4.11.3 Zweiseitiges Beschwerdeverfahren
In T 1719/13 entsprach der Hilfsantrag bis auf die Hinzufügung des abhängigen Anspruchs 5 dem von der Einspruchsabteilung für zulässig befundenen Hilfsantrag I. Nach Auffassung der Kammer gab es keinen triftigen Grund, diesen Antrag zum Verfahren zuzulassen. Sie verwies auf die ständige Rechtsprechung, der zufolge das Einspruchsverfahren nicht dazu genutzt werden darf, das Patent durch die Hinzufügung eines oder mehrerer abhängiger Ansprüche nachzubessern. Eine solche Hinzufügung ist normalerweise nach R. 80 EPÜ unzulässig (s. z. B. T 993/07). Aus demselben Grund sah die Kammer in der Hinzufügung eines oder mehrerer abhängiger Ansprüche zu einem bereits von der Einspruchsabteilung für zulässig befundenen Antrag im Beschwerdeverfahren einen Versuch, den zugelassenen Antrag nachzubessern, und ließ den Antrag daher mit Verweis auf Art. 12 (4) VOBK 2007 nicht zu.
In T 1467/13 hatte der Patentinhaber vor der Einspruchsabteilung die Aufrechterhaltung auf Grundlage von neuen Anträgen angestrebt, die den nun vorliegenden Haupt- und Hilfsanträgen (1 bis 8) entsprachen. Damit hatte der Patentinhaber den Rahmen des Verfahrens erstinstanzlich abgesteckt. Bei den mit der Beschwerdegründung eingereichten weiteren Hilfsanträgen (9 bis 13) wurde ein Merkmal gestrichen. Dieser Gegenstand lag somit ohne ersichtliche Rechtfertigung außerhalb des vom Patentinhaber erstinstanzlich abgesteckten Rahmens des Verfahrens. Er hätte folglich im Prinzip in Anlehnung an den Grundsatz des Art. 12 (4) VOBK 2007 im Verfahren vor der ersten Instanz vorgebracht werden sollen.
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
Der Zweck des Beschwerdeverfahrens besteht nicht darin, eine neue Prüfung eines anderen Gegenstands einzuleiten, insbesondere dann, wenn dieser Gegenstand eine Erweiterung der von der Einspruchsabteilung bereits geprüften Ansprüche darstellt (T 144/09, T 1616/10).
In T 144/09 hatte der Patentinhaber im Einspruchsverfahren ungefähr einen Monat vor der mündlichen Verhandlung ein neues Merkmal "Platzbedarf …" in die Anträge eingefügt. In der mündlichen Verhandlung erhob die Einspruchsabteilung gegen die Aufnahme dieses Merkmals einen Einwand nach Art. 123 (2) EPÜ. Sie fragte den Patentinhaber ausdrücklich, ob er einen Antrag zur Ausräumung dieses Einwands stellen werde. Dieser reichte jedoch weder geänderte Anträge noch Hilfsanträge ein. Das Patent wurde daher widerrufen. Mit seiner Beschwerdebegründung reichte der Patentinhaber neue Anträge ohne das Platzbedarfsmerkmal ein. Die Kammer stellte fest, dass nicht erkennbar sei, warum das beanstandete Merkmal in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung nicht einfach im Rahmen eines Hilfsantrags gestrichen wurde. Nach Art. 12 (4) VOBK 2007 sei es möglich, einen Antrag nicht zuzulassen, wenn eine im Einspruchsverfahren für unzulässig befundene Erweiterung nicht zumindest im Rahmen eines Hilfsantrags in diesem Verfahren gestrichen wurde, sondern erst im Rahmen eines Antrags im Beschwerdeverfahren (bestätigt in R 11/11 im Hinblick auf den Überprüfungsantrag des Beschwerdeführers in dieser Sache), s. auch T 154/12.
Auch in T 1616/10 wurden der Hauptantrag und der Hilfsantrag 1 nicht in das Verfahren zugelassen, weil Anspruch 1 breiter als alle Anträge war, die der mit der Beschwerde angefochtenen Entscheidung zugrunde lagen, und die Anträge bereits im Verfahren vor der ersten Instanz hätten eingereicht werden können.
Angesichts der Einwände der Einsprechenden wegen mangelnder Neuheit bzw. mangelnder erfinderischer Tätigkeit beschloss der Patentinhaber in der Sache T 1964/12, keine Argumente dafür vorzubringen, dass die Verfahrensansprüche in der erteilten Fassung neu und erfinderisch waren, sondern schränkte deren Gegenstand absichtlich ein. Die Kammer erklärte, dies zeige, dass der Patentinhaber ganz bewusst keine Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Verfahrensansprüche in der erteilten Fassung einholen wollte. Dem Patentinhaber zu gestatten, im Beschwerdeverfahren auf die Verfahrensansprüche in der erteilten Fassung zurückzugreifen, liefe der gebotenen Verfahrensökonomie zuwider. Deshalb entschied die Kammer, den Hauptantrag nicht zum Verfahren zuzulassen.
In T 526/13 verwies die Kammer auf T 1964/12, wonach es der gebotenen Verfahrensökonomie zuwiderliefe, dem Patentinhaber zu gestatten, im Beschwerdeverfahren auf einen bestimmten Antrag zurückzugreifen, wenn der Patentinhaber ganz bewusst keine Entscheidung der Einspruchsabteilung über diesen Antrag einholen wollte. Im vorliegenden Fall jedoch war die Kammer der Auffassung, dass das Verhalten des Patentinhabers im erstinstanzlichen Verfahren die Einspruchsabteilung nicht daran gehindert hatte, über den im Beschwerdeverfahren eingereichten Antrag in der Sache zu entscheiden. Die erstinstanzliche Entscheidung über den Hilfsantrag deckte alle Merkmale von Anspruch 1 des neuen Hauptantrags ab. Es verstieß daher nicht gegen die Verfahrensökonomie, dem Beschwerdeführer zu gestatten, den neuen Hauptantrag im Beschwerdeverfahren einzuführen.
In T 1719/13 entsprach der Hilfsantrag bis auf die Hinzufügung des abhängigen Anspruchs 5 dem von der Einspruchsabteilung für zulässig befundenen Hilfsantrag I. Nach Auffassung der Kammer gab es keinen triftigen Grund, diesen Antrag zum Verfahren zuzulassen. Sie verwies auf die ständige Rechtsprechung, der zufolge das Einspruchsverfahren nicht dazu genutzt werden darf, das Patent durch die Hinzufügung eines oder mehrerer abhängiger Ansprüche nachzubessern. Eine solche Hinzufügung ist normalerweise nach R. 80 EPÜ unzulässig (s. z. B. T 993/07). Aus demselben Grund sah die Kammer in der Hinzufügung eines oder mehrerer abhängiger Ansprüche zu einem bereits von der Einspruchsabteilung für zulässig befundenen Antrag im Beschwerdeverfahren einen Versuch, den zugelassenen Antrag nachzubessern, und ließ den Antrag daher mit Verweis auf Art. 12 (4) VOBK 2007 nicht zu.
In T 1467/13 hatte der Patentinhaber vor der Einspruchsabteilung die Aufrechterhaltung auf Grundlage von neuen Anträgen angestrebt, die den nun vorliegenden Haupt- und Hilfsanträgen (1 bis 8) entsprachen. Damit hatte der Patentinhaber den Rahmen des Verfahrens erstinstanzlich abgesteckt. Bei den mit der Beschwerdegründung eingereichten weiteren Hilfsanträgen (9 bis 13) wurde ein Merkmal gestrichen. Dieser Gegenstand lag somit ohne ersichtliche Rechtfertigung außerhalb des vom der Patentinhaber erstinstanzlich abgesteckten Rahmens des Verfahrens. Er hätte folglich im Prinzip in Anlehnung an den Grundsatz des Art. 12 (4) VOBK 2007 im Verfahren vor der ersten Instanz vorgebracht werden sollen.
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