2. Parteistellung als Einsprechender
2.2. Gesamtrechtsnachfolge
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
In T 349/86 date: 1988-04-29 (ABl. 1988, 345) verwies die Kammer auf R. 60 (2) EPÜ 1973, wonach im Falle des Todes des Einsprechenden das Einspruchsverfahren auch ohne die Beteiligung seiner Erben von Amts wegen fortgesetzt werden kann. Nach Auffassung der Kammer könne dies mit Sicherheit so ausgelegt werden, dass das Einspruchsverfahren auf die Erben des Einsprechenden und – analog dazu – auf die übernehmende Gesellschaft übertragbar ist, wenn die einsprechende Gesellschaft bei einer Fusion in ihr aufgeht (s. auch T 1091/02 date: 2004-07-23, ABl. 2005,14). In G 4/88 bestätigte die Große Beschwerdekammer, dass auch der Eintritt des Gesamtrechtsnachfolgers in die Einsprechendenstellung zulässig ist (Nr. 4 der Gründe). In T 475/88 entschied die Kammer, dass die Beschwerde im Namen der Firma Hoechst AG zulässig war, da die Einsprechendenstellung bei der Verschmelzung der Firmen Ruhrchemie AG und Hoechst AG auf letztere übergegangen war.
In T 2357/12 ging es darum, dass alle Vermögensbestandteile eines Unternehmens übertragen worden waren und seine Rechtspersönlichkeit anschließend aufgelöst wurde. Bei der Einschätzung der Sachlage stellte die Kammer fest, dass die "Gesamtrechtsnachfolge" als Ausnahme von R. 22 (3) EPÜ ein verfahrensrechtlicher Begriff nach dem EPÜ ist, der vom EPA eigenständig und unabhängig vom nationalen Recht auszulegen ist. Gemäß der Rechtsprechung der Beschwerdekammern sind die wichtigsten Erwägungen für die Anerkennung einer Gesamtrechtsnachfolge die Rechtssicherheit bezüglich der Person des Nachfolgers und die Notwendigkeit, ein rechtliches Vakuum zu vermeiden. Nach dieser Rechtsprechung könnte die Übertragung aller Vermögensbestandteile eines Unternehmens und dessen unmittelbar darauf folgende Auflösung als Rechtspersönlichkeit eine Gesamtrechtsnachfolge darstellen. Die Kammer wandte diese Grundsätze auf die Sachlage an und folgerte, dass es nach dem betreffenden nationalen Recht (US-Bundesstaat Delaware) zwar kein echtes Konzept der "Gesamtrechtsnachfolge" gibt, im vorliegenden Fall aber gemäß der Rechtsprechung zum EPÜ eine Gesamtrechtsnachfolge vorliegt. S. auch T 1755/14 zu einem Fall, in dem die Gesamtrechtsnachfolge durch Anwachsung bewirkt wurde.
In T 659/92 (ABl. 1995, 519) lag keine Gesamtrechtsnachfolge vor. Hier gab es für eine vertragliche Übertragung des Geschäftsbetriebs der Einsprechenden keine Anhaltspunkte. Die Kammer kam zu dem Ergebnis, dass die einseitige Erklärung des Schutzrechtinhabers, gewerbliche Schutzrechtspositionen und die Einsprechendenstellung bezüglich eines bestimmten Schutzrechtsverfahrens zu übertragen, eine Gesamtrechtsnachfolge durch Betriebsübernahme nicht bewirken kann.
In T 531/11 stellte die Kammer fest, ein Auszug aus dem Unternehmenskaufvertrag, wonach das Unternehmen "im Wege der Veräußerung von Einzelwirtschaftsgütern" verkauft worden war, zeige, dass es sich nach dem Wortlaut des Vertrags gerade nicht um eine Gesamtrechtsnachfolge handelt.