darstellt (für die eine Aufforderung nach Regel 164 (2) ergehen muss), sind die festgelegten Grundsätze für die Überprüfung der Erfordernisse der Regel 137 (5) (siehe H‑IV, 4.1.2) zu berücksichtigen.
Die Anmeldungsunterlagen, die die Grundlage für die europäische Phase bilden, können auch (Gruppen von) Erfindungen abdecken, für die im (ergänzenden) internationalen Recherchenbericht infolge des Verfahrens für fälschlicherweise eingereichte Dokumente nach Regel 20.5bis PCT keine Recherche durchgeführt wurde (siehe C‑III, 1.3). Auch in diesem Fall muss die Prüfungsabteilung eine Aufforderung zur Entrichtung von Recherchengebühren nach Regel 164 (2) erlassen.
Die Aufforderung nach Regel 164 (2) muss vor einer etwaigen Mitteilung nach Art. 94 (3) versandt werden. Regel 164 (2) findet nur Anwendung, wenn die Ansprüche so klar sind, dass eine nicht recherchierte Erfindung bestimmt werden kann, die das Verfahren gemäß Regel 164 (2) auslöst. Sind die Ansprüche so unklar, dass keine nicht recherchierte Erfindung bestimmt werden kann, so muss zunächst eine Mitteilung nach Art. 94 (3) ergehen, in der die Einwände nach Art. 84 dargelegt werden. Sollte sich später herausstellen, dass geänderte Ansprüche tatsächlich auf eine nicht recherchierte Erfindung gerichtet sind, so muss der Anmelder für jeden dieser Gegenstände eine Teilanmeldung einreichen. Die Inanspruchnahme der Regel 164 (2) ist nicht vorgesehen, wenn aufgrund weiterer Änderungen oder Klarstellungen (weitere) nicht recherchierte Erfindungen bestimmt werden, da das Verfahren gemäß Regel 164 (2) für die Anmeldungsunterlagen gilt, die der Anmelder als Grundlage für die Prüfung eingereicht hat.
Werden vor einer Recherche nach Regel 164 (2) Hilfsanträge eingereicht, wird für die Zwecke der Recherche nur der Hauptantrag berücksichtigt (außer in Fällen nach Regel 62a oder Regel 63, in denen in der Recherchenphase sowohl Haupt- als auch Hilfsanträge berücksichtigt werden, siehe B‑VIII, 3.2.2 und B-VIII, 4.2.2).
Werden Recherchengebühren fristgerecht entrichtet, so werden die Recherchenergebnisse dem Anmelder als Anlage zu einer Mitteilung nach Art. 94 (3) und Regel 71 (1) und Regel 71 (2) oder nach Regel 71 (3) übermittelt, wie in Regel 164 (2) b) festgelegt. Diese Anlage trägt die Überschrift "Recherchenergebnis nach Regel 164 (2)".
Wenn der Anmelder die Recherchengebühren fristgerecht nach Regel 164 (2) entrichtet und gleichzeitig einen neuen Anspruchssatz einreicht, wird für diejenigen Ansprüche, die bei Ablauf der Frist nach Regel 161 in der Akte sind und für die eine Zahlungsaufforderung verschickt und die erforderlichen Gebühren entrichtet wurden, die Recherche durchgeführt und der schriftliche Bescheid erstellt. Die geänderten Unterlagen können jedoch vom Prüfer informell bei der Recherche berücksichtigt werden, soweit dies sinnvoll erscheint. Der Anmelder kann Änderungen von sich aus einreichen, nachdem er die der Mitteilung nach Art. 94 (3) beigefügten Ergebnisse der Recherche nach Regel 164 (2) erhalten hat (siehe H‑II, 2.3).
Werden Recherchengebühren gemäß Regel 164 (2) nicht fristgerecht entrichtet, so ergeht eine Mitteilung nach Art. 94 (3) und Regel 71 (1) und Regel 71 (2) bzw. Regel 71 (3), und die Prüfungsabteilung verlangt, dass alle Gegenstände aus den Ansprüchen gestrichen werden, die nicht recherchiert wurden, weil entweder eine Recherchengebühr gemäß Regel 164 (2) nicht entrichtet wurde (siehe H‑II, 6) oder ein anderer Grund vorlag (siehe H‑IV, 4). Vor der Patenterteilung sollten diese Gegenstände entweder aus der Beschreibung und den Zeichnungen gestrichen oder es sollte angegeben werden, dass sie nicht Teil der beanspruchten Erfindung sind (siehe F‑IV, 4.3 iii)).
In einer Mitteilung nach Regel 164 (2) b) werden alle Einwände zu den Erfindungen behandelt, die nach Regel 164 (2) recherchiert wurden. Für Ansprüche in Bezug auf Erfindungen, die das EPA in der internationalen Phase bereits recherchiert hat und die trotz Änderungen weiterhin uneinheitlich sind, reicht eine ausführliche Begründung aus, warum weiterhin mangelnde Einheitlichkeit vorliegt. Stellen die Änderungen eine unzulässige Erweiterung dar, kann der Prüfer – in eindeutigen Fällen und als zusätzliche Dienstleistung für den Anmelder – in der Mitteilung nach Regel 164 (2) b) einen Einwand nach Art. 123 (2) erheben, um das Verfahren zu beschleunigen und dem Anmelder die Entscheidung zu erleichtern, welche der recherchierten Erfindungen er weiterverfolgen will. Gegebenenfalls wird der Anmelder in dieser Mitteilung zudem aufgefordert, die Anmeldung auf eine einzige recherchierte Erfindung zu beschränken (siehe Regel 164 (2) c)).
Aus Regel 164 (2) b) und Regel 164 (2) c) ergibt sich, dass das in Regel 164 (2) vorgesehene und in H‑II, 2.3 beschriebene Verfahren bei Ablauf der in der Mitteilung nach Regel 164 (2) b) genannten Frist endet. Somit endet auch das Recht des Anmelders, von sich aus Änderungen vorzunehmen, bei Ablauf dieser Frist.
Des Weiteren endet das in F‑V, 7.1 iv) beschriebene Verfahren, wonach Änderungen von den Erfordernissen der Regel 137 (5) Satz 1 ausgenommen sind, bei Ablauf der Frist nach Regel 161 (1). Entsprechende Änderungen führen zu einer Aufforderung nach Regel 164 (2) a) und ermöglichen es dem Anmelder, eine Recherche der nach Regel 137 (5) nicht recherchierten Gegenstände durchführen zu lassen. Dagegen unterliegen alle nach Ablauf der Frist gemäß Regel 161 (1) eingereichten Änderungen den Erfordernissen der Regel 137 (5) Satz 1 (siehe H‑IV, 4.1.2).
Die Verpflichtungen des EPA nach Regel 164 (2) sind erfüllt und die Rechte des Anmelders aus dieser Regel erschöpft, sobald eine Mitteilung nach Regel 164 (2) ergangen ist. Dementsprechend ergeht bei einer Aufeinanderfolge von Einwänden wegen mangelnder Einheitlichkeit keine (weitere) Aufforderung nach Regel 164 (2). Dasselbe gilt, wenn im Prüfungsverfahren Ansprüche hinzugefügt oder bestehende Ansprüche so geändert werden, dass sie sich auf nicht recherchierte Erfindungen beziehen.
Es kann Ausnahmen geben, wenn in der internationalen Phase folgender Ablauf eingetreten ist:
i)Das EPA war in der internationalen Phase als ISA tätig.
ii)Das EPA als ISA hat den Anmelder gemäß Art. 17 (3) a) PCT und Regel 40 PCT zur Entrichtung einer oder mehrerer zusätzlicher internationaler Recherchengebühren aufgefordert (wegen mangelnder Einheitlichkeit nach Regel 13 PCT).
iii)Der Anmelder hat mindestens eine zusätzliche Recherchengebühr entrichtet.
iv)Die zusätzlichen Recherchen haben zu einem weiteren Einwand wegen nachträglicher mangelnder Einheitlichkeit geführt (Aufeinanderfolge von Einwänden wegen mangelnder Einheitlichkeit), weshalb eine der in der Aufforderung nach Art. 17 (3) a) PCT und Regel 40 PCT genannten Erfindungen weiter geteilt wurde; die Erfindungen, die sich aus dieser Teilung ergeben haben, waren in der Aufforderung ursprünglich nicht genannt.
v)Das EPA hat nicht alle Erfindungen recherchiert, die sich aus dieser Teilung ergeben haben.
Im oben genannten Fall fordert das EPA den Anmelder zur Entrichtung von Recherchengebühren für alle Erfindungen auf, die sich aus dieser Teilung ergeben haben und nicht recherchiert worden sind und die in den Ansprüchen enthalten sind, die der Prüfung nach Ablauf der Sechsmonatsfrist nach Regel 161 (1) gemäß Regel 164 (2) zugrunde gelegt werden sollen.
War das EPA gemäß Regel 45bis.9 PCT als SISA tätig, so kann es mangelnde Einheitlichkeit der internationalen Anmeldung nach Regel 45bis.6 a) PCT feststellen. Im Verfahren vor der SISA kann der Anmelder jedoch nicht zusätzliche ergänzende internationale Recherchengebühren entrichten, und der ergänzende internationale Recherchenbericht wird nur für die in den Ansprüchen zuerst genannte Erfindung oder einheitliche Gruppe von Erfindungen erstellt (Regel 45bis.6 a) PCT). Enthält eine solche Anmeldung nicht recherchierte Erfindungen in den Ansprüchen, die der Prüfung nach Ablauf der Sechsmonatsfrist nach Regel 161 (1) zugrunde gelegt werden sollen, ergeht eine Mitteilung nach Regel 164 (2), sodass der Anmelder die Möglichkeit hat, nach der Entrichtung von Recherchengebühren für diese Erfindungen eine Recherche durchführen zu lassen und eine dieser Erfindungen im Prüfungsverfahren weiterzuverfolgen.
In Regel 164 (2) b) ist das Recht vorgesehen, die Anmeldung in Erwiderung auf die Ergebnisse einer Recherche nach Regel 164 (2) zu ändern. Der Anmelder kann also in Erwiderung auf die Mitteilung nach Art. 94 (3), der die Recherchenergebnisse nach Regel 164 (2) beigefügt sind, einmal von sich aus Änderungen vornehmen (H‑II, 2.3).