2.2. Handlungen oder Unterlassungen, die die rechtzeitige und effiziente Durchführung der mündlichen Verhandlung beeinträchtigen
2.2.3 Sonstige Fälle betreffend mündliche Verhandlungen
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
Eine Kostenverteilung ist dann gerechtfertigt, wenn für die mündliche Verhandlung übermäßige Kosten entstanden sind, die vornehmlich eine Partei verursacht hat (vgl. T 49/86). Das Recht auf die mündliche Verhandlung ist absolut und unterliegt keinen Bedingungen (T 614/89, T 26/92, T 81/92, T 408/02). Wenn die eine mündliche Verhandlung beantragende Partei keine neuen Argumente in selbiger vorbringt, so ist dies kein Verfahrensmissbrauch und ist kein Grund für eine Kostenverteilung – so die ständige Rechtsprechung in T 303/86, T 305/86, T 383/87, T 125/89 und T 918/92 (anders T 167/84 (ABl. 1987, 369).
In T 1022/93 war die mündliche Verhandlung, die allein der Beschwerdeführer beantragt hatte, überflüssig. Schon im schriftlichen Beschwerdeverfahren hatte er nicht dargelegt, weshalb die geänderten Verfahrensansprüche seines Erachtens als erfinderisch anzusehen waren, und auch nicht angegeben, dass im zusätzlichen Beispiel ein Verfahren im Sinne des geänderten Anspruchssatzes beschrieben wurde. Dadurch war die Zurückverweisung der Angelegenheit ohne mündliche Verhandlung ebenso unmöglich wie deren Prüfung in der mündlichen Verhandlung. Es entsprach daher der Billigkeit, dem Beschwerdeführer gemäß Art. 104 (1) EPÜ 1973 aufzuerlegen, dem Beschwerdegegner die durch die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer entstandenen Kosten zu ersetzen.
In T 905/91 hatte der Beschwerdegegner eine anderweitige Verteilung der Kosten mit der Begründung beantragt, der Beschwerdeführer sei nicht mit vorbereiteten Hilfsanträgen in die mündliche Verhandlung gekommen, die deswegen bis in den Nachmittag gedauert hatte. Die Kammer lehnte den Antrag ab. Denn zum einen habe der Beschwerdeführer sich bemüht, den von der Kammer geäußerten Bedenken Rechnung zu tragen, und neue Unterlagen eingereicht. Zum anderen diene gerade die mündliche Verhandlung dazu, die Sachlage durch den unmittelbaren Austausch von Argumenten umfassend zu klären und das Patentbegehren im Anschluss an das Ergebnis der Erörterung gegebenenfalls neu zu formulieren. Die Dauer der mündlichen Verhandlung hänge vom Einzelfall ab; eine Dauer bis in den Nachmittag sei jedenfalls nicht ungewöhnlich, und die Parteien hätten sich darauf einzustellen.
In T 210/98 stellte der Beschwerdegegner einen Antrag auf Kostenverteilung, den er damit begründete, der Beschwerdeführer habe zu Beginn der mündlichen Verhandlung drei Hilfsanträge zurückgezogen, die zeitraubende Vorbereitungen seitens des Beschwerdegegners erfordert hätten. Die Kammer wies den Antrag mit dem Hinweis zurück, es sei normal, dass sich die Parteien gründlich auf die mündliche Verhandlung vorbereiteten. Eine veränderte Einschätzung gehöre zu den Situationen, mit denen ein zugelassener Vertreter im Laufe der mündlichen Verhandlung rechnen müsse. Da es keineswegs ungewöhnlich sei, dass aufgrund der Diskussionen im Verlauf der mündlichen Verhandlung Anträge geändert oder zurückgezogen würden, könne die Rücknahme von Anträgen zu Beginn der mündlichen Verhandlung – offenbar als Reaktion auf überzeugende schriftliche Einlassungen – nicht als Verfahrensmissbrauch angesehen werden.
In T 461/88 (ABl. 1993, 295) entschied die Kammer, dass die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin auf der Vernehmung von Zeugen beharrte, weil möglicherweise nur so die behauptete Offenkundigkeit ihrer Vorbenutzung zu beweisen war, eindeutig mit dem Grundsatz der verantwortungsbewussten Wahrnehmung von Rechten vereinbar sei. Die Kammer lehnte eine Kostenverteilung daher ab.
In T 668/03 stellte der Beschwerdeführer angesichts der Tatsache, dass die mündliche Verhandlung ein zweites Mal durchgeführt werden musste, Antrag auf Kostenverteilung. Tatsächlich hatte die ursprüngliche mündliche Verhandlung vertagt werden müssen, weil die Identität eines der Einsprechenden in der ersten mündlichen Verhandlung vom Beschwerdeführer in Zweifel gezogen worden war. Die Kammer wies darauf hin, dass es zu den Obliegenheiten des Beschwerdegegners gehört, im Laufe des gesamten Verfahrens klarzustellen, wer zur Gruppe der gemeinsamen Einsprechenden zählt. Hätte der Beschwerdeführer diese Frage jedoch vor der ersten mündlichen Verhandlung aufgeworfen, so hätte sie schriftlich erörtert und die Kosten für eine weitere mündliche Verhandlung hätten somit vermieden werden können. Daher konnte die Kammer keine Billigkeitsgründe erkennen, aufgrund deren eine andere Verteilung der Kosten hätte angeordnet werden können (so auch T 1404/10).
In T 490/13 befand die Kammer, es sei offensichtlich, dass der Beschwerdeführer (Patentinhaber) seine Sorgfaltspflicht im Einspruchsverfahren verletzt habe, da er rechtzeitig eine Auffangposition in Erwiderung auf die Einwände der Beschwerdegegner hätte formulieren müssen, die durch die Ladung der Einspruchsabteilung zur mündlichen Verhandlung bestätigt worden seien, auch wenn ihm diese Einwände unbegründet erschienen. Diese Haltung habe zu seiner Beschwerde sowie zur mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer und zur Zurückverweisung an die erste Instanz geführt, die nun Ansprüche prüfen müsse, die bereits von der Einspruchsabteilung hätten geprüft werden können. Im vorliegenden Fall sei der Beschwerdeführer für die Zurückverweisung verantwortlich, und die Kammer beschloss eine anderweitige Kostenverteilung (Art. 104 (1) EPÜ), d. h. der Beschwerdeführer hatte die den Beschwerdegegnern durch die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer entstandenen Kosten zu tragen.