3.5 Pläne, Regeln und Verfahren für gedankliche Tätigkeiten, für Spiele oder für geschäftliche Tätigkeiten
Gegenstände oder Tätigkeiten, die finanzieller, kommerzieller, administrativer oder organisatorischer Art sind, fallen unter Pläne, Regeln und Verfahren für geschäftliche Tätigkeiten, die als solche nach Art. 52 (2) c) und Art. 52 (3) von der Patentierbarkeit ausgeschlossen sind. Im nachfolgenden Abschnitt werden diese Gegenstände oder Tätigkeiten unter dem Begriff "Geschäftsmethode" zusammengefasst.
Finanzielle Tätigkeiten umfassen in der Regel Bank-, Abrechnungs- und Bilanzierungstätigkeiten. Marketing, Werbung, Lizenzierung, Verwaltung von Rechten und vertraglichen Vereinbarungen sowie mit rechtlichen Überlegungen verbundene Tätigkeiten sind kommerzieller oder administrativer Art. Personalverwaltung, die Konzeption eines Workflows für einen Geschäftsprozess oder die Kommunikation von Mitteilungen an eine Nutzerzielgruppe auf der Grundlage von Standortinformationen sind Beispiele für organisatorische Regeln. Andere typische Beispiele für geschäftliche Tätigkeiten betreffen Unternehmensforschung, Planung, die Durchführung von Prognosen sowie Optimierungen im geschäftlichen Umfeld, einschließlich Logistik und Aufgabenplanung. Dazu gehören die Sammlung von Informationen, die Festlegung von Zielen und die Nutzung von mathematischen und statistischen Methoden zur Bewertung der Informationen im Hinblick auf Managemententscheidungen.
Bezieht sich der beanspruchte Gegenstand auf technische Mittel wie Computer, Computernetze oder andere programmierbare Vorrichtungen zur Durchführung zumindest einiger Schritte einer Geschäftsmethode, so ist er nicht auf ausgeschlossene Gegenstände als solche beschränkt und damit auch nicht nach Art. 52 (2) c) und Art. 52 (3) von der Patentierbarkeit ausgeschlossen.
Die bloße Möglichkeit, technische Mittel zu nutzen, reicht jedoch nicht aus, um einen Ausschluss zu vermeiden, auch wenn die Beschreibung eine technische Ausführungsform offenbart (T 388/04, T 306/04, T 619/02). Begriffe wie "System" oder "Mittel" sind sorgfältig zu prüfen, weil sich ein "System" zum Beispiel auf eine Finanzorganisation oder "Mittel" auf organisatorische Einheiten beziehen könnte, wenn nicht aus dem Kontext hergeleitet werden kann, dass diese Begriffe ausschließlich technische Einheiten betreffen (T 154/04).
Stellt sich heraus, dass der beanspruchte Gegenstand als Ganzes nicht nach Art. 52 (2) und Art. 52 (3) von der Patentierbarkeit ausgeschlossen ist, wird er in Bezug auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit geprüft (G‑I, 1). Bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit ist zu beurteilen, welche Merkmale zum technischen Charakter der Erfindung beitragen (G‑VII, 5.4).
Betrifft der Anspruch die technische Umsetzung einer Geschäftsmethode, beschränken sich die Merkmale, die zum technischen Charakter des Anspruchs beitragen, in den meisten Fällen auf diejenigen Merkmale, die die konkrete technische Umsetzung beschreiben.
Merkmale, die das Ergebnis von Entscheidungen zur technischen Umsetzung und nicht Teil der Geschäftsmethode sind, tragen zum technischen Charakter bei und müssen daher gebührend berücksichtigt werden. Dies lässt sich durch folgendes Beispiel veranschaulichen: Der Anspruch definiert ein computergestütztes Netzwerk, das seinen Nutzern erlaubt, audiovisuelle Inhalte über ausgewählte Produkte mithilfe von Computern abzurufen, die an jeder Verkaufsstelle einer Firma installiert und die alle mit einem zentralen Server mit einer zentralen Datenbank verbunden sind, in der die audiovisuellen Inhalte als elektronische Dateien gespeichert sind. Die Verteilung der elektronischen Dateien vom zentralen Server zu den Verkaufsstellen könnte technisch umgesetzt werden, indem entweder das Herunterladen einzelner Dateien direkt von der zentralen Datenbank auf den Computer auf Anfrage eines Kunden ermöglicht wird oder indem mehrere ausgewählte elektronische Dateien an jede Verkaufsstelle übertragen werden, diese Dateien in einer lokalen Datenbank der Verkaufsstelle gespeichert werden und die entsprechende Datei von der lokalen Datenbank abgerufen wird, wenn audiovisuelle Inhalte von einem Kunden an der Verkaufsstelle angefordert werden. Die Auswahl einer dieser beiden Optionen fällt unter die Zuständigkeit eines Fachmanns, wie z. B. eines Informatikers, anders als beispielsweise die Angabe, dass die angebotenen audiovisuellen Inhalte an jeder Verkaufsstelle unterschiedlich sind, wofür in der Regel ein Betriebsexperte zuständig wäre. Merkmale des Anspruchs, die eine dieser beiden Möglichkeiten der technischen Umsetzung beschreiben, tragen zum technischen Charakter der Erfindung bei, was bei Merkmalen, die die Geschäftsmethode beschreiben, nicht der Fall ist.
Bei Ansprüchen, die auf die technische Umsetzung einer Geschäftsmethode gerichtet sind, wird eine Änderung der zugrunde liegenden Geschäftsmethode, die zum Ziel hat, die technische Aufgabe zu umgehen, statt sie auf inhärent technische Art zu lösen, nicht als technischer Beitrag gegenüber dem Stand der Technik angesehen. Im Kontext der Automatisierung einer Geschäftsmethode sind Wirkungen, die der Geschäftsmethode inhärent sind, keine technischen Wirkungen (G‑VII, 5.4.1).
Beispielsweise kann eine automatisierte Bilanzierungsmethode, mit der überflüssige buchhalterische Tätigkeiten vermieden werden, so betrachtet werden, dass sie weniger Computerressourcen im Hinblick auf Auslastung und Speicherbedarf erfordert. Diese Vorteile – soweit sie aus einer Reduzierung der Zahl der durchzuführenden Arbeitsschritte und der zu verarbeitenden Datenmengen aufgrund der Spezifikationen der Bilanzierungsmethode hervorgehen – sind der Bilanzierungsmethode inhärente Vorteile und stellen somit keine technischen Wirkungen dar.
Als weiteres Beispiel ist eine elektronische Auktion zu nennen, bei der nach und nach der Preis gesenkt wird, bis er von dem Fernteilnehmer festgelegt wird, der als Erster eine Nachricht übermittelt. Da Nachrichten wegen möglicher Verzögerungen bei der Übertragung nicht immer in der richtigen Reihenfolge eingehen, enthält jede Nachricht Zeitstempeldaten. Werden nun die Auktionsregeln dahin gehend geändert, dass die Zeitstempeldaten nicht mehr erforderlich sind, so wird die technische Aufgabe der Übertragungsverzögerungen umgangen und es liegt keine Lösung anhand technischer Mittel vor (T 258/03). Ein weiteres Beispiel ist eine Methode zur Durchführung elektronischer Finanztransaktionen mit Kreditkarten an einer Verkaufsstelle: die administrative Entscheidung, zur Autorisierung der Transaktion auf Namen und Anschrift des Käufers zu verzichten, kann zu Zeitersparnis und reduziertem Datenverkehr führen. Für sich genommen ist dies jedoch keine technische Lösung für das technische Problem des Bandbreiten-Engpasses von Kommunikationsleitungen und der begrenzten Kapazität von Servercomputern, sondern eine administrative Maßnahme, die keinen Beitrag zum technischen Charakter des beanspruchten Gegenstands leistet.
Die bloße Tatsache, dass der Input bei einer Geschäftsmethode aus realen Daten besteht, reicht nicht aus, damit die Geschäftsmethode zum technischen Charakter des beanspruchten Gegenstands beiträgt, selbst wenn die Daten sich auf physikalische Parameter beziehen (z. B. geografische Distanzen zwischen Verkaufsstellen) (T 154/04, T 1147/05, T 1029/06). Siehe auch G‑II, 3.3.
Bei einer computerimplementierten Methode zur Erleichterung von Managemententscheidungen leistet die automatische Auswahl der kostengünstigsten Variante aus einer Reihe von Geschäftsplänen, die gleichzeitig bestimmte technische Vorgaben erfüllt (z. B. angestrebte Reduzierung der Umweltbelastung), keinen technischen Beitrag, der über die Computerimplementierung hinausgeht.
Die bloße Möglichkeit, dass eine Methode einem technischen Zweck dient, ist nicht ausreichend, damit sie zum technischen Charakter der Erfindung beiträgt. Ein Anspruch auf eine "Methode der Ressourcenverteilung in einem industriellen Prozess" umfasst reine Geschäftsprozesse und -dienstleistungen im Finanz-, Verwaltungs- oder Managementbereich, ohne die Methode auf einen bestimmten technischen Prozess zu beschränken, weil der Begriff "Industrie" eine breite Bedeutung hat.
Das Ergebnis einer Geschäftsmethode kann nützlich, tauglich oder vermarktbar sein, doch gilt dies nicht als technische Wirkung.
Merkmale von Geschäftsmethoden wie z. B. administrative Merkmale finden sich in unterschiedlichen Kontexten. So kann beispielsweise ein medizinisches Unterstützungssystem so konfiguriert werden, dass es dem Klinikarzt Informationen auf der Grundlage von Daten liefert, die von Patientensensoren eingehen, und nur wenn solche Daten nicht verfügbar sind, auf der Grundlage von Daten, die der Patient liefert. Der Vorrang der Sensordaten gegenüber den vom Patienten gelieferten Daten ist eine administrative Regelung. Für ihre Festlegung ist ein Verwaltungsorgan zuständig, z. B. der Klinikleiter, und nicht ein Ingenieur. Als administrative Regelung ohne technische Wirkung leistet sie keinen Beitrag zum technischen Charakter des beanspruchten Gegenstands und kann bei der Formulierung der objektiven technischen Aufgabe als Vorgabe aufgegriffen werden, die bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit erfüllt sein muss (G‑VII, 5.4). Weitere Beispiele für die Anwendung des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit von Gegenständen, die Merkmale von Geschäftsmethoden aufweisen, finden sich in G‑VII, 5.4.2.1 - G-VII, 5.4.2.3.