2. Verspätetes Vorbringen
Overview
Das EPA braucht Tatsachen und Beweismittel (z. B. Veröffentlichungen), die von den Beteiligten verspätet vorgebracht werden, nicht zu berücksichtigen.
Dies gilt auch für verspätet vorgebrachte Einspruchsgründe und die in diesem Zusammenhang vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel im Einspruchsverfahren (siehe D‑V, 2.2). Hier sei darauf verwiesen, dass gemäß G 1/95 und G 7/95 Art. 100 a) keinen einzigen Einspruchsgrund darstellt, sondern als Sammlung einzelner Einspruchsgründe, d. h. einzelner Rechtsgrundlagen für einen Einwand gegen die Aufrechterhaltung eines Patents, zu verstehen ist. Dies gilt nicht nur für deutlich verschiedene Einwände wie die Einwände, der Gegenstand sei nicht patentierbar (Art. 52 (2)) und nicht gewerblich anwendbar (Art. 57), sondern auch für die Einwände mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit.
Neue Argumente, die auf Tatsachen, Beweismitteln oder Einspruchsgründen basieren, die den rechtlichen und faktischen Rahmen des Einspruchsverfahrens bilden, können nicht unberücksichtigt gelassen werden.
Bei der Entscheidung über die Zulassung verspätet vorgebrachter Tatsachen, Beweismittel oder Einspruchsgründe sind ihre Bedeutung für die Entscheidung, der Stand des Verfahrens und die Gründe für die verspätete Vorlage zu berücksichtigen. Zeigt sich bei der Prüfung verspätet vorgebrachter Einspruchsgründe, Tatsachen oder Beweismittel auf den ersten Blick (d. h. prima facie), dass sie relevant sind, d. h., dass der betreffenden Entscheidung damit die Grundlage entzogen würde, dann muss das zuständige Organ diese Gründe, Tatsachen oder Beweismittel unabhängig vom Verfahrensstadium und von den Gründen für die verspätete Vorlage berücksichtigen. In diesem Fall hat der Grundsatz der Ermittlung von Amts wegen nach Art. 114 (1) Vorrang vor der dem EPA nach Art. 114 (2) eingeräumten Befugnis, verspätet vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel unberücksichtigt zu lassen (siehe T 156/84). Der Ermittlungspflicht sind jedoch Grenzen gesetzt (siehe E‑VI, 1.2). Andernfalls hat das Organ den betreffenden Beteiligten unter gebührender Berücksichtigung von Art. 113 (1) in der Entscheidung darauf hinzuweisen (siehe T 281/00), dass die Tatsachen, Beweismittel bzw. Entscheidungsgründe verspätet eingegangen sind und nach Art. 114 (2) nicht berücksichtigt werden, da sie für die Entscheidung nicht relevant sind. Hinsichtlich der Kostenverteilung, die sich möglicherweise aus verspätetem Vorbringen von Tatsachen und Beweismitteln ergibt, siehe D‑IX, 1.4.
Das Enddatum, an dem Eingaben noch berücksichtigt werden können, ist das Datum, an dem die Entscheidung zum Zwecke der Zustellung an die interne Poststelle des EPA abgegeben wird (siehe G 12/91).
Vorstehendes gilt für schriftliche Verfahren; in mündlichen Verfahren können Eingaben nur bis zur Verkündung der Entscheidung berücksichtigt werden (siehe E‑III, 9).