2.6. Kategoriewechsel
Übersicht
In T 653/16 hatte der Beschwerdeführer (Einsprechende) die Auffassung vertreten, dass der Kategoriewechsel von einer Vorrichtung (schwimmfähige Hafenstromversorgung) im erteilten Anspruch 1 zu einem Verfahrensanspruch zur Durchführung eines Arbeitsverfahrens (Verfahren zur Versorgung eines im Hafen liegendes Schiffs mit externer Energie) unter Zuhilfenahme der Vorrichtung den Schutzbereich erweitere, da ein weiterer körperlicher Gegenstand in Form eines Schiffs umfasst werde. Die Kammer teilte diese Auffassung nicht. Sie wies darauf hin, dass der Schutz, den die Anspruchskategorien des Patents in der vorherigen Fassung gewährten, bei einer Änderung der Anspruchskategorie dem Schutzbereich der durch die Änderung eingeführten neuen Anspruchskategorie gegenübergestellt werden muss. Im vorliegenden Fall enthielt das erteilte Patent ausschließlich Patentansprüche, die auf einen Gegenstand per se gerichtet waren. Von der Großen Beschwerdekammer war als ein dem EPÜ zugrundeliegendes Prinzip anerkannt worden, dass ein Patent, in dem ein Gegenstand per se beansprucht wird, für diesen Gegenstand absoluten Schutz gewährt; d. h. für jede bekannte oder unbekannte Verwendung dieses Gegenstands G 2/88, ABl. 1990, 93). Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers wurde der Schutzbereich des nach Hilfsantrag 2 geänderten Patents nicht auf das Schiff erweitert, da dieser Antrag mangels darin enthaltener Vorrichtungsansprüche nicht mehr auf Gegenstände gerichtet war und folglich keinen Gegenstand unter Schutz stellen konnte.
T 1830/14 betraf die Umwandlung eines erteilten Verfahrensanspruchs in einen Vorrichtungsanspruch. Die Kammer verwies darauf, dass ein auf eine Vorrichtung gerichteter Anspruch absoluten Schutz für die definierte Vorrichtung gewährt und der Schutzumfang somit breiter ist als der eines Anspruchs, der auf ein Verfahren zur Herstellung oder auf eine Verwendung dieser Vorrichtung gerichtet ist. Im vorliegenden Fall war im Vorrichtungsanspruch des Hauptantrags gegenüber der im erteilten Anspruch 1 definierten Kühlvorrichtung ein Merkmal gestrichen worden. Nach Auffassung des Beschwerdeführers definierte der erteilte unabhängige Verfahrensanspruch 9 eine Kühlvorrichtung ohne das gestrichene Merkmal, sodass die Streichung des Merkmals den Schutzbereich nicht erweiterte. Die Kammer entschied jedoch mit Verweis auf die in T 82/93 (ABl. EPA 1996, 274) aufgestellten Grundsätze, dass im vorliegenden Fall in Anspruch 1 des Hauptantrags zwei Merkmale fehlten, die den Betrieb der Kühlvorrichtung gemäß dem erteilten Anspruch 9 definierten. Der durch den erteilten Anspruch 9 gewährte Schutz für die definierte Kühlvorrichtung beschränkte sich auf die Vorrichtung, wenn diese gemäß den fehlenden Merkmalen Wärme transferiert, d. h. in Betrieb ist. Der strittige Anspruch 1 definierte dieselbe Kühlvorrichtung wie der erteilte Anspruch 9, gewährte ihr jedoch absoluten Schutz unabhängig davon, ob sie in Betrieb ist oder nicht. Sein Schutzbereich war also breiter als der des erteilten Anspruchs 9, womit der Hauptantrag nicht die Erfordernisse des Art. 123 (3) EPÜ erfüllte. Die Kammer gab dem Hilfsantrag IV statt, da der Vorrichtungsanspruch hier auch die Merkmale enthielt, die den Betrieb der Vorrichtung definierten.
2.6. Kategoriewechsel
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
In G 2/88 (ABl. 1990, 93) vertrat die Große Beschwerdekammer die Ansicht, dass eine Änderung der Anspruchskategorie im Einspruchsverfahren nicht nach Art. 123 (3) EPÜ 1973 zu beanstanden sei, wenn sie bei einer Auslegung der Ansprüche nach Art. 69 EPÜ 1973 und dem dazu ergangenen Protokoll nicht zu einer Erweiterung des Schutzbereichs der Ansprüche insgesamt führe. In diesem Zusammenhang könne das nationale Verletzungsrecht der Vertragsstaaten außer Betracht bleiben, denn es bestehe ein klarer Unterschied zwischen dem Schutzbereich und den Rechten aus einem europäischen Patent. Der Schutzbereich eines Patents werde durch den Inhalt der Patentansprüche (Art. 69 (1) EPÜ 1973) und insbesondere durch deren Kategorie und die technischen Merkmale bestimmt. Die Rechte, die ein europäisches Patent seinem Inhaber verleihe (Art. 64 (1) EPÜ 1973), ergäben sich dagegen aus den Rechtsvorschriften der benannten Vertragsstaaten. Ganz allgemein gehe es bei der Bestimmung des "Schutzbereichs" eines Patents darum, was in Anbetracht der Anspruchskategorie und der technischen Merkmale geschützt werde, während die "Rechte aus einem Patent" sich darauf bezögen, wie ein solcher Gegenstand geschützt werde. Die Überlegungen bei der Entscheidung über die Zulässigkeit einer Änderung, die einen Wechsel der Anspruchskategorie bedeute, seien grundsätzlich dieselben wie bei jeder anderen Änderung, die gemäß Art. 123 (3) EPÜ 1973 auf ihre Zulässigkeit zu prüfen sei.
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