4.5. Änderungen nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung
4.5.2 Spät eingereichte Dokumente und Beweismittel
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
Die Kammer stellte in T 188/05 fest, dass die Zulassung des neuen Vorbringens des Beschwerdeführers dessen Sachvortrag in einer Weise ändern würde, die Fragen aufgeworfen hätte, deren Behandlung der Kammer und dem Beschwerdegegner ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zugemutet werden konnte. Daher wurde das Vorbringen nicht zum Verfahren zugelassen.
Im Fall T 1774/07 hätte die Einführung der neuen Dokumente in das Verfahren ohne Vertagung der mündlichen Verhandlung gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Beteiligten verstoßen. Daher befand die Kammer, dass die Dokumente ungeachtet ihrer Relevanz nicht in das Verfahren eingeführt werden durften.
In T 232/08 wurde der Einwand mangelnder Neuheit gegenüber Dokument D11 im Beschwerdeverfahren erstmals während der mündlichen Verhandlung erhoben. Der Anspruch des Beschwerdegegners auf rechtliches Gehör hätte nach Auffassung der Kammer bezüglich des auf Dokument D11 gestützten Neuheitseinwands nur dadurch gewahrt werden können, dass die mündliche Verhandlung verlegt oder der Fall an die erste Instanz zurückverwiesen werde, um dem Beschwerdegegner Gelegenheit zu geben, sich gebührend mit dem Einwand des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen. Die Kammer beschloss daher, dem Beschwerdeführer nicht zu gestatten, seinen auf Dokument D11 gestützten Neuheitseinwand vorzutragen.
In T 139/12 wurden nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung neue Beweismittel eingereicht, zum ersten Mal die Neuheit angegriffen, sowie ein neuer Angriff der mangelnden erfinderischen Tätigkeit vorgebracht. Die Kammer wies darauf hin, dass dies eine völlig neue Argumentation auf Grund neuer Beweismittel darstellte, die über den Umfang und Rahmen des Beschwerdeverfahrens, wie durch die Beschwerdebegründung und die Erwiderung darauf festgelegt, hinausgingen. Sie stellten einen neuen Fall ("fresh case") dar, dessen Zulassung normalerweise eine Zurückverweisung zur Folge haben müsste, mindestens aber zur Aussetzung der Verhandlung führen müsste, damit dem Beschwerdegegner die Gelegenheit geboten wird, darauf angemessen zu reagieren.
In T 1058/15 hatte der Beschwerdeführer das Dokument D8 wenige Wochen vor der mündlichen Verhandlung eingereicht. Die Kammer stellte fest, dass es sich bei dem im Beschwerdeverfahren geltend gemachten, auf D8 basierenden Neuheitseinwand zwar nicht um einen gänzlich neuen Einspruchsgrund handelte, der im Beschwerdeverfahren nur mit Zustimmung des Patentinhabers eingeführt werden könnte (G 9/91, ABl. 1993, 408), weil die Neuheit vorliegend schon im Einspruchsverfahren auf Basis eines anderen Dokuments beanstandet worden war. Gleichwohl war die Sach- und Interessenlage ähnlich, weil der Patentinhaber (Beschwerdegegner) in beiden Fällen nicht damit rechnen musste, dass erst im Verlauf des Beschwerdeverfahrens ein weiterer Einspruchsgrund zum Tragen kommt und das Verfahren verkomplizieren wird. Da der Beschwerdegegner der Zulassung des neuen Dokuments D8 nicht zugestimmt hat, hat die Kammer – ungeachtet der Relevanz des neuen Dokuments – beschlossen, D8 nicht in das Verfahren zuzulassen.