3.4. Neue Einspruchsgründe
3.4.3 Gegen geänderte Ansprüche vorgebrachte Gründe
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
Änderungen sind in vollem Umfang auf die Erfüllung der Erfordernisse des EPÜ zu prüfen (Art. 101 (3) EPÜ; s. auch dieses Kapitel IV.C.5.2.). Hatte somit der Beschwerdeführer (Einsprechende) erstmals im Beschwerdeverfahren einen Einwand nach Art. 100 b) EPÜ gegen einen geänderten Anspruch erhoben, konnte er die Zustimmung zur Diskussion des neuen Einspruchsgrunds nicht verweigern (T 27/95).
Bei geänderten Ansprüchen, die im Einspruchsverfahren eingereicht werden, sei es nicht zu beanstanden, dass der Einsprechende neue Entgegenhaltungen und neue Argumente gegen die neuen Ansprüche vorbringe, die erstmals die erfinderische Tätigkeit infrage stellen (so T 623/93). Die Prüfung eines so begründeten neuen Vorbringens durch die Einspruchsabteilung stehe im Einklang mit G 9/91 (ABl. 1993, 408, Nr. 19 der Gründe).
In T 922/94 erinnerte die Kammer daran, dass Art. 102 (3) EPÜ 1973, R. 66 (1) EPÜ 1973 (Art. 101 (3) a), R. 82 EPÜ und R. 100 (1) EPÜ) weitreichende Befugnisse zur Prüfung sämtlicher möglicher Einwände nach dem EPÜ verleihen, die sich aus einer Änderung der ursprünglich eingereichten Ansprüche ergeben können, ob sie nun im Verfahren bereits vorgebracht worden sind oder nicht. Falls Einwendungen bezüglich der Erfordernisse des Art. 123 (2) EPÜ nicht ausdrücklich nach R. 55 c) EPÜ 1973 (R. 76 (2) c) EPÜ) geltend gemacht wurden, aber Bestandteil der Entscheidung der Einspruchsabteilung waren, befand die Kammer, dass der Einwand nach Art. 123 (2) EPÜ in den rechtlichen Rahmen der angefochtenen Entscheidung falle und sich der Patentinhaber (Beschwerdeführer) bei seinem Antrag, diesen Grund nicht zum Beschwerdeverfahren zuzulassen, nicht auf die Entscheidung G 10/91 berufen könne (s. T 227/88, ABl. 1990, 292 und T 1848/12).
In T 693/98 befasste sich die Kammer mit der Frage, ob bei richtiger Auslegung des Art. 102 (3) EPÜ die Vornahme von Änderungen der Ansprüche im Einspruchsverfahren dem Einsprechenden die Möglichkeit eröffnet, einen Einwand nach Art. 123 (2) EPÜ gegen alle Änderungen der Ansprüche zu erheben, d. h. auch gegen diejenigen, die vor der Erteilung des Patents vorgenommen wurden, auch wenn ein solcher Einwand ursprünglich nicht als Einspruchsgrund genannt und begründet worden war. Unter Verweis auf G 10/91 (ABl. 1993, 420, Nr. 19 der Gründe) führte die Kammer aus, dass nur die im Einspruchs- oder Beschwerdeverfahren vorgenommenen Änderungen auf die Erfordernisse des EPÜ geprüft werden müssen, nicht jedoch die Änderungen vor der Erteilung (s. auch T 301/87, ABl. 1990, 335).
Die Aufnahme eines bereits in den Ansprüchen und der Beschreibung der erteilten Fassung enthaltenen Merkmals in einen unabhängigen Anspruch kann nicht als Änderung gewertet werden, die es rechtfertigt, als neuen Einspruchsgrund Art. 100 b) EPÜ zuzulassen, wonach das europäische Patent als Ganzes die Erfindung so deutlich und vollständig offenbaren muss, dass ein Fachmann sie ausführen kann (T 1053/05; s. T 739/08 und T 565/13).