1.4. Prüfung des Vorliegens einer Erfindung nach Artikel 52 (1) EPÜ
1.4.5 Vorrichtung, die als eine physikalische Entität oder ein konkretes Erzeugnis anzusehen ist
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
Eine Vorrichtung zur Ausführung einer Tätigkeit, die als solche durch Art. 52 (2) und (3) EPÜ von der Patentierbarkeit sei ausgeschlossen, ihrerseits nicht vom Patentschutz ausgeschlossen sei. Insbesondere sei ein Anspruch auf einen Computer, in den ein Programm geladen wurde, nicht durch Art. 52 (2) EPÜ vom Patentschutz ausgeschlossen, auch wenn das Programm selbst ausgeschlossen wäre, d. h. wenn das Programm bei der Ausführung keinen "weiteren technischen Effekt" hervorruft (T 931/95, ABl. 2001, 441, s. auch G 3/08 date: 2010-05-12, ABl. 2011, 10).
Nach T 931/95 (ABl. 2001, 441) ist eine Vorrichtung, die als eine physikalische Entität oder ein konkretes Erzeugnis anzusehen ist, – auch wenn sie sich zur Ausführung oder Unterstützung einer wirtschaftlichen Tätigkeit eignet – eine Erfindung im Sinne des Art. 52 (1) EPÜ 1973. Ferner hat nach Auffassung der Kammer ein Computersystem, das zur Verwendung auf einem bestimmten Gebiet, sei es im geschäftlichen oder wirtschaftlichen Bereich, geeignet programmiert ist, den Charakter einer konkreten Vorrichtung im Sinne einer physikalischen Entität, die für einen praktischen Zweck künstlich hergestellt wurde, und ist damit eine Erfindung im Sinne des Art. 52 (1) EPÜ 1973. Die Unterscheidung hinsichtlich der Patentierbarkeit zwischen einem Verfahren für geschäftliche Tätigkeiten und einer zur Durchführung eines solchen Verfahrens geeigneten Vorrichtung finde ihre Berechtigung im Wortlaut des Art. 52 (2) c) EPÜ 1973, wonach auf dem Gebiet der Wirtschaft und der geschäftlichen Tätigkeiten "Pläne, Regeln und Verfahren" vom Patentschutz ausgeschlossene Kategorien sind; die Kategorie "Vorrichtung" im Sinne von "physikalischer Entität" oder "Erzeugnis" sei dagegen in Art. 52 (2) EPÜ 1973 nicht genannt. Sei also ein Anspruch auf eine solche Entität gerichtet, so würden durch die formale Kategorie des Anspruchs tatsächlich physikalische Merkmale des beanspruchten Gegenstands impliziert, die als technische Merkmale der betreffenden Erfindung in Frage kämen und somit für seine Patentierbarkeit relevant sein könnten. Eine Vorrichtung, die als eine physikalische Entität oder ein konkretes Erzeugnis anzusehen sei, sei – auch wenn sie sich zur Ausführung oder Unterstützung einer wirtschaftlichen Tätigkeit eigne – eine Erfindung im Sinne des Art. 52 (1) EPÜ 1973.
In T 258/03 (ABl. 2004, 575) ist die Kammer in der jetzigen Besetzung nicht davon überzeugt, dass der Wortlaut des Art. 52 (2)c) EPÜ 1973, wonach "Pläne, Regeln und Verfahren für gedankliche Tätigkeiten, für Spiele oder für geschäftliche Tätigkeiten" nicht als Erfindungen im Sinne des Art. 52 (1) EPÜ 1973 angesehen werden, eine unterschiedliche Behandlung von Ansprüchen erfordert, je nachdem, ob diese auf Tätigkeiten oder auf Gegenstände zur Durchführung dieser Tätigkeiten gerichtet sind. Von Bedeutung ist hinsichtlich des Erfindungsbegriffs im Sinne des Art. 52 (1) EPÜ 1973 das Vorliegen eines technischen Charakters, der durch die physikalischen Merkmale eines Gegenstands oder die Natur einer Tätigkeit impliziert oder einer nichttechnischen Tätigkeit durch die Verwendung technischer Mittel verliehen werden kann. Die Kammer war der Auffassung, dass die Vorrichtung eine Erfindung im Sinne des Art. 52 (1) EPÜ 1973 sei, weil sie eindeutig technische Merkmale wie "Server-Computer", "Client-Computer" und ein "Netz" aufweise. Diese Begründung sei von der Anspruchskategorie unabhängig.
In T 2258/10 vom 4. Oktober 2011 stellte die Kammer fest, dass jede Vorrichtung, bei der es sich um eine physische Entität oder ein konkretes Erzeugnis handelt, technischen Charakter hat. Ein Kochgefäß fällt eindeutig unter diese Definition und hat somit per se technischen Charakter.