5. Anmeldungen betreffend Nucleotid- oder Aminosäuresequenzen
Die Möglichkeit, ein Sequenzprotokoll als fehlenden Teil der Beschreibung einzureichen, ist in der Regel sehr selten. Nach Regel 56 muss es sich aus den Anmeldungsunterlagen in der eingereichten Fassung ergeben, dass Teile der Beschreibung offensichtlich fehlen (siehe A‑II, 5.1). Sehr wenige Fälle erfüllen die Bedingungen für das Fehlen von Teilen der Beschreibung in Form eines Sequenzprotokolls. So ist Regel 56 beispielsweise anwendbar, wenn in der Beschreibung Sequenzkennzahlen (SEQ-ID-Nrn.) angegeben werden, die Sequenzen in der Beschreibung aber nicht weiter offenbart sind. Auch wenn in einem solchen Fall die Offenbarung in Form eines Sequenzprotokolls fehlt, wird von der Eingangsstelle nicht erwartet zu erkennen, dass solche Auslassungen eine Anwendung der Regel 56 bewirken können, und gemäß Regel 56 (1) kann der Anmelder aus der Unterlassung einer entsprechenden Aufforderung nach Regel 56 (1) oder (2) keine Ansprüche herleiten. Der Anmelder kann die fehlenden Teile der Beschreibung, die sich auf die Sequenzen beziehen, jedoch gemäß Regel 56 (2) von sich aus innerhalb von zwei Monaten nach dem Anmeldetag nachreichen (siehe A‑II, 5.2).
Nach Regel 57 j) werden alle nachgereichten Sequenzangaben daraufhin überprüft, ob sie der Regel 30 (1) in Verbindung mit den vom Präsidenten des EPA erlassenen Vorschriften entsprechen.
Erfüllen die nachgereichten Sequenzangaben bzw. erfüllt das nachgereichte Sequenzprotokoll nicht die vorstehend genannten Erfordernisse, so ergeht eine Mitteilung nach Regel 30 (3) an den Anmelder (siehe A‑IV, 5).
Umfassen hingegen die nachgereichten Sequenzangaben ein den Erfordernissen der Regel 30 (1) entsprechendes standardkonformes Sequenzprotokoll, ergeht keine Mitteilung nach Regel 30 (3) und die Gebühr für verspätete Einreichung nach Regel 30 (3) muss nicht entrichtet werden.
Die oben genannten Bestimmungen gelten unabhängig davon, ob die später eingereichten Teile der Beschreibung zu einer Neufestsetzung des Anmeldetags führen (siehe A‑II, 5.3) oder ob den später eingereichten fehlenden Teilen die beanspruchte Priorität zugrunde gelegt werden kann und der ursprüngliche Anmeldetag bestehen bleibt (siehe A‑II, 5.4). Ändert sich jedoch aufgrund später eingereichter Teile der Beschreibung der Anmeldetag, wird eine gegebenenfalls erforderliche Mitteilung nach Regel 30 (3) erst versandt, wenn die einmonatige Frist für die Zurücknahme der später eingereichten Teile abgelaufen ist, ohne dass der Anmelder die Teile zurückgenommen hat (siehe A‑II, 5.5).
Fügt der Anmelder ein Sequenzprotokoll nach Regel 56 als nachgereichten Teil in die Beschreibung ein, so gilt das hinzugefügte Sequenzprotokoll – ob es nun dem Standard entspricht oder nicht – als am Anmeldetag vorhandener Bestandteil der Beschreibung (unabhängig davon, ob der Anmeldetag sich geändert hat) und wird daher mit der europäischen Patentanmeldung veröffentlicht.
Die seltene Möglichkeit, ein Sequenzprotokoll als nachzureichenden fehlenden Teil einzureichen, ist jedoch deutlich von den Fällen zu unterscheiden, in denen die Anmeldung in der eingereichten Fassung Folgendes enthält:
– die vollständigen Sequenzangaben in der Beschreibung, aber kein standardkonformes Sequenzprotokoll
– ein Sequenzprotokoll, das nicht alle in den Anmeldungsunterlagen offenbarten Sequenzen enthält
– ein Sequenzprotokoll, das nicht dem anwendbaren WIPO-Standard entspricht
In solchen Fällen ist Regel 30 anzuwenden, und der Anmelder wird nach Regel 30 (3) aufgefordert, ein standardkonformes Sequenzprotokoll einzureichen.