6. Ausführbarkeit
Übersicht
T 161/18 × View decision
1. Die vorliegende, auf maschinellem Lernen insbesondere im Zusammenhang mit einem künstlichen neuronalen Netz beruhende Erfindung ist nicht ausreichend offenbart, da das erfindungsgemäße Training des künstlichen neuronalen Netzes mangels Offenbarung nicht ausführbar ist.
2. Da sich im vorliegenden Fall das beanspruchte Verfahren vom Stand der Technik nur durch ein künstliches neuronales Netz unterscheidet, dessen Training nicht im Detail offenbart ist, führt die Verwendung des künstlichen neuronalen Netzes nicht zu einem speziellen technischen Effekt, der erfinderische Tätigkeit begründen könnte.
In T 161/18 nutzte die Anmeldung ein künstliches neuronales Netz zur Transformation der an der Peripherie gemessenen Blutdruckkurve in den äquivalenten Aortendruck. Bezüglich des Trainings des erfindungsgemäßen neuronalen Netzes offenbarte die Anmeldung lediglich, dass die Eingabedaten ein breites Spektrum von Patienten unterschiedlichen Alters, Geschlechts, Konstitutionstyps, Gesundheitszustand und dergleichen abdecken sollten, damit es nicht zu einer Spezialisierung des Netzes kommt. Die Anmeldung offenbarte jedoch nicht welche Eingabedaten zum Trainieren des erfindungsgemäßen künstlichen neuronalen Netzes geeignet sind, oder mindestens einen zur Lösung des vorliegenden technischen Problems geeigneten Datensatz. Das Trainieren des künstlichen neuronalen Netzes konnte daher vom Fachmann nicht nachgearbeitet werden und der Fachmann konnte die Erfindung deshalb nicht ausführen. Die vorliegende, auf maschinellem Lernen insbesondere im Zusammenhang mit einem künstlichen neuronalen Netz beruhende Erfindung war somit nicht ausreichend offenbart, da das erfindungsgemäße Training mangels entsprechender Offenbarung nicht ausführbar war. Siehe auch Kapitel I.C.4."Wirkung nicht über den gesamten Schutzbereich glaubhaft gemacht – neuronales Netz".
In T 383/14 (Sortiertisch für die Weinlese) befand die Kammer, dass in einem Anspruch versucht werde, eine Vorrichtung unter Idealbedingungen zu definieren, also den Bedingungen einer theoretisch optimalen oder nominalen Funktionsweise. Der Fachmann, an den sich der Anspruch richte, begreife jedoch mühelos, dass die in der Praxis vorliegenden Bedingungen der Funktionsweise nicht den im Anspruch definierten Idealbedingungen entsprächen. So erkenne der Fachmann beim Lesen des Anspruchs sofort die praktische Funktionsweise nach der Weinlese und verstehe daher die strittigen Begriffe "allein" und "nur" im nicht ausschließlichen Sinne der praktischen Funktionsweise aller mechanischen Vorrichtungen, die niemals eine Zuverlässigkeits- oder Erfolgsquote von 100 % haben könnten, wobei diese im konkreten Fall der Sortierung und Kalibrierung noch geringer sei. Das Argument der Einsprechenden, dass nicht "nur" die Trauben durch die Öffnungen gelassen würden, überzeugte die Kammer daher nicht, denn diese Situation entsprach nicht der realistischen Situation der Reproduzierbarkeit des Aussortierens, sondern vielmehr der eines gelegentlichen Misslingens, die bei einem Sortiergerät absolut vorhersehbar ist und auch in der Rechtsprechung berücksichtigt wird.
6. Ausführbarkeit
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |