2.2 Einreichung von Unterlagen zur Vorbereitung oder während der mündlichen Verhandlung
Regel 116 (2) erlegt dem Anmelder oder Patentinhaber bei der Einreichung neuer Unterlagen, die den Erfordernissen des EPÜ genügen (d. h. neuer Änderungen der Beschreibung, der Ansprüche und der Zeichnungen), dieselben Verpflichtungen auf wie Regel 116 (1) den Beteiligten beim Vorbringen neuer Tatsachen und Beweismittel.
Es liegt im Ermessen der Prüfungs- oder Einspruchsabteilung, Änderungen, die nach dem in Regel 116 (1) genannten Zeitpunkt eingereicht werden, als verspätet eingereicht außer Acht zu lassen, sofern sie nicht wegen einer Änderung des dem Verfahren zugrunde liegenden Sachverhalts zuzulassen sind. Vor dem in Regel 116 (1) genannten Zeitpunkt eingereichte Änderungen können in der Regel nicht als verspätet eingereicht angesehen werden.
Als Änderung des dem Verfahren zugrunde liegenden Sachverhalts wären in der Regel z. B. folgende Situationen anzusehen:
– die Einspruchsabteilung lässt nach Art. 114 (1) neue Tatsachen und Beweismittel oder einen neuen Einspruchsgrund zu, weil sie prima facie relevant sind;
– die Prüfungsabteilung führt ein weiteres einschlägiges Dokument erstmals an (H‑II, 2.7);
– die Prüfungs- oder Einspruchsabteilung weicht von einem früher zugestellten Bescheid ab, so könnte z. B. die Einspruchsabteilung in der mündlichen Verhandlung – entgegen ihrer vorläufigen, unverbindlichen Auffassung in der Anlage zur Ladung – zu dem Schluss kommen, dass ein Einwand der Aufrechterhaltung des Patents entgegensteht.
In diesen Beispielfällen kann ein Antrag des Anmelders oder Patentinhabers auf entsprechende Änderungen nicht als verspätet eingereicht abgelehnt werden, selbst wenn er nach dem gemäß Regel 116 (1) festgelegten Zeitpunkt eingereicht wird. Reicht der Anmelder oder Patentinhaber nach einer Meinungsänderung der Abteilung jedoch einen neuen Antrag ein, mit dem ein von der Abteilung bereits früher beanstandeter Sachverhalt erneut in das Verfahren eingeführt würde, so kann die Abteilung nach ihrem Ermessen entscheiden, diesen neuen Antrag nicht zu berücksichtigen, weil er prima facie nicht gewährbar ist.
Wenn nach dem gemäß Regel 116 (1) festgelegten Zeitpunkt eingereichte Änderungen eingehen, wird die Abteilung also zunächst analysieren, ob diese rechtzeitig als Reaktion auf eine Änderung des dem Verfahren zugrunde liegenden Sachverhalts eingereicht wurden. Nur wenn dies zu verneinen ist, liegt es im Ermessen der Abteilung, die Änderungen außer Acht zu lassen. Dieses Ermessen muss sie im Einklang mit den unter E‑VI, 2.2.3 dargelegten Grundsätzen ausüben. Die bloße Tatsache, dass Änderungen nach einem bestimmten Zeitpunkt eingereicht werden, ist für sich genommen noch kein Rechtsgrund, sie nicht zuzulassen.