1.6. Kombination von Merkmalen aus einzelnen Ausführungsformen oder Listen
T 3035/19 × View decision
Selections in two or more lists, see points 1.4 and 1.5 of the reasons
T 1621/16 × View decision
1) When fall-back positions for a feature are described in terms of a list of converging alternatives, the choice of a more or less preferred element from such a list should not be treated as an arbitrary selection, because this choice does not lead to a singling out of an invention from among a plurality of distinct options, but simply to a subject-matter based on a more or less restricted version of said feature.
2) A claim amended on the basis of multiple selections from lists of converging alternatives might be considered to meet the requirements of Article 123(2) EPC if: - the subject-matter resulting from the multiple selections is not associated with an undisclosed technical contribution, and - the application as filed includes a pointer to the combination of features resulting from the multiple selections.
In T 1621/16 merkte die Kammer an, dass nach der ständigen Rechtsprechung Änderungen, die auf einer willkürlichen Mehrfachauswahl aus Listen basieren, unter bestimmten Umständen eine Erweiterung des Gegenstands der Anmeldung in der eingereichten Fassung nach Art. 123 (2) EPÜ darstellen (s. z. B. T 727/00). Die Kammer hielt allerdings fest, dass es in den meisten der diesem etablierten Ansatz folgenden Entscheidungen um Änderungen ging, die auf Listen nicht konvergierender Alternativen (d. h. sich gegenseitig ausschließender oder sich teilweise überschneidender Elemente) basierten. Bei der Auswahl aus Listen konvergierender Alternativen (d. h. von Optionen, die von der am wenigsten bis zu der am stärksten bevorzugten Option reichen, wobei jede der stärker bevorzugten Alternativen vollständig von allen weniger bevorzugten und breiteren Optionen der Liste umfasst ist) waren die Schlussfolgerungen hingegen weniger einheitlich (s. T 812/09, T 2237/10, T 27/16 und T 615/95). Darüber hinaus hatten die Kammern generell Änderungen, die auf Mehrfachstreichungen von Elementen aus einer oder mehreren Listen von (nicht konvergierenden) Alternativen basierten, als zulässige Beschränkung des Schutzumfangs nach Art. 123 (2) EPÜ betrachtet, sofern diese Änderungen nicht dazu führten, dass bestimmte Kombinationen mit spezifischer Bedeutung herausgegriffen werden (s. T 615/95 und G 1/93, ABl. 1994, 541). Die Kammer befand, dass Auswahlvorgänge aus Listen konvergierender Alternativen aus den folgenden Gründen nicht genauso behandelt werden sollten wie Auswahlvorgänge aus Listen nicht konvergierender Alternativen: Bei nicht konvergierenden Alternativen stellt jede Alternative ein unterschiedliches Merkmal dar, weshalb die Auswahl spezifischer Elemente aus solchen Listen dazu führt, dass eine Erfindung aus mehreren unterschiedlichen Alternativen herausgegriffen wird, was möglicherweise einen ungerechtfertigten Vorteil darstellt, wenn nicht vorausgesehen werden kann, welche der verschiedenen Erfindungen letztendlich geschützt wird. Wenn andererseits Auffangpositionen für ein Merkmal als Liste konvergierender Alternativen beschrieben werden, ist jedes der engeren Elemente vollständig von allen vorausgehenden weniger bevorzugten und breiteren Optionen umfasst. Folglich stellen die Elemente einer solchen Liste mehr oder weniger beschränkte Versionen ein und desselben Merkmals dar. Somit führt die Änderung eines Anspruchs durch Auswahl eines Elements aus einer Liste konvergierender Alternativen nicht dazu, dass eine Erfindung aus einer Mehrzahl unterschiedlicher Optionen herausgegriffen wird, sondern einfach zu einem Gegenstand, der auf einer mehr oder weniger beschränkten Version dieses Merkmals basiert. Somit besteht eine Analogie zwischen der Auswahl eines Elements aus einer Liste konvergierender Alternativen und der Streichung von Optionen aus einer Liste nicht konvergierender Alternativen (wie in T 615/95). Wie die Kammer betonte, lassen die oben genannten Überlegungen nicht den Schluss zu, dass Änderungen, die auf einer Mehrfachauswahl aus Listen konvergierender Alternativen basieren, zwangsläufig den Erfordernissen des Art. 123 (2) EPÜ entsprechen. Vielmehr muss geprüft werden, ob die aus der Mehrfachauswahl resultierende spezifische Kombination durch den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung gestützt wird. Für die Kammer müssen mindestens die folgenden beiden Bedingungen erfüllt sein: i) die Kombination sollte nicht mit einem nicht offenbarten technischen Beitrag verbunden sein, d. h. es sollte kein ungerechtfertigter Vorteil daraus abgeleitet werden, dass die spezifische Kombination von mehr oder weniger bevorzugten Alternativen mit einer erfinderischen Auswahl verbunden wird, die nicht von der Anmeldung in der eingereichten Fassung gestützt wird; und ii) die Kombination sollte durch einen Hinweis in der Anmeldung in der eingereichten Fassung gestützt sein. Solche Hinweise können in Form von Beispielen (wie in T 27/16 und T 615/95) oder spezifischen Ausführungsformen der Anmeldung geliefert werden, weil diese in der Regel die detailliertesten und bevorzugten Ausgestaltungen der Erfindung darstellen.
1.6.2 Auswahl aus zwei Listen – Herausgreifen einer Kombination von Merkmalen
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
Aus der Kombination jeweils eines Mitglieds aus zwei Listen von Merkmalen, welche durch keinen Hinweis in der ursprünglich eingereichten Anmeldung gestützt sei, resultierte nach Auffassung der Kammer in T 727/00 ein Anspruchsgegenstand, der zwar denkgesetzlich von der ursprünglichen Anmeldung umfasst, aber in dieser individualisierten Form dort nicht offenbart war. Anspruch 1 des Hauptantrags habe daher allein aus diesem Grunde keine Stütze in der Beschreibung und verstoße gegen Art. 123 (2) EPÜ. S. auch T 714/08 und T 1267/11.
In T 1511/07 stellte die Kammer fest, dass die Auswahl explizit offenbarter Grenzwerte, die mehrere (Unter-) Bereiche definieren, zur Festlegung eines neuen (engeren) Unterbereichs nicht nach Art. 123 (2) EPÜ zu beanstanden ist, wenn die Bereiche aus derselben Liste stammen; die Kombination eines einzelnen Bereichs aus dieser Liste mit einem anderen einzelnen Bereich aus einer zweiten Liste von Bereichen, der sich auf ein anderes Merkmal bezieht, gilt dagegen nicht als in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung offenbart, sofern es nicht einen klaren Hinweis auf eine solche Kombination gibt (im Fall T 119/15 grenzte die Kammer den ihr vorliegenden Fall, der sich nicht auf Listen im Sinne von T 1511/07 bezog, von T 1511/07 ab).
In T 1374/07 entschied die Kammer, die sich auf T 811/96 bezog, dass die Auswahl zweier Komponenten (hier: Fett und Enzyme) aus einer Liste tatsächlich einer Mehrfachauswahl aus zwei identischen Listen entspricht (s. auch T 2375/09 und T 1506/13). Unter Anwendung des Neuheitstests kam die Kammer somit zu dem Schluss, dass die Hinzufügung des Merkmals "Fett und Enzyme" in Anspruch 1 gegen Art. 123 (2) EPÜ verstieß.
In T 686/99 vertrat die Kammer die Auffassung, dass die Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung auf undifferenzierte Weise verschiedene Kategorien von Basisölen offenbare, ohne einen Hinweis für die Auswahl einer bestimmten dieser Kategorien zu geben. In der ursprünglichen Gruppe von Basisölen wurde den Esterölen kein Vorrang eingeräumt. Die Kammer kam daher zu dem Schluss, dass die in Anspruch 1 enthaltene Kombination eines Basisöls, das zwangsweise Esteröle umfasse, mit den in Anspruch 1 aufgeführten Fluorkohlenwasserstoffen das Ergebnis einer Mehrfachauswahl aus zwei Gruppen alternativer Merkmale sei, nämlich der Auswahl der Esteröle aus der Gruppe der Basisöle und der Auswahl der Fluorkohlenwasserstoffe aus der Gruppe der Kältemittel, wodurch eine bestimmte neue Kombination geschaffen werde. In Ermangelung eines wie auch immer gearteten Hinweises auf eine bestimmte Kombination sei diese Mehrfachauswahl von Merkmalen für den Fachmann nicht unmittelbar und eindeutig aus dem Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung ableitbar gewesen.
In T 197/08 wies die Kammer darauf hin, dass das Merkmal "FIE als einziger Wirkstoff" nicht als solches in der ursprünglichen Anmeldung enthalten war. Der Beschwerdegegner (Einsprechende) hatte argumentiert, dass die Einführung des Merkmals "als einziger Wirkstoff" in Kombination mit FIE, das aus einer Gruppe von Verbindungen ausgewählt worden sei, in der es nicht der am stärksten bevorzugte Wirkstoff gewesen sei, eine nicht gewährbare Auswahl aus zwei Listen darstelle. Nach Auffassung der Kammer wurde FIE aus einer Liste von sechs besonders bevorzugten Wirkstoffen in Kombination mit Monotherapie (als einziger Wirkstoff) ausgewählt, wobei Monotherapie de facto die einzige in der ursprünglichen Anmeldung vorgesehene Verabreichungsform war. Unter diesen Umständen war das Merkmal nicht Ergebnis zweier Auswahlvorgänge aus verschiedenen Listen, sondern es musste im Grunde nur eine Auswahl, nämlich die Auswahl von FIE, getroffen werden, um zu dem Merkmal zu gelangen. Die Erfordernisse von Art. 123 (2) EPÜ waren somit erfüllt.
In T 783/09 hatte die Einspruchsabteilung entschieden, dass es sich beim Gegenstand des fraglichen Anspruchs 1 um eine Auswahl aus zwei Listen handle, der somit gegen Art. 123 (2) EPÜ verstoße. Unter anderem sei festzustellen, dass der Fachmann somit unmittelbar und eindeutig vierundvierzig individuelle Kombinationen ausmachen würde, darunter auch die drei "Grundkombinationen", auf die in Anspruch 1 abgestellt werde. Die Kammer verwies auf die Entscheidung T 12/81 (ABl. 1982, 296), in der Folgendes festgestellt wurde: "Sind zur Herstellung der Endprodukte zweierlei Klassen von Ausgangsstoffen notwendig und sind hierfür Beispiele für Einzelindividuen jeweils in einer Auflistung gewissen Umfangs zusammengestellt, so kann ein Stoff, der durch Umsetzung eines speziellen Paares aus beiden Listen zustande kommt, als Auswahl im patentrechtlichen Sinne und damit als neu angesehen werden." Die Kammer wies darauf hin, dass viele Kammern vor diesem Hintergrund einem individualisierten Gegenstand, der sich nur durch eine Kombination von Elementen aus Listen aus einem Dokument ableiten lässt, eine unmittelbare und eindeutige Offenbarung abgesprochen haben. Der Verwendung des Wortes "kann" in der vorstehend genannten Entscheidung T 12/81 war jedoch zu entnehmen, dass die Darstellung eines individualisierten Gegenstands als Ergebnis einer Kombination von Elementen aus Listen nicht unbedingt bedeutet, dass dieser nicht unmittelbar und eindeutig offenbart worden ist. Der "Offenbarungsstatus" eines aus Listen zu individualisierenden Gegenstands müsse letztendlich anhand der Umstände des Einzelfalls bestimmt werden, indem gefragt werde, ob der Fachmann den betreffenden Gegenstand klar und eindeutig aus dem Dokument als Ganzes ableiten würde.
In T 1710/09 betonte die Kammer jedoch, dass das Wort "kann" in T 12/81 im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung als "muss" auszulegen ist. Sie äußerte die Besorgnis, dass bei einer freien Auslegung des Wortes "kann" wie in T 783/09 die Einheitlichkeit der Beurteilung der Offenbarung nicht gewährleistet werden kann.
In T 236/08 war das Merkmal in Anspruch 1 "für eine Verabreichung durch Inhalation geeignet" nicht in den ursprünglich eingereichten Ansprüchen enthalten. Eine Grundlage für das Merkmal ließ sich jedoch in einer Liste in der Beschreibung finden, wo es als eine von verschiedenen Verabreichungsmöglichkeiten angegeben ist. Allerdings wäre die Kombination des Gegenstands von Anspruch 1 mit dem Gegenstand eines der abhängigen Ansprüche, der ebenfalls das Ergebnis einer Auswahl aus verschiedenen Möglichkeiten ist, eine unzulässige Auswahl aus mehreren Listen. So ergibt sich beispielsweise der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 10, der speziell die Verwendung von Insulin betrifft, durch das Herausgreifen aus einer Liste von Möglichkeiten. Die Kombination dieses Gegenstands mit dem Gegenstand von Anspruch 1, der sich in ähnlicher Weise durch eine Auswahl aus möglichen Verabreichungsarten ergibt, stellt daher eine Auswahl aus mehreren Listen dar und hat keine Grundlage in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung.
In T 714/08 war Anspruch 1 des Hauptantrags so geändert worden, dass die erste Oxidationsbase auf das Paraphenylendiamin und die Liste der Kuppler auf 12 Verbindungen beschränkt wurden. Diese spezifische Kombination des Paraphenylendiamins mit jedem der 12 Kuppler konnte nicht unmittelbar und eindeutig aus der Anmeldung in der eingereichten Fassung abgeleitet werden. Dieser Fall unterschied sich von den Fällen, die in Substituenten-Listen für Markush-Formeln vorgenommene Beschränkungen betreffen (s. T 615/95 oder T 50/97). In diesen Fällen führten die Beschränkungen nämlich nicht zur Individualisierung bestimmter Kombinationen wie im vorliegenden Fall, sondern bewahrten die generische Natur der chemischen Formel, die die beanspruchten Erzeugnisse definierte.
In T 209/10 behauptete der Beschwerdeführer (Patentinhaber), bei Anspruch 1 handle es sich nicht um eine unzulässige Auswahl, sondern um die bloße Streichung einer oder einiger Optionen aus einer Liste. Die Kammer war der Auffassung, dass die ursprüngliche Anmeldung die technische Wirkung der Verhütung von Knochenschwund offenbarte, die nicht identisch sei mit der in Anspruch 1 in der erteilten Fassung beschriebenen Verhütung von postmenopausaler Osteoporose bei Frauen nach der Menopause. Frauen nach der Menopause seien aus einer Liste mehrerer möglicher Optionen hinsichtlich der zu behandelnden Patienten ausgewählt worden. In Anspruch 1 des Hauptantrags sei noch eine weitere Auswahl getroffen worden, nämlich die der Darreichungsform des Arzneimittels als Tablette oder Kapsel. Eine orale Verabreichung sei nicht gleichbedeutend mit der Auswahl von Tabletten und Kapseln, da andere Formen wie Lösungen oder Suspensionen ebenfalls in Frage kämen. Außerdem werde der Patient in der ursprünglichen Anmeldung als alternder Mensch definiert, ohne Frauen nach der Menopause in Verbindung mit einer besonderen Dosierungsform die Präferenz zu geben. Die Kammer gelangte zu dem Schluss, dass Anspruch 1 somit technische Informationen umfasse, die nicht unmittelbar und eindeutig aus der Anmeldung in der eingereichten Fassung abgeleitet werden könnten, und greife einen Gegenstand heraus, der in der ursprünglichen Anmeldung nicht in individualisierter Weise offenbart werde.
In T 407/10 stimmte die Kammer zunächst dem Beschwerdeführer darin zu, dass zwar beispielsweise die Kombination von zwei ursprünglich nur in Listen gleichwertiger Alternativen offenbarten Merkmalen in der Regel als Verstoß gegen Art. 123 (2) EPÜ gilt, es aber andere Merkmalskombinationen geben kann, die – obwohl nicht explizit in der Anmeldung in der eingereichten Fassung offenbart – aus einem (expliziten oder impliziten) Hinweis darauf abgeleitet werden können. Sind zum Beispiel bestimmte Merkmale in der ursprünglichen Anmeldung als bevorzugt offenbart, so ist dies ein Hinweis für den Fachmann, weil eine Kombination der bevorzugten Merkmale offensichtlich die beste Möglichkeit bietet, die mit der Erfindung beabsichtigte technische Wirkung zu erzielen (s. z. B. T 68/99). Nach der Rechtsprechung wird jedoch die Kombination aus einem ursprünglich nicht als bevorzugt offenbarten Merkmal und zahlreichen weiteren, auf bevorzugten Merkmalen beruhenden Einschränkungen nicht als Änderung betrachtet, die mit Art. 123 (2) EPÜ vereinbar ist.
In T 1799/12 hielt die Kammer fest, dass die Rechtsprechung sowie die Entscheidung T 407/10 zutreffend auf weitere Umstände verweisen, die zu berücksichtigen sind, wie Hinweise auf die betreffende Auswahl bzw. Kombination in der Beschreibung und den Beispielen, etwa die Tatsache, dass die fraglichen Merkmale in der Beschreibung als "bevorzugt" erwähnt werden. Eine Rolle spielen kann auch der Umstand, dass die Liste aus gleichwertigen Alternativen besteht (s. insbesondere T 686/99). Im vorliegenden Fall gab es keinen Hinweis auf die Wahl einer rechteckigen oder quadratischen Form der Grundwand, sondern einen klaren entgegengesetzten Hinweis auf Formen der Grundwand ohne Ecken ("im Allgemeinen kreisrund" bzw. "oval"). Damit waren auch die fünf möglichen in der Stammanmeldung genannten Formen keine gleichwertigen Alternativen. Die Voraussetzungen für die Gewährung der vorliegend beanspruchten Auswahl lagen nicht vor.
In T 45/12 war die Kammer der Auffassung, dass die Kombination von Pioglitazon mit Glimepirid in der eingereichten Fassung der Ursprungsanmeldung herausgestellt wurde. In der Beschreibung der Ursprungsanmeldung in der eingereichten Fassung sei Pioglitazon durchweg als der meistbevorzugte Sensitivitätsverstärker zur Verwendung in Kombination mit einem anderen antidiabetischen Mittel offenbart worden. Glimepirid sei ein spezifisches antidiabetisches Mittel, das zur Verwendung als zweite Komponente in der Zusammensetzung offenbart worden sei. Selbst unter der Annahme, dass die Zusammensetzung mit Pioglitazon und Glimepirid eine Auswahl (unter den spezifischen, zur Kombination mit Pioglitazon offenbarten antidiabetischen Mitteln) erforderlich machen würde, sei diese eindimensionale Auswahl somit keine unzulässige Erweiterung.
In T 2273/10 brachte der Beschwerdeführer (Patentinhaber) vor, dass Anspruch 1 keine Auswahl aus mehreren Listen darstelle, sondern eine Kombination der bevorzugten Merkmale der Erfindung. Die Kammer teilte diese Auffassung nicht: Für jedes der drei Merkmale waren in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung mehrere Möglichkeiten offenbart. Um zum beanspruchten Wortlaut zu gelangen, musste der Fachmann eine Auswahl aus mehreren Listen treffen. Zudem bezog sich diese Auswahl auf bevorzugte Merkmale ebenso wie auf nicht bevorzugte Merkmale. Auch in T 1150/15 wies die Kammer den Ansatz des Patentinhabers, die bevorzugten Optionen für jeden der auf Seite 75 offenbarten Substituenten Y, X und Z zu kombinieren, die bevorzugte Option für RB im selben Kontext aber nicht zu berücksichtigen und sie mit einer aus der allgemeinsten Liste von Optionen für den Substituenten A herausgegriffenen Definition zu kombinieren, als willkürlich zurück. Für die Kammer war der Fall anders gelagert als die Sache T 615/95 (s. Kapitel II.E.1.6.3 unten).
In T 1032/12 wies die Kammer das Argument des Beschwerdeführers zurück, das beanspruchte Polypeptid sei durch zwei aus zwei voneinander unabhängigen Listen ausgewählte Merkmale definiert. Für den Beschwerdeführer (Einsprechenden) umfasste die Formulierung "bevorzugte Polypeptide" eine Liste möglicher Polypeptide. Nach Auffassung der Kammer wurde aber im vorliegenden Fall das Protein SEQ ID NO:2 als besonders bevorzugtes Polypeptid herausgegriffen: Immer wenn Fragmente als bevorzugte Sequenzen genannt wurden, wurden diese als "besonders bevorzugte Fragmente" bezeichnet. Bei der Bezugnahme in der Beschreibung auf "das bevorzugte Polypeptid" handelte es sich daher um eine Bezugnahme auf das Polypeptid SEQ ID NO:2. Wegen dieser spezifischen Erwähnung des ganzen Moleküls als besonders bevorzugtes Molekül war dieser Fall anders gelagert als die vom Beschwerdeführer angeführte Sache T 583/09, wo verschiedene Moleküle als gleichwertige Alternativen genannt wurden. Es lag kein Verstoß gegen Art. 123 (2) EPÜ vor.
In T 2134/10 stellte die Kammer fest, dass keine Kombination von unabhängigen Merkmalen aus zwei Listen vorlag. Die Kammer befand, dass ein spezifischer Grad von Sequenzidentität (in Anspruch 1 d): "mindestens 95 %") keine Eigenschaft sei, die es erlauben würde, in Kombination mit einem bestimmten, aus Tabelle 1 (unter 113 offenbarten, für potenziell antigene Peptide von S. pneumoniae codierenden offenen Leserahmen) ausgewählten Molekül ein bestimmtes Molekül herauszugreifen oder dem beanspruchten Gegenstand Eigenschaften zu verleihen, die aus der Anmeldung in der eingereichten Fassung nicht unmittelbar und eindeutig ableitbar waren.
In T 1581/12 war Anspruch 1 auf eine Kombination der Sequenzen SEQ ID Nrn. 4, 6 mit einer Fragmentlänge von "20 oder mehr zusammenhängenden Aminosäuren" und eine Auswahl der ein Epitop dieser Sequenzen enthaltenden Fragmente gerichtet. In der Stammanmeldung wurden die Sequenzen SEQ ID Nrn. 4, 6 als Mitglieder einer Liste von mehreren Hundert Sequenzen offenbart. Auch die in Anspruch 1 angegebene Fragmentlänge wurde in der Stammanmeldung in einer langen Liste von Längen offenbart, unter denen "je nach der spezifischen Sequenz" eine Auswahl zu treffen war. Die Kammer wies darauf hin, dass die vom Beschwerdeführer (Einsprechenden) angeführte Rechtsprechung (T 583/09, T 2134/10) ausschließlich eine Kombination von spezifischen Mitgliedern zweier vollständig voneinander unabhängiger Listen betraf, wobei die Kombination von einem Mitglied der einen mit einem Mitglied der anderen Liste ohne klaren Hinweis auf eine solche Kombination als Einführung eines neuen Gegenstands angesehen wurde. Der vorliegende Fall sei jedoch anders gelagert. Die in der Stammanmeldung offenbarten Fragmentlängenwerte würden von einem Fachmann so verstanden, dass sie für jedes einzelne Mitglied der offenbarten Aminosäuresequenzen (SEQ ID Nrn.) gelten, wobei die obere Länge dieser Fragmente "je nach der spezifischen Sequenz" variiert; die Liste der Fragmentlängen sei de facto nicht unabhängig von der Liste der Aminosäuresequenzen. Die Kombination des Werts "20 oder mehr zusammenhängende Aminosäuren" mit den Aminosäuresequenzen SEQ ID Nrn. 4, 6 beschränke daher nur die ursprüngliche Offenbarung in der Stammanmeldung. Durch diese Beschränkung entstehe kein neuer Gegenstand.
In T 1259/16 war die beanspruchte Kombination der Merkmale, die die beanspruchte Lösung charakterisierten – "frei von freiem Brom" und "weniger als 100 ppm Metallionenverunreinigungen" – in der eingereichten Fassung der Anmeldung nicht explizit offenbart. Die Kammer befand, dass die Listen, die sich auf den Gehalt an freiem Brom und Metallionenverunreinigungen bezogen, voneinander vollständig unabhängig waren. Die verschiedenen Gehalte an freiem Brom und Metallionenverunreinigungen seien gleichermaßen geeignete Alternativen. Der Fachmann würde bei der Lektüre der Anmeldung nicht erkennen, dass die niedrigeren Werte zwangsläufig die bevorzugten seien, da die Reduzierung von Verunreinigungen auf den niedrigstmöglichen Gehalt sowohl unpraktisch als auch unökonomisch sei. Die beanspruchte Kombination verstoße daher gegen Art. 123 (2) EPÜ.
- T 3035/19
- T 1621/16
- Rechtsprechung 2021
- Rechtsprechung 2020