4.2.1 Beschränkung der Ausnahmen nach Art. 53 c)
Overview
Die Ausnahmen nach Art. 53 c) sind auf Verfahren zur chirurgischen oder therapeutischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers und auf Diagnostizierverfahren beschränkt, die am menschlichen oder tierischen Körper vorgenommen werden. Daraus folgt, dass andere Verfahren zur Behandlung lebender Menschen oder Tiere (z. B. von Schafen zur Förderung des Wachstums, zur Verbesserung der Fleischqualität oder zur Steigerung des Wollertrags) oder andere Verfahren zur Messung oder Aufzeichnung von Eigenschaften menschlicher oder tierischer Körper patentierbar sind, sofern sie technisch und nicht im Wesentlichen biologisch (siehe G‑II, 5.4.2) sind. So ist beispielsweise eine Anmeldung mit Ansprüchen auf die rein kosmetische Behandlung von Menschen durch die Verabreichung eines chemischen Erzeugnisses als patentfähig anzusehen (siehe T 144/83). Eine kosmetische Behandlung auf chirurgischem oder therapeutischem Weg wäre dagegen nicht patentfähig (siehe nachstehend).
Ein Behandlungs- oder Diagnostizierverfahren ist nur dann von der Patentierbarkeit ausgeschlossen, wenn es tatsächlich am Körper lebender Menschen oder Tiere durchgeführt wird (G 1/04). Ein Behandlungs- oder Diagnostizierverfahren, das am Körper eines toten Menschen oder Tieres angewandt wird, ist deshalb nach Art. 53 c) nicht von der Patentierbarkeit ausgeschlossen. Die Behandlung von Körpergeweben oder -flüssigkeiten nach deren Entnahme aus dem menschlichen oder tierischen Körper oder daran vorgenommene Diagnostizierverfahren sind patentierbar, solange die Gewebe oder Flüssigkeiten nicht wieder demselben Körper zugeführt werden. Die Behandlung von Blut zur Aufbewahrung in einer Blutbank oder Diagnosetests bei Blutproben sind damit im Gegensatz zur Dialysebehandlung von Blut, das wieder demselben Körper zugeführt wird, nicht von der Patentierbarkeit ausgeschlossen.
Bei Verfahren, die am lebenden menschlichen oder tierischen Körper vorgenommen werden oder sich darauf beziehen, ist zu beachten, dass Art. 53 c) lediglich den Zweck hat, nicht kommerzielle und nicht industrielle Tätigkeiten auf dem Gebiet der Human- und Veterinärmedizin von patentrechtlichen Beschränkungen freizuhalten. Diese Ausnahmeregelung darf nicht so ausgelegt werden, dass sie sich über ihren Zweck hinaus auswirkt (siehe G 5/83, G 1/04 und G 1/07).
Die Frage, ob ein Verfahren nach Art. 53 c) von der Patentierbarkeit auszuschließen ist, kann nicht davon abhängen, wer dieses Verfahren ausführt (siehe G 1/04 und G 1/07, Nr. 3.4.1 der Entscheidungsgründe).
Im Gegensatz jedoch zu den in Art. 52 (2) und Art. 52 (3) genannten Gegenständen, die nur dann von der Patentierbarkeit ausgeschlossen sind, wenn sie als solche beansprucht werden, ist ein Verfahrensanspruch nach Art. 53 c) nicht gewährbar, wenn er auch nur ein Merkmal enthält, das eine Tätigkeit oder eine Maßnahme definiert, die einen Verfahrensschritt zur chirurgischen oder therapeutischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers darstellt. In diesem Fall ist für die Anwendung des Art. 53 c) nicht rechtserheblich, ob der Anspruch Merkmale umfasst oder aus Merkmalen besteht, die auf einen an einem technischen Gegenstand ausgeführten technischen Vorgang gerichtet sind (siehe G 1/07, Nr. 3.2.5 der Entscheidungsgründe).
Ansprüche für medizinische Vorrichtungen, Computerprogramme und Speichermedien mit einem Gegenstand, der einem Verfahren zur chirurgischen oder therapeutischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers oder einem Diagnostizierverfahren entspricht, das am menschlichen oder tierischen Körper vorgenommen wird, fallen nicht unter das Patentierungsverbot nach Art. 53 c), weil das Verbot nur Verfahrensansprüche betrifft.