T 2450/17 × View decision
Zur Möglichkeit und den Folgen von Berichtigungen inhaltlich unzutreffender, in der Patentschrift enthaltener Hinweise auf den Stand der Technik, siehe Punkte 2. bis 2.5 und 3.3.3 bis 3.3.6
1.11.5 Aufnahme von Angaben zum Stand der Technik in die Beschreibung
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
In T 2321/08 ging die Kammer der Frage nach, ob nach R. 27 (1) b) EPÜ 1973 ein dem Anmelder bekannter Stand der Technik in der Anmeldung schon zum Zeitpunkt der Einreichung gewürdigt werden muss. Sie kam zu dem Schluss, dass R. 27 (1) b) EPÜ 1973 bzw. R. 42 (1) b) EPÜ entsprechend den Anmelder nicht streng dazu verpflichtet, bereits zum Zeitpunkt der Einreichung der Anmeldung den ihm bekannten Stand der Technik zu würdigen und die Fundstellen anzugeben, aus denen sich dieser Stand der Technik ergibt. Außerdem gibt es im EPÜ keine Bestimmung, die es verbieten würde, eine Anmeldung dahin gehend zu ändern, dass die Erfordernisse von R. 27 (1) b) EPÜ 1973 bzw. R. 42 (1) b) EPÜ erfüllt werden (bestätigt durch T 1123/09; zitiert in den Richtlinien F‑II, 4.3 – Stand November 2018).
In T 11/82 (ABl. 1983, 479) wird ausgeführt, dass die bloße Aufnahme eines Hinweises auf den Stand der Technik in die Beschreibung billigerweise nicht als unzulässige Erweiterung des Gegenstands im Sinne des Art. 123 (2) EPÜ 1973 ausgelegt werden kann. Ob ein Verstoß vorliegt, hängt von der verwendeten Formulierung und den Umständen des Einzelfalls ab.
In T 211/83 hielt es die Kammer sogar für erforderlich, Einzelheiten über die Wirkungsweise eines Bestandteils der Erfindung, die nur einer vorveröffentlichten, in der Beschreibung genannten Werbeschrift zu entnehmen waren, in die Beschreibung aufzunehmen, weil sie für die Erfindung von Bedeutung waren.
In T 450/97 (ABl. 1999, 67) bestätigte die Kammer, dass das bloße Nachreichen eines Verweises auf den Stand der Technik nicht gegen Art. 123 (2) EPÜ 1973 verstoße. Nach Beschränkung der Ansprüche, auch im Einspruchsverfahren, müsse ein Dokument, das sich im Nachhinein nicht nur als nächstliegender Stand der Technik, sondern auch als maßgebend für das Verständnis der Erfindung im Sinne von R. 27 (1) b) EPÜ 1973 herausstelle, in die geänderte Beschreibung aufgenommen werden. S. auch T 276/07.
In T 889/93 gab der Beschwerdeführer (Patentanmelder) an, dass der nächstliegende Stand der Technik in zwei Zeichnungen der Anmeldung dargestellt sei. Auf den von der Kammer geäußerten Einwand des Naheliegens erwiderte er, die Zeichnungen gäben den Stand der Technik insofern nicht korrekt wieder, als sie in irreführender Weise zu stark vereinfacht seien. Die Kammer ließ zu, dass die ursprünglich eingereichten Zeichnungen durch verbesserte ersetzt wurden, da dies lediglich eine Ungenauigkeit in der Darstellung des Standes der Technik ausräume und die Offenbarung der Erfindung als solche nicht berührt werde. In diesem Zusammenhang sei auch auf das Verfahren T 1039/93 verwiesen. In dieser Sache ließen einige Abbildungen betriebsinterne technische Kenntnisse des Beschwerdeführers erkennen, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht worden waren. Der Anmelder hatte diese Abbildungen in der ursprünglich eingereichten Anmeldung irrtümlich mit dem Vermerk "Stand der Technik" versehen. Die Kammer hatte keine Einwände gegen die Streichung dieses Vermerks aus den betreffenden Abbildungen, da sie weder gegen Art. 123 (2) EPÜ 1973 verstieß noch die Offenbarung des Stands der Technik berührte; diese Änderung war im Gegenteil sogar notwendig, damit der Stand der Technik nicht unrichtig dargestellt wurde. Nach der Änderung war der Stand der Technik gemäß der R. 27 (1) b) EPÜ 1973 korrekt angegeben.
- T 2450/17