4. Kriterien zur Beurteilung mangelnder Einheitlichkeit
Übersicht
In T 1414/18 begründete die Prüfungsabteilung ihre Zurückweisungsentscheidung lediglich mit einem Verweis auf ihre abschließende Mitteilung nach Art. 94 (3) EPÜ. Darin hatte sie ihren Einwand der Nichteinheitlichkeit aufrechterhalten, die Zurückweisung der Anmeldung angekündigt und die Auffassung vertreten, dass der Antrag des Anmelders auf Rückzahlung der zweiten Recherchengebühr ebenfalls zurückgewiesen würde. Der Anmelder zog seinen Antrag auf mündliche Verhandlung zurück und beantragte eine beschwerdefähige Entscheidung "nach Aktenlage". Die Kammer war mit dem Ansatz der Prüfungsabteilung bezüglich der Frage der Einheitlichkeit nicht einverstanden. Nur wenn sich die Anmeldung auf mehr als eine "Erfindung" beziehe, sei das Vorliegen einer "allgemeinen erfinderischen Idee" (Art. 82 EPÜ) und "gleicher oder entsprechender besonderer technischer Merkmale" (R. 44 (1) EPÜ) diesbezüglich zu prüfen – siehe auch Orientierungssatz 1. Zunächst müsse festgestellt werden, ob die Anmeldung eine oder mehrere "Erfindungen" umfasse. Es gelte, die zugrunde liegende(n) "Erfindung(en)" anhand der gemäß der Beschreibung zu lösenden technischen Aufgabe(n) zu ermitteln (z. B. W 11/89, ABl. 1993, 225; W 6/97; T 173/06; T 1888/09; auch Prüfungsrichtlinien vom November 2017, z. B. F-V, 8, Absatz 2 und 8.1, vorletzter Satz). Nach Auffassung der Kammer bezog sich die ursprüngliche Anmeldung nur auf eine einzige Erfindung. Dass der Hauptaspekt der Erfindung überwiegend von einem (stärker beschränkten) unabhängigen Anspruch abgedeckt werde, bedeute nicht automatisch, dass sich der entsprechende (breitere) unabhängige Anspruch auf eine andere Erfindung beziehe. Insbesondere bedeute es nicht, dass zwei verschiedene Recherchen durchgeführt werden müssten, um beide zu erfassen. Eine vollständige Recherche dürfe sich nicht auf die Ansprüche beschränken, egal wie breit oder wie beschränkt diese seien, sondern müsse die zugrunde liegende Beschreibung und die Zeichnungen angemessen berücksichtigen (Art. 92 EPÜ). Die Kammer kam zu dem Schluss, dass sowohl die Ansprüche in der ursprünglich eingereichten Fassung als auch die Ansprüche 1 und 2 des Hauptantrags (die lediglich um Bezugszeichen ergänzt und geringfügig umformuliert waren) einheitlich seien (Art. 82 EPÜ). Hinsichtlich der beantragten Gebührenrückzahlung stellte die Kammer fest, dass die Entscheidung über die Zurückweisung einer Patentanmeldung so verstanden werden könne, dass sie implizit die Ablehnung der Rückzahlung einer weiteren Recherchengebühr einschließe, wenn die Absicht der Prüfungsabteilung eindeutig sei – siehe auch Orientierungssatz 2. Zwar sollte eine Entscheidung über die Rückzahlung weiterer Recherchengebühren im Tenor der schriftlichen Entscheidung angegeben werden (z. B. T 756/14), doch sei die Absicht der Prüfungsabteilung, den Antrag zurückweisen, aus ihrer letzten Mitteilung klar hervorgegangen. Eine weitere Recherchengebühr sei von der Prüfungsabteilung oder der zuständigen Kammer zurückzuzahlen (R. 64 (2) EPÜ, R. 100 (1) EPÜ), wenn die Zahlungsaufforderung der Recherchenabteilung ungerechtfertigt gewesen sei. Dies sei auf der Grundlage der darin enthaltenen Tatsachen und Argumente und der ursprünglich eingereichten Ansprüche zu prüfen (u. a. T 188/00, T 1476/09, T 2526/17). Da die Einheitlichkeit der Erfindung auf der Grundlage der ursprünglich eingereichten Ansprüche von der Prüfungsabteilung fälschlicherweise nicht erkannt worden sei, sei die Gebühr zurückzuzahlen.
4. Kriterien zur Beurteilung mangelnder Einheitlichkeit
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
- Rechtsprechung 2020