7.2. Zweite (bzw. weitere) medizinische Verwendung
Übersicht
T 2218/16 × View decision
Sufficiency of disclosure - burden of proof, Novelty - new clinical situation
T 694/16 × View decision
If a claim is directed to a known compound or composition for use in a therapeutic method of treatment or prevention of a disease, and the claim specifies that the subject to be treated displays a clearly defined and detectable marker, which is not displayed by all subjects affected by or likely to develop that disease, then the purposive selection of the patients displaying the marker for the specified treatment is a functional feature characterising the claim. (Points 5.1-5.21 of the Reasons)
In T 264/17 stellte die Kammer fest, dass das beanspruchte Schmiermittel zum Ersatz der Synovialflüssigkeit in erkrankten Gelenken als Stoff oder Stoffgemisch im Sinne von Art. 54 (4), (5) EPÜ gilt. Die therapeutische Wirkung der beanspruchten perfluorierten Polyether bestand darin, einen Ersatz für die Synovialflüssigkeit in erkrankten Gelenken zu darzustellen. Nach Ansicht der Kammer wurde diese Wirkung durch die stofflichen Eigenschaften der beanspruchten Schmiermittel erzielt. Wie in der Beschreibung erklärt, basierte die schmierende Wirkung der perfluorierten Polyether auf ihren omniphoben Eigenschaften, d. h. darauf, dass sie gegenüber sowohl hydrophoben als auch hydrophilen Flüssigkeiten abstoßend wirken, sich selbständig zusammenziehen und dadurch permanent ein neuer Gleitfilm ausgebildet wird. Diese Stoffeigenschaften werden durch die chemische Struktur der Polyether verursacht. Die physiologische Wirkung der Polyether wurde also über ihre Art der Wechselwirkung (oder nicht-Wechselwirkung) mit biologischem Gewebe erzielt. Der therapeutische Effekt wurde auch unzweifelhaft von einer chemischen Zusammensetzung verursacht, nämlich von den in Anspruch definierten perfluorierten Polyethern. Ob diese im klassischen Sinn als "Aktivstoffe" bezeichnet werden oder nicht, sei dabei nebensächlich laut Kammer.
In T 694/16 war der Anspruch auf eine Nahrungsmittelzusammensetzung für Prodromaldemenzpatienten gerichtet. Die Kammer befand, dass für die Durchführung des therapeutischen Verfahrens und die Erzielung der gewünschten Wirkung der Fachmann zunächst in der Lage sein muss, diejenigen Patienten zu identifizieren, die eine Behandlung benötigen und die einen Nutzen aus der Verabreichung der beanspruchten Zusammensetzung haben werden. "Prodromal(demenz)patienten" sind Patienten, die zwar noch nicht an Demenz leiden, aber diese zwangsläufig entwickeln werden. Im Patent waren "Prodromalpatienten" als Personen definiert, die zumindest eines und bevorzugt mindestens zwei Kriterien aus einer Liste aufweisen, zu denen insbesondere das Vorliegen bestimmter Marker gehört. In Anspruch 1 waren diese Kriterien jedoch nicht genannt; dort wurde vielmehr auf nicht spezifizierte "Charakteristika eines Patienten mit prodromaler Demenz" hingewiesen. Die Schwierigkeit, weitere Charakteristika zu identifizieren, wurde dadurch verstärkt, dass laut Patent andere Anzeichen wie leichte kognitive Einschränkungen, die vor dem Ausbruch einer Alzheimererkrankung zu beobachten sind, nicht ausreichten, um jemanden als "Prodromalpatienten" einzustufen. Die Kammer befand daher, dass die Patientengruppe nicht ausreichend offenbart war. Sie entschied wie folgt: Wenn ein Anspruch auf eine bekannte Verbindung oder Zusammensetzung zur Verwendung in einem therapeutischen Verfahren zur Behandlung oder Prävention einer Krankheit gerichtet ist und der Anspruch besagt, dass der zu behandelnde Patient einen klar definierten und nachweisbaren Marker aufweist, den nicht alle Patienten aufweisen, die die Krankheit haben oder wahrscheinlich entwickeln werden, dann ist die gezielte Auswahl der den Marker aufweisenden Patienten für die besagte Behandlung ein funktionales Merkmal, das den Anspruch charakterisiert.
7.2. Zweite (bzw. weitere) medizinische Verwendung
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
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