4.1 Gegenstände, die gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen
Overview
Erfindungen, deren gewerbliche Verwertung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen würde, sind eigens von der Patentierbarkeit ausgeschlossen. Damit wird bezweckt, Erfindungen den Schutz zu verweigern, die wahrscheinlich einen Anreiz zum Aufruhr oder zur Störung der öffentlichen Ordnung bieten würden oder die zu einem verbrecherischen oder generell offensiven Verhalten führen könnten (siehe auch F‑II, 7.2). Ein offensichtliches Beispiel sind Antipersonenminen. Beispiele für biotechnologische Erfindungen gemäß Regel 28 finden sich in G‑II, 5.3. Gemäß G 1/03 ergeben sich praktische Beispiele für Art. 53 a) aus der Tatsache, dass am Menschen nicht alles vorgenommen werden darf, was an anderen Lebewesen vorgenommen werden darf. So kann z. B. die wirtschaftlich motivierte Vermeidung von Nachkommenschaft, die aufgrund bestimmter Eigenschaften (Geschlecht, Farbe, Gesundheitszustand) unerwünscht ist, bei Haustieren durchaus legitim sein, während sie auf Menschen angewendet gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen würde.
In der Regel dürfte diese Bestimmung wohl nur in sehr seltenen und extremen Fällen herangezogen werden. Als Maßstab sollte bei der Prüfung zugrunde gelegt werden, ob es wahrscheinlich ist, dass die Öffentlichkeit im Allgemeinen die Erfindung als so verabscheuenswürdig betrachten würde, dass die Erteilung von Patentrechten unbegreiflich wäre. Ist dies eindeutig der Fall, so wird ein Einwand gemäß Art. 53 a) erhoben, andernfalls jedoch nicht. Die bloße Möglichkeit eines Missbrauchs reicht nicht aus, um eine Erfindung nach Art. 53 a) vom Patenschutz auszuschließen, wenn sie auch in einer Weise verwertet werden könnte, die nicht gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstößt oder verstoßen würde (siehe T 866/01). Falls in diesem Zusammenhang rechtlich schwierige Fragen auftreten, siehe C‑VIII, 7.
Wird befunden, dass sich die Ansprüche zum Teil auf einen solchen ausgeschlossenen Gegenstand beziehen, so ist unter Umständen gemäß Regel 63 nur ein teilweiser europäischer oder ergänzender europäischer Recherchenbericht erstellt worden (siehe B‑VIII, 1, B-VIII, 3.1 und B-VIII, 3.2). In diesen Fällen ist, sofern die Anmeldung nicht in geeigneter Weise geändert wird und/oder der Anmelder in seiner Erwiderung auf die Aufforderung nach Regel 63 (1) (siehe B‑VIII, 3.2) oder auf die Stellungnahme zur Recherche nach Regel 70a (siehe B‑XI, 8), keine überzeugenden Argumente angeführt hat, außerdem ein Einwand nach Regel 63 (3) zu erheben (siehe H‑II, 5).