3.4. Geheimhaltungsverpflichtung
T 2037/18 × View decision
1. Nach den im Rahmen des EPÜ geltenden Regeln zur Darlegungs- und Beweislast hat jede Partei die ihr günstigen Tatsachen vorzutragen und zu beweisen, 'negativa non sunt probanda' (siehe Punkte 4 und 8).
2. Dementsprechend ist die Übergabe eines vorbenutzten Gegenstandes an einen Käufer durch den Einsprechenden vorzutragen und zu beweisen, die etwaige Bindung des Empfängers durch eine Geheimhaltungsvereinbarung (=Vertraulichkeitsabrede) vom Patentinhaber (siehe Punkt 8).
3. Der Vortrag des Patentinhabers kann zwar ggfs. zur Entstehung einer sekundären Darlegungs- und Beweislast des Einsprechenden führen, dies jedoch nur 'ex nunc' und damit ohne Auswirkung auf das Substantiierungserfordernis im Rahmen der Einspruchsschrift gemäß Regel 76 (2) c), 3. Punkt EPÜ (siehe Punkte 10 bis 13).
4. Es besteht keine aus der Rechtsprechung der Beschwerdekammern bekannte Vermutung, wonach zwischen Herstellern von Schienenfahrzeugen und Bahnbetreibergesellschaften bezüglich ausgelieferter und abgenommener Fahrzeuge in der Regel Vertraulichkeit vereinbart ist (siehe Punkt 17).
3.4.1 Allgemeines
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
War die Person, die die Möglichkeit der Kenntnisnahme hatte, zur Geheimhaltung verpflichtet, dann ist die Erfindung der Öffentlichkeit nicht zugänglich geworden, solange dieser Verpflichtung nicht zuwidergehandelt wird. Ergibt sich die Geheimhaltungsverpflichtung aus einer ausdrücklichen Vereinbarung, und wurde die Geheimhaltungsverpflichtung beachtet, dann ist die Information nicht öffentlich zugänglich geworden. Problematisch sind dagegen die Fälle der stillschweigenden Geheimhaltungsvereinbarung. Ob eine stillschweigende Geheimhaltungsverpflichtung zwischen den Beteiligten besteht, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (T 1081/01, T 972/02, T 1511/06) so z. B. von den Geschäftsverbindungen und -interessen der betreffenden Gesellschaften (T 913/01, s. auch T 830/90, ABl. 1994, 713; T 782/92, T 37/98).
In T 1081/01 entschied die Kammer, dass im Rahmen einer Geheimhaltungsvereinbarung bereitgestellte Informationen nicht schon dadurch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, dass die Verpflichtung, sie geheim zu halten, abläuft. Solche Informationen müssen der Öffentlichkeit in einer gesonderten Handlung zugänglich gemacht werden. Dieser Schluss steht in Einklang mit T 842/91, wonach die Erlaubnis zur Veröffentlichung eines Texts nur als Erlaubnis zum Zugänglichmachen, nicht aber als tatsächliches Zugänglichmachen selbst zu betrachten ist. In T 833/99 erklärte die Kammer, es sei gesetzlich nicht geregelt, dass die grundsätzliche Vertraulichkeit des Ausschreibungsverfahrens mit diesem beendet sei.
Gemäß der ständigen Rechtsprechung ist der Verkauf einer Vorrichtung – sofern keine besonderen Umstände vorliegen – ausreichend, um diese der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Streitig ist in diesem Zusammenhang oft, ob bezüglich dem vorbenutzten Gegenstand eine Geheimhaltungsverpflichtung bestanden hat.
- T 2037/18