5.1. Zulässigkeit der Änderungen
T 756/18 × View decision
La division d'opposition outrepasse les limites appropriées de son pouvoir d'appréciation lorsqu'elle déclare n'admettre qu'une seule requête subsidiaire et écarte d'emblée des requêtes supplémentaires sans raisons apparentes valables et sans même avoir examiné si les modifications auraient permis d'écarter toutes les objections valablement soulevées jusque là sans donner lieu à de nouvelles, les rendant ainsi potentiellement recevables (cf. point 4 des motifs).
T 966/17 × View decision
1. Das Ermessen der Einspruchsabteilung, geänderte Anträge zum Verfahren zuzulassen, ergibt sich grundsätzlich aus Artikel 123(1) EPÜ (erster Satz) in Verbindung mit Regeln 79(1) und 81(3) EPÜ (siehe Gründe, Punkt 2.2).
2. Eine Änderung der Auffassung der Einspruchsabteilung in der mündlichen Verhandlung in Bezug auf ihre mit der Ladung kommunizierte vorläufige Meinung kann alleine nicht dazu führen, dass in der mündlichen Verhandlung beliebige Anträge ohne ein Ermessen der Einspruchsabteilung zugelassen werden müssen (siehe Gründe, Punkt 2.4).
3. Soweit die Patentinhaberin mit neue Anträgen auf eine neue Angriffslinie der Einsprechenden und ein insoweit neu eingereichtes Dokument reagiert, kann bei der Entscheidung über die Zulassung berücksichtigt werden, ob die Anträge prima facie gewährbar erscheinen oder ohnehin aufgrund anderer schon länger im Verfahren befindlicher Einwände zurückzuweisen wären (siehe Gründe, Punkt 2.4).
4. Die Parteien haben in einem strittigen Verfahren kein Anrecht auf eine "detaillierte Anleitung" durch das entscheidende Organ zur Behebung des diskutierten Mangels. Stattdessen obliegt es jeder Partei, selbst auf den Vortrag des Verfahrensgegners adäquat zu reagieren (siehe Gründe, Punkt 2.5).
T 84/17 × View decision
If the arguments in the appealed decision show that for the discretionary decision taken in the first instance some criteria weighed so heavily that other criteria cannot outweigh them, it is not always necessary that all criteria that could theoretically influence a discretionary decision concerning the admittance of a late filed request are discussed in the appealed decision (point 2.2.3) If the need to file amended requests does not arise owing to the submission of additional documents that are merely confirming the arguments on file but had existed before, the filing of such additional documents cannot always justify the filing of new (belated) requests (point 2.3).
R 6/19 × View decision
The basis for a board's (and opposition division's) discretion to admit or not claim requests is Article 123(1)EPC, (see Reasons points 5 to 10).
In T 756/18 befand die Kammer, dass die Einspruchsabteilung die Grenzen ihres Ermessens überschritten hatte, da sie nur einen Hilfsantrag zuließ und weitere Anträge sofort und ohne offensichtliche triftige Gründe zurückwies, ohne zumindest geprüft zu haben, ob die Änderungen alle bis dahin wirksam vorgebrachten Einwände zu entkräften vermocht hätten, ohne neue zu begründen, sodass sie potenziell zulässig gewesen wären. Der Fall ließ keine Anzeichen eines Verfahrensmissbrauchs oder einer Verzögerungstaktik des Beschwerdeführers erkennen.
In T 966/17 argumentierte der Beschwerdeführer (Patentinhaber), dass sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden sei, da die Einspruchsabteilung die in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsanträge nicht zum Verfahren zugelassen hatte. Die Kammer führte zunächst aus, dass sich das Ermessen der Einspruchsabteilung, geänderte Anträge zum Verfahren zuzulassen, grundsätzlich aus Art. 123 (1) EPÜ (erster Satz) in Verbindung mit R. 79 (1) und 81 (3) EPÜ ergibt, und begründete dies wie folgt: Nach Art. 123 (1) EPÜ kann die europäische Patentanmeldung oder das europäische Patent im Verfahren vor dem Europäischen Patentamt nach Maßgabe der Ausführungsordnung geändert werden. R. 79 (1) EPÜ eröffnet darüber hinaus im Einspruchsverfahren dem Patentinhaber die Möglichkeit, innerhalb einer von der Einspruchsabteilung gesetzten Frist die Beschreibung, die Patentansprüche und die Zeichnungen zu ändern. Die Zulassung späterer Änderungen steht dagegen im Ermessen der Einspruchsabteilung, wie sich etwa aus R. 81 (3) EPÜ ("wird gegebenenfalls Gelegenheit gegeben") erkennen lässt. Die Kammer befand, dass eine Änderung der Auffassung der Einspruchsabteilung in der mündlichen Verhandlung in Bezug auf ihre mit der Ladung kommunizierte vorläufige Meinung alleine nicht dazu führen kann, dass in der mündlichen Verhandlung beliebige Anträge ohne ein Ermessen der Einspruchsabteilung zugelassen werden müssen.
Nach Auffassung der Kammer war die vom Beschwerdeführer angezogene Entscheidung T 688/16 vorliegend nicht einschlägig, da die vom Beschwerdeführer eingereichten Hilfsanträge, anders als in T 688/16, einen bereits im schriftlichen Verfahren geäußerten Einwand nach Art. 123 (2) EPÜ hätten berücksichtigen müssen. Nach Ansicht der Kammer kann, soweit der Beschwerdeführer mit neuen Anträgen auf eine neue Angriffslinie des Einsprechenden und ein neu eingereichtes Dokument reagiert, bei der Entscheidung über die Zulassung berücksichtigt werden, ob die Anträge prima facie gewährbar erscheinen oder ohnehin aufgrund anderer schon länger im Verfahren befindlicher Einwände zurückzuweisen wären. Die Kammer stellte ferner klar, dass die Parteien in einem strittigen Verfahren kein Anrecht auf eine "detaillierte Anleitung" durch das entscheidende Organ zur Behebung des diskutierten Mangels haben. Stattdessen obliege es jeder Partei, selbst auf den Vortrag des Verfahrensgegners adäquat zu reagieren.
In T 84/17 beantragte der Beschwerdeführer (Patentinhaber), die Entscheidung der Einspruchsabteilung wegen fehlerhafter Ermessensausübung aufzuheben. Die Einspruchsabteilung hatte entschieden, dessen in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung eingereichte Hilfsanträge nicht zum Verfahren zuzulassen. Der Beschwerdeführer machte geltend, dass die Einspruchsabteilung ihr Ermessen nicht nach Maßgabe der richtigen Kriterien ausgeübt habe, denn sie habe nur geprüft, ob die Anträge rechtzeitig eingereicht wurden, und nicht auch, ob sie prima facie begründet waren. Die Kammer gelangte jedoch zu dem Schluss, dass die Einspruchsabteilung ihr Ermessen in vertretbarer Weise ausgeübt und die richtigen Kriterien angewandt hatte, wie sie in G 7/93 (ABl. 1994, 775, auf die in T 129/12, T 2415/13 verwiesen wird) dargelegt sind. Wie die Einspruchsabteilung richtigerweise betont habe, seien die Hilfsanträge ohne angemessene Begründung sehr spät eingereicht worden, wo doch die zugrunde liegenden Einwände seit Einlegung des Einspruchs aktenkundig waren und ihre Relevanz in der Anlage zur Ladung kommentiert worden war. Nach Ansicht der Kammer bewirkte die Zulassung bestimmter, von den Beschwerdegegnern in Erwiderung auf die Mitteilung der Einspruchsabteilung eingereichter Dokumente nicht, dass neue Argumente eingeführt wurden, die die Einreichung der Hilfsanträge hätten rechtfertigen können. Im Übrigen basierte die Entscheidung der Einspruchsabteilung, die Anträge nicht zuzulassen, nicht ausschließlich auf der ungerechtfertigten Verspätung, sondern auch auf der Feststellung, dass von den Einsprechenden nicht erwartet werden konnte, sich mit dem spezifischen, durch diese Hilfsanträge eingeführten beschränkten Gegenstand zu befassen, d. h. die Einspruchsabteilung hatte die Änderungen auch materiell geprüft. Nach Auffassung der Kammer war es unter den gegebenen Umständen nicht nötig, alle Kriterien zu erörtern, die die Ermessensentscheidung theoretisch hätten beeinflussen können. Vielmehr erübrige es sich, alle Kriterien zu erörtern, wenn die Argumente im konkreten Einzelfall zeigten, dass einige Kriterien so viel Gewicht haben, dass andere sie nicht aufwiegen können. Die vom Beschwerdeführer angeführten Entscheidungen (T 463/95, T 1485/08, T 544/12) widersprachen dem nicht, denn keine davon stellte fest oder implizierte, dass die richtigen Kriterien für die Ermessensausübung es der Einspruchsabteilung auferlegten, stets zu prüfen, ob ein neuer Antrag prima facie begründet sei.
In T 802/17 hatte die Einspruchsabteilung dem Patentinhaber in der mündlichen Verhandlung die Möglichkeit eingeräumt, "einen zusätzlichen Antrag zu formulieren". Da diese jedoch in der Folge nur einen geänderten Hauptantrag einreichte, wurde ihr späteres Ersuchen, auch noch geänderte Hilfsanträge einreichen zu dürfen, abgelehnt. Die Kammer sah die (von der Einspruchsabteilung lediglich angedeuteten) verfahrensökonomischen Gesichtspunkte nicht für geeignet an, die Nichtzulassung im vorliegenden Fall zu rechtfertigen, da der Patentinhaber auf eine überraschende Verfahrenslage reagiert hatte und die Änderung den neuen Einwand nach Art. 123 (2) EPÜ ausräumte.
In T 368/16 hatte die Einspruchsabteilung dem Patentinhaber in der mündlichen Verhandlung die Einreichung mehrerer Hilfsanträge gestattet. Sie hatte schließlich Antrag IIIb zugelassen und entschieden, dass er den Erfordernissen der Art. 83 und 123 (2) EPÜ genüge. Den Verfahrensanspruch 1 dieses Antrags hatte sie für neu befunden, nicht aber dessen Erzeugnisanspruch 23. Daraufhin hatte der Patentinhaber einen weiteren Antrag eingereicht, der nur die Verfahrensansprüche 1 bis 22 des Antrags IIIb umfasste. Diesen Antrag IVa hatte die Einspruchsabteilung nicht zugelassen. Die Kammer gelangte zu dem Schluss, dass die Einspruchsabteilung ihr Ermessen nach R. 116 (2) nicht auf angemessene Weise und nicht nach Maßgabe der richtigen Kriterien ausgeübt hatte, und begründete dies wie folgt: Der Antrag als solcher war geeignet, alle bis dahin in der mündlichen Verhandlung erörterten Einwände zu entkräften. Selbst wenn die Erörterung der erfinderischen Tätigkeit noch ausstand, konnte die Einreichung des Antrags IVa nicht als eine unnötige Verlängerung des Verfahrens gewertet werden; im Gegenteil: da er auf einer konvergenten Einschränkung gegenüber dem Antrag IIIb und einer Kombination von aus den erteilten Ansprüchen abgeleiteten Merkmalen beruhte, verringerte er eindeutig die Zahl der noch zu erörternden Fragen.
In T 688/16 hatte die Einspruchsabteilung das Patent widerrufen, nachdem sie die in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsanträge 2 und 3 wegen offensichtlich mangelnder Neuheit nach Art. 114 (2) EPÜ nicht zum Verfahren zugelassen hatte. Der Beschwerdeführer (Patentinhaber) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Form auf Grundlage seines Hauptantrags, welcher dem im Einspruchsverfahren eingereichten Hilfsantrag 3 entsprach. Die Kammer vertrat die Auffassung, dass die (Nicht-) Zulassung des Hilfsantrags 3 nicht im Ermessen der Einspruchsabteilung stand. Aus dem von der Einspruchsabteilung angeführten Art. 114 (2) EPÜ lasse sich nur ein Ermessen, Tatsachen und Beweismittel zuzulassen oder nicht, ableiten. Ein Ermessen, verspätet eingereichte Anträge nicht zuzulassen, basiere dagegen auf R. 116 (2) EPÜ, sei aber nur dann anzuwenden, wenn dem Patentinhaber die Gründe mitgeteilt worden seien, die der Aufrechterhaltung des Patents entgegenstehen, und er aufgefordert worden sei, bis zu der in R. 116 (1) EPÜ genannten Frist neue Unterlagen einzureichen. R. 116 (1) Sätze 3 und 4 EPÜ seien dann entsprechend anzuwenden. Somit sei das Ermessen durch eine Mitteilung, dass Gründe der Aufrechterhaltung des Patents entgegenstehen, bedingt. Im vorliegenden Fall erfolgte jedoch keine negative Mitteilung, sondern eine Mitteilung, wonach nach vorläufiger Ansicht der Einspruchsabteilung keiner der Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt entgegenstand. Die Kammer befand, dass R. 116 (2) EPÜ somit nicht anwendbar war. Im Gegenteil: wegen der Änderung der vorläufigen Sichtweise der Abteilung erst in der mündlichen Verhandlung hätte dem Patentinhaber die Möglichkeit geboten werden müssen, durch Einreichung eines neuen Antrags darauf entsprechend zu reagieren. Der Kammer waren keine Gründe ersichtlich, aus denen der bereits mit der Beschwerdebegründung vorgelegte Hauptantrag nicht zum Beschwerdeverfahren zugelassen werden sollte. Folglich entschied die Kammer in Ausübung ihres eigenen Ermessens, den Hauptantrag zum Beschwerdeverfahren zuzulassen (Art. 12 (4) VOBK 2007).
5.1.3 Zeitrahmen für die Einreichung von Änderungen
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
In R. 80 EPÜ (R. 57a EPÜ 1973) wird über den Zeitpunkt, bis zu dem Änderungen zulässig sind, keine Regelung getroffen; insoweit hat die vor Einführung der R. 57a EPÜ 1973 geltende Praxis weiterhin Bestand. Die inhaltliche Beschränkung des Änderungsrechts trägt dem Sinn des Einspruchsverfahrens Rechnung und erübrigt eine Ermessensregelung, wie sie R. 137 (3) EPÜ (R. 86 (3) EPÜ 1973) vorsieht (s. Hinweise zur neuen R. 57a EPÜ 1973 in der Mitteilung vom 1. Juni 1995, ABl. 1995, 409).
In der Rechtsprechung der Beschwerdekammern insbesondere aus R. 79 (1) EPÜ (R. 57 (1) EPÜ 1973) ist abgeleitet worden, dass der Patentinhaber nicht in jeder beliebigen Phase des Einspruchsverfahrens grundsätzlich Anspruch darauf hat, Änderungen vorzunehmen. Es liegt im Ermessen der Einspruchsabteilung oder der Beschwerdekammer, Änderungen abzulehnen, wenn sie weder sachdienlich noch erforderlich sind. Dies gilt ganz besonders für spät eingereichte Änderungen, sofern ihnen nicht das ernsthafte Bemühen zugrunde liegt, einen erhobenen Einwand auszuräumen. Ob eine Änderung sachdienlich ist, kann in der Regel nur anhand ihres lnhalts beantwortet werden, also erst dann, wenn sie tatsächlich vorliegt. Eine pauschale Ablehnung jeglicher weiterer Änderungen ist nur dann vertretbar, wenn nach mehreren erfolglosen Änderungen erkennbar ist, dass sich der Patentinhaber nicht ernsthaft um eine Entkräftung der Einwände bemüht, sondern nur das Verfahren verschleppt (T 132/92; s. auch T 1758/15). In T 802/17 hatte die Einspruchsabteilung der Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung die Möglichkeit eingeräumt, "einen zusätzlichen Antrag zu formulieren". Da diese jedoch in der Folge nur einen geänderten Hauptantrag einreichte, würde ihr späteres Ersuchen, auch noch geänderte Hilfsanträge einreichen zu dürfen, abgelehnt. Die Kammer sah die (von der Einspruchsabteilung lediglich angedeuteten) verfahrensökonomischen Gesichtspunkte nicht für geeignet, die Nichtzulassung im vorliegenden Fall zu rechtfertigen, da die Patentinhaberin auf eine überraschende Verfahrenslage reagiert hatte und die Änderung den neuen Einwand nach Art. 123(2) EPÜ ausräumte.
In T 463/95 wies die Kammer darauf hin, dass die Einspruchsabteilung gemäß T 153/85 über Ermessensfreiheit bei der Entscheidung über Änderungsanträge verfüge. Es könne erwartet werden, dass ein neuer oder geänderter unabhängiger Anspruch berücksichtigt werde, wenn er auf einer Kombination von Merkmalen beruhe, die erteilten, ausdrücklich angefochtenen Ansprüchen entnommen seien, da der Einsprechende mit dem Gegenstand bereits vertraut sein dürfte.
In T 648/96 trugen die während der mündlichen Verhandlung im Einspruchsverfahren beantragten Änderungen lediglich den vorgebrachten Argumenten Rechnung. Die Kammer wies darauf hin, dass im Rahmen des Ermessensspielraums der entscheidenden Instanz und insbesondere während der mündlichen Verhandlung eingereichte Unterlagen, u. a. auch Patentansprüche, berücksichtigt werden, wenn damit Einwänden der entscheidenden Instanz bzw. des Einsprechenden Rechnung getragen wird, oder wenn die Unterlagen eindeutig gewährbar sind. Unerwünschte Verfahrensverzögerungen sollten dabei jedoch vermieden werden.
In T 382/97 legte der Beschwerdeführer (Patentinhaber) erst zu Beginn der mündlichen Verhandlung drei Hilfsanträge vor. Der Beschwerdeführer versuchte die Missachtung der von der Einspruchsabteilung nach R. 71a EPÜ 1973 (R. 116 EPÜ) gesetzten Frist durch Verweis auf R. 57a EPÜ 1973 (R. 80 EPÜ) zu rechtfertigen, die, wie er anführte, "als lex specialis für Änderungen geschaffen worden ist, die während der mündlichen Verhandlung vorgenommen werden". Die Kammer konnte der Argumentation insoweit nicht folgen, dass das Fehlen einer Fristsetzung in R. 57a EPÜ 1973 den Patentinhaber berechtigen würde, jederzeit, also auch während der mündlichen Verhandlung, Änderungen seines Patents vorzulegen, ohne dass gute Gründe für ein derart verspätetes Vorbringen angeführt werden müssten. R. 57a EPÜ 1973 und R. 71a EPÜ 1973 schreiben nach Auffassung der Kammer die verfahrensrechtlichen Vorbedingungen für Änderungen des Patents durch die Inhaberin vor der Einspruchsabteilung fest, wobei diese Änderungen natürlich mit den Bestimmungen nach Art. 123 (2) und (3) EPÜ 1973 in Einklang zu stehen haben: R. 57a EPÜ 1973 schaffe die rechtliche Basis für solche Änderungen und R. 71a EPÜ 1973 bestimme die für eine solche Änderung angemessene Frist. Die Kammer unterstrich, dass Änderungen, die die gemäß R. 71a EPÜ 1973 geltende Frist überschritten, dennoch zulässig sein könnten, wenn für ihr verspätetes Vorbringen gute Gründe angenommen werden könnten. Abschließend stellte die Kammer fest, dass das Recht der Patentinhaberin auf Änderungen nach R. 57a EPÜ 1973 an ihrem Patent nicht automatisch mit einem Recht auf Vorlage zusätzlicher Anträge gleichgesetzt werden könne. Änderungen seien in einer der Verfahrensökonomie am besten dienlichen Art und Weise vorzunehmen, welche wiederum unter Berücksichtigung der Interessen aller beteiligten Parteien durch die Einspruchsabteilung zu beurteilen sei.
In T 2415/13 hatte die Einspruchsabteilung einen erst in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrag zugelassen, weil – wie es in ihrer Entscheidung hieß – die darin vorgenommene Änderung weder unvorhersehbar noch schwer nachzuvollziehen war. Daraus ging für die Kammer hervor, dass die Einspruchsabteilung die Behandlung der Änderung in der mündlichen Verhandlung als dem Einsprechenden zuzumuten erachtet hatte. Dies sei ein angemessenes Kriterium für die Entscheidung über die Zulässigkeit verspätet eingereichter Anträge, und die Kammer sah keinen Grund für die Annahme, dass die Einspruchsabteilung dieses Kriterium in willkürlicher Weise angewandt hätte.
In T 754/16 hatte die Einspruchsabteilung die in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsanträge 8 und 9 aufgrund einer Prima-facie-Prüfung (unter Bezugnahme auf Art. 114 (2) und R. 116 EPÜ) nicht zugelassen. Die Kammer stellte fest, dass damit zunächst einmal vorausgesetzt wurde, dass die Anträge verspätet seien (und bestätigte damit T 273/04). Dies traf allerdings nicht zu, denn die Einreichung der Hilfsanträge war eine direkte Reaktion auf die Meinungsänderung der Einspruchsabteilung in der mündlichen Verhandlung gewesen. Gemäß R. 116 (2) EPÜ können Anträge, die nach dem festgesetzten Stichtag für die Einreichung von Schriftsätzen eingehen, nur dann nicht zugelassen werden, wenn dem Patentinhaber die Gründe mitgeteilt worden sind, die der Aufrechterhaltung des Patents entgegenstehen. Dies war hier nicht der Fall. Auch Art. 114 (2) EPÜ bot keine Grundlage für die Nichtberücksichtigung dieser Anträge, denn er gilt nur für verspätet vorgebrachte Tatsachen und Argumente.
Bezüglich des Zeitrahmens für die Einreichung von Änderungen s. auch dieses Kapitel IV.C.6. "Rechtliches Gehör im Einspruchsverfahren".
- T 879/18
- T 756/18
- T 966/17
- T 84/17
- T 688/16
- R 6/19
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- Rechtsprechung 2020
- Rechtsprechung 2019