3. Arten der Patentansprüche
Gemäß Regel 43 (2) dürfen alle europäischen Patentanmeldungen nicht mehr als einen unabhängigen Patentanspruch in der gleichen Kategorie enthalten.
Ausnahmen von dieser Regel sind nur in den unter den Buchstaben a, b und c aufgeführten Sonderfällen zulässig, sofern das Erfordernis der Einheitlichkeit der Erfindung nach Art. 82 erfüllt ist (siehe F‑V).
Die folgenden Beispiele stellen typische Fälle dar, die unter die Ausnahmeregelung fallen, nach der mehr als ein unabhängiger Anspruch der gleichen Kategorie zulässig ist:
i)Beispiele für mehrere miteinander in Beziehung stehende Erzeugnisse (Regel 43 (2) a)):
–Stecker und Steckdose
–Sender und Empfänger
–Zwischenprodukt(e) und chemisches Endprodukt
–Gen – Genkonstrukt – Host – Protein – Medikament
Für die Zwecke der Regel 43 (2) a) wird der Begriff "miteinander in Beziehung stehend" ausgelegt als "mehrere Gegenstände, die sich gegenseitig ergänzen oder zusammenwirken". Außerdem kann Regel 43 (2) a) so ausgelegt werden, dass sie Vorrichtungsansprüche abdeckt, weil der Begriff "Erzeugnisse" so zu verstehen ist, dass er auch Vorrichtungen einschließt. Ebenso fallen darunter Systeme, Untersysteme und Unterelemente solcher Systeme, sofern diese Einheiten miteinander in Beziehung stehen. Auch miteinander in Beziehung stehende Verfahrensansprüche können unter die Ausnahme nach Regel 43 (2) a) fallen.
ii)Beispiele für eine Vielzahl verschiedener erfinderischer Verwendungen eines Erzeugnisses oder einer Vorrichtung (Regel 43 (2) b)):
–Ansprüche, die auf weitere medizinische Verwendungen gerichtet sind, wenn eine erste medizinische Verwendung bekannt ist (siehe G‑II, 4.2)
–Ansprüche, die auf die Verwendung der Verbindung X für verschiedene Zwecke gerichtet sind, z. B. kosmetische Stärkung des Haares und Förderung des Haarwuchses
iii)Beispiele für Alternativlösungen für eine bestimmte Aufgabe (Regel 43 (2) c)):
–eine Gruppe chemischer Verbindungen
–zwei oder mehr Verfahren zur Herstellung dieser Verbindungen
iv)Beispiele für gewährbare Anspruchsformen:
–Ansprüche, die auf mehrere Verfahren gerichtet sind, die ein neues und erfinderisches Polypeptid P umfassen, z. B. ein Enzym, das einen bestimmten Schritt in der Synthese einer Verbindung kontrolliert:
ein Verfahren zur Herstellung des Polypeptids P,
ein Verfahren zur Herstellung der Verbindung unter Verwendung des isolierten Polypeptids oder von Wirtszellen, die dieses Polypeptid exprimieren,
ein Verfahren zur Auswahl einer Wirtszelle, das sich danach richtet, ob diese das Polypeptid der Erfindung exprimiert oder nicht.
–Ein Datensendeverfahren zum Versenden eines Datenpakets zwischen mehreren Geräten, die an einen Bus gekoppelt sind,
ein Datenempfangsverfahren zum Empfangen eines Datenpakets zwischen mehreren Geräten, die an einen Bus gekoppelt sind.
–Verfahren für den Betrieb eines Datenverarbeitungssystems, umfassend die Schritte A, B, …; Vorrichtung/System zur Datenverarbeitung, umfassend Mittel zur Ausführung des Verfahrens; Computerprogramm[produkt], das so angepasst ist, dass es dieses Verfahren ausführt; computerlesbares Speichermedium/Datenträger, das/der dieses Programm umfasst;
Es ist jedoch zu beachten, dass die Ausnahmen nach Regel 43 (2) normalerweise nicht greifen, wenn mehrere unabhängige Ansprüche auf äquivalente Ausführungsformen gerichtet sind, die sich nicht ausreichend voneinander unterscheiden (z. B. Computerprogramm, das so angepasst ist, dass es dieses Verfahren ausführen kann, und das optional als elektrisches Trägersignal übertragen wird; Computerprogramm mit Softwarecode, der so angepasst ist, dass er die Schritte A, B … ausführt).
Für die Zwecke der Regel 43 (2) c) kann der Begriff "Alternativlösungen" ausgelegt werden als "verschiedene oder sich gegenseitig ausschließende Möglichkeiten". Zudem soll der Anmelder Alternativlösungen nach Möglichkeit in einem einzigen Anspruch wiedergeben. Gibt es zum Beispiel Überschneidungen und Ähnlichkeiten bei den Merkmalen der unabhängigen Ansprüche derselben Kategorie, so deutet dies darauf hin, dass es zweckmäßig wäre, diese Ansprüche durch einen einzigen unabhängigen Anspruch zu ersetzen, z. B. indem für die wesentlichen Merkmale eine gemeinsame Formulierung gewählt wird (siehe F‑IV, 4.5).