9.3. Beschwerde, die als nicht eingelegt gilt, oder unzulässige Beschwerde
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G 1/18 × View decision
1. Le recours est réputé non formé dans les cas suivants :
a) lorsque l'acte de recours est déposé dans le délai de deux mois tel que prévu à l'article 108, première phrase CBE ET que la taxe de recours a été acquittée après l'expiration dudit délai de deux mois ;
b) lorsque l'acte de recours est déposé après le délai de deux mois tel que prévu à l'article 108, première phrase CBE ET que la taxe de recours a été acquittée après l'expiration dudit délai de deux mois ;
c) lorsque la taxe de recours a été acquittée dans le délai de deux mois tel que prévu à l'article 108, première phrase CBE pour le dépôt de l'acte de recours ET que l'acte de recours a été déposé après l'expiration dudit délai de deux mois.
2. Pour les réponses 1a) à 1c), le remboursement de la taxe de recours est ordonné d'office.
3. Lorsque la taxe de recours a été acquittée dans ou après le délai de deux mois tel que prévu à l'article 108, première phrase CBE pour le dépôt de l'acte de recours ET que l'acte de recours n'a pas été déposé, la taxe de recours est remboursée.
In G 1/18 (ABl. EPA 2020, A26) erläuterte die Große Beschwerdekammer zunächst, dass die vorgelegte Frage wie folgt zu lesen sein sollte: "Wenn erst nach Ablauf der in Art. 108 EPÜ vorgesehenen Frist von zwei Monaten Beschwerde eingelegt und/oder die Beschwerdegebühr entrichtet wird, ist die Beschwerde dann unzulässig oder gilt sie als nicht eingelegt, und muss die Beschwerdegebühr zurückgezahlt werden?" Der Präsident des EPA erklärte, dass die Bedingungen des Art. 112 (1) b) EPÜ erfüllt seien. Belegt wurde die divergierende Rechtsprechung in der Vorlage mit der Entscheidung T 1897/17 als Beispiel der sogenannten "minderheitlichen" Rechtsprechungslinie, die zu dem Schluss kommt, dass die Beschwerde unzulässig ist, und den Entscheidungen T 1325/15 und T 2406/16 als Beispielen der anderen, sogenannten "mehrheitlichen" Rechtsprechungslinie, der zufolge die Beschwerde als nicht eingelegt gilt. Zudem erklärte der Präsident des EPA, dass die Antwort "eindeutige Auswirkungen auf die Praxis der erstinstanzlichen Organe des Amts" habe, da mehrere Vorschriften des EPÜ einen ähnlichen Wortlaut hätten. Die Große Beschwerdekammer stellte fest, dass drei Fallkonstellationen vorstellbar sind: - Fallkonstellation 1 – Die Beschwerdeschrift wird innerhalb der vorgeschriebenen Frist von zwei Monaten eingereicht UND die Beschwerdegebühr wird NACH Ablauf dieser Frist von zwei Monaten entrichtet; - Fallkonstellation 2 – Die Beschwerdeschrift wird nach Ablauf der Frist von zwei Monaten eingereicht UND die Beschwerdegebühr wird NACH Ablauf dieser Frist von zwei Monaten entrichtet; - Fallkonstellation 3 – Die Beschwerdegebühr wird innerhalb der Frist von zwei Monaten entrichtet UND die Beschwerdeschrift wird NACH Ablauf dieser Frist von zwei Monaten eingereicht. Die Große Beschwerdekammer prüfte die zahlreichen Entscheidungen, die in allen drei Fallkonstellationen die so genannte "mehrheitliche" Rechtsprechungslinie bilden. Was die "minderheitliche" Rechtsprechungslinie betrifft, so wurde nur in 15 Entscheidungen der Beschwerdekammern entschieden, dass die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen sei. Nur in einer Entscheidung (R 2/10) gelangte die Große Beschwerdekammer zum selben Ergebnis. Die Große Beschwerdekammer erklärte, dass das EPÜ, obwohl die Europäische Patentorganisation nicht Vertragspartei des Wiener Übereinkommens von 1969 ist, gemäß den darin aufgestellten Grundsätzen (siehe insbesondere Art. 31 und 32) ausgelegt werden muss. Die Rechtsfolge "die Beschwerde gilt als nicht eingelegt" ist zwar nicht ausdrücklich in Art. 108 EPÜ genannt. Aus der Analyse der "Travaux préparatoires" zur R. 69 (1) EPÜ 1973 wird aber ersichtlich, dass der Gesetzgeber gleichwohl ausdrücklich in R. 69 (1) EPÜ 1973 (nunmehr R. 112 (1) EPÜ) als Rechtsfolge festlegen wollte, dass die Beschwerde als nicht eingelegt gilt, indem er in einer einzigen Bestimmung und in einer allgemeinen Formulierung alle Fälle von Rechtsverlusten zusammengefasst hat. Die Große Beschwerdekammer kam zu dem Schluss, dass unabhängig von den Fallkonstellationen die sogenannte "mehrheitliche" Rechtsprechungslinie anzuwenden ist und die sogenannte "minderheitliche" Rechtsprechungslinie nicht mehr anwendbar ist. Aus diesen Gründen wurde die der Großen Beschwerdekammer vom Präsidenten des EPA vorgelegte Rechtsfrage wie folgt beantwortet: 1. Die Beschwerde gilt in folgenden Fällen als nicht eingelegt: a) wenn die Beschwerdeschrift innerhalb der in Art. 108 Satz 1 EPÜ vorgesehenen Frist von zwei Monaten eingereicht UND die Beschwerdegebühr nach Ablauf dieser Frist von zwei Monaten entrichtet wird; b) wenn die Beschwerdeschrift nach Ablauf der in Art. 108 Satz 1 EPÜ vorgesehenen Frist von zwei Monaten eingereicht UND die Beschwerdegebühr nach Ablauf dieser Frist von zwei Monaten entrichtet wird; c) wenn die Beschwerdegebühr innerhalb der in Art. 108 Satz 1 EPÜ vorgesehenen Frist von zwei Monaten für die Einreichung der Beschwerdeschrift entrichtet UND die Beschwerdeschrift nach Ablauf dieser Frist von zwei Monaten eingereicht wird. 2. In den Fällen 1 a) bis 1 c) wird die Rückzahlung der Beschwerdegebühr von Amts wegen angeordnet. 3. Wenn die Beschwerdegebühr innerhalb oder nach Ablauf der in Art. 108 Satz 1 EPÜ vorgesehenen Frist von zwei Monaten für die Einreichung der Beschwerdeschrift entrichtet UND die Beschwerdeschrift nicht eingereicht wird, wird die Beschwerdegebühr zurückgezahlt.
9.3. Beschwerde, die als nicht eingelegt gilt, oder unzulässige Beschwerde
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
Die Unterscheidung zwischen einer Beschwerde, die als nicht eingelegt gilt, und einer unzulässigen Beschwerde ist für die Frage der Rückzahlung der Beschwerdegebühr relevant. Gilt die Beschwerde als nicht eingelegt, muss die Beschwerdegebühr zurückgezahlt werden, weil der mit der Gebühr verfolgte Zweck nicht erreicht werden kann. Ist eine Beschwerde dagegen unzulässig, kann die Beschwerdegebühr grundsätzlich nicht zurückgezahlt werden (T 445/98).