Kapitel XII – Beschwerde
Wird gegen eine Entscheidung einer Prüfungs- oder Einspruchsabteilung Beschwerde eingelegt, so kann die Angelegenheit gemäß Art. 111 (1) von der Beschwerdekammer an die Abteilung zurückverwiesen werden. Dabei ist der genaue Wortlaut der Auflagen zu beachten. So können verschiedene Fälle auftreten:
a)Die Sache wird an die Abteilung zurückverwiesen mit der Auflage, auf der Grundlage einer vollständigen Fassung, über die von der Beschwerdekammer rechtskräftig entschieden wurde, ein Patent zu erteilen oder in geändertem oder beschränkten Umfang aufrechtzuerhalten.
b)Die Sache wird an die Abteilung zurückverwiesen mit der Auflage, die Beschreibung an die Ansprüche anzupassen, über deren Wortlaut von der Beschwerdekammer rechtskräftig entschieden wurde.
c)Die Sache wird zur weiteren Bearbeitung an die Abteilung zurückverwiesen.
Im vorstehenden Fall a) wird die Erteilung oder Aufrechterhaltung des Patents vom Formalsachbearbeiter durchgeführt., und die Prüfungs- bzw. Einspruchsabteilung erhält die Akte lediglich zurück, um Die Abteilung unterstützt, indem sie Klassifikation und Bezeichnung zu überprüfen überprüft und gegebenenfalls Hinweise auf ergänzende technische Angaben (STIN) oder neu angeführte Dokumente (CDOC) einzutragen hinzufügt. Sofern noch nicht geschehen, führt die Abteilung ferner eine abschließende Recherche nach nationalen Prioritätsrechten durch und teilt mit, ob prima facie relevante Prioritäten gefunden wurden. Diese Information kann dem Anmelder dabei helfen, sich zwischen einheitlichem Patentschutz und traditionellem Validierungsweg zu entscheiden (C‑IV, 7.2).
Beantragt der Anmelder weitere Änderungen nach Regel 71 (6), gilt die Anmeldung nach Regel 71 (7) als zurückgenommen, weil das Verfahren nach Regel 71 (6) angesichts von Art. 111 (2) nicht angewendet werden kann.
Wird die Sache mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent auf der Grundlage von Unterlagen mit handschriftlichen Änderungen zu erteilen oder aufrechtzuerhalten, so fordert der Formalsachbearbeiter den Anmelder oder Inhaber im Namen der zuständigen Abteilung auf, nach Art. 94 (3) bzw. Regel 82 (2) eine formal korrekte Fassung des geänderten Wortlauts einzureichen (siehe E‑III, 8.7.2 bzw. E-III, 8.7.3).
Im vorstehenden Fall b), wo über den Wortlaut der Ansprüche von der Beschwerdekammer rechtskräftig entschieden wurde, ist die Sache diesbezüglich abgeschlossen, und die Prüfungs- bzw. Einspruchsabteilung darf die Ansprüche nicht mehr ändern und auch dem Anmelder oder Patentinhaber nicht erlauben, dies zu tun, selbst wenn neue Tatsachen (z. B. neue relevante Entgegenhaltungen) auftauchen (siehe T 113/92, Leitsatz Nr. 2 und T 1063/92, Leitsatz, zweiter Absatz). Berichtigungen nach Regel 139 können jedoch noch zulässig sein.
Bei der Anpassung der Beschreibung an den von der Beschwerdekammer entschiedenen Wortlaut der Ansprüche sollte der Anmelder bzw. Patentinhaber möglichst ökonomisch vorgehen. Komplette Neuschriften sind daher in der Regel nicht zu akzeptieren (siehe T 113/92, Leitsatz Nr. 1)
Im vorstehenden Fall c) ist die Abteilung, deren Entscheidung angefochten wurde, durch die rechtliche Beurteilung der Beschwerdekammer, die deren Entscheidung zugrunde gelegt ist, gebunden, soweit der Tatbestand derselbe ist (Art. 111 (2)). Neu auftauchende relevante Dokumente oder Tatsachen müssen jedoch berücksichtigt werden. Insbesondere
– müssen die Beteiligten Gelegenheit erhalten, weitere Anträge vorzubringen, und
– es muss geprüft werden, ob noch Anträge aus dem dem Beschwerdeverfahren vorangegangenen Prüfungs- oder Einspruchsverfahren bestehen geblieben sind (z. B. auf mündliche Verhandlung) ‒ siehe T 892/92, Leitsatz.