R 6/19 × View decision
The basis for a board's (and opposition division's) discretion to admit or not claim requests is Article 123(1)EPC, (see Reasons points 5 to 10).
4.1.1 Rechtsgrundlagen
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
Gemäß Art. 114 (1) EPÜ muss das EPA den Sachverhalt von Amts wegen ermitteln; es ist dabei weder auf das Vorbringen noch auf die Anträge der Beteiligten beschränkt. Nach Art. 114 (2) EPÜ braucht das EPA jedoch Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten verspätet vorgebracht werden, nicht zu berücksichtigen (s. dazu Kapitel Einspruchsverfahren IV.C.4. "Verspätetes Vorbringen").
Schon in der früheren Rechtsprechung wurde darauf hingewiesen, dass der Wortlaut des Art. 114 (1) EPÜ 1973 nicht bedeutet, dass die Beschwerdekammern das erstinstanzliche Verfahren neu aufrollen müssen mit dem unbeschränkten Recht und sogar der Pflicht, alles neue Material ungeachtet der Frage zu prüfen, wie spät es vorgebracht wurde. Art. 114 (2) und Art. 111 (1) EPÜ 1973 begrenzen den Umfang etwaigen neuen Materials, das von den Beteiligten in ein Beschwerdeverfahren eingeführt werden darf, insofern, als Beschwerdesachen mit den in erster Instanz entschiedenen Fällen identisch oder eng verwandt sein und auch bleiben müssen (T 97/90, ABl. 1993, 719; s. dazu auch T 26/88, ABl. 1991, 30, wonach die wesentliche Aufgabe des Beschwerdeverfahrens in der Feststellung liege, ob die Entscheidung des erstinstanzlichen Organs sachlich richtig war; T 326/87, ABl. 1992, 522; T 229/90; T 611/90, ABl. 1993, 50; T 339/06 und T 931/06.
Tatsachen und Beweismittel, die erstmals im Beschwerdeverfahren vorgebracht werden, können von den Beschwerdekammern aufgrund des ihnen in Art. 114 (2) EPÜ 1973 eingeräumten Ermessens unberücksichtigt gelassen werden; mit dieser Bestimmung werden der in Art. 114 (1) EPÜ 1973 vorgesehenen Ermittlungspflicht der Kammer rechtliche Grenzen gesetzt (T 326/87, ABl. 1992, 522).
Zur Frage der Überprüfung erstinstanzlicher Ermessensentscheidungen bei neuem Vorbringen vor der ersten Instanz, s. unter V.A.3.5.
Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern können neue Anträge, die einen geänderten Anspruchssatz enthalten, ausnahmsweise in das Beschwerdeverfahren zugelassen werden. Die gesetzlichen Vorschriften für das Prüfungsverfahren und R. 80 EPÜ für das Einspruchsverfahren sind nach R. 100 (1) EPÜ entsprechend im Beschwerdeverfahren anzuwenden. Nach R. 137 (3) EPÜ können weitere Änderungen einer europäischen Patentanmeldung nur mit Zustimmung der Prüfungsabteilung vorgenommen werden. R. 80 EPÜ sieht im Wesentlichen vor, dass die Beschreibung, die Patentansprüche und die Zeichnungen des europäischen Patents geändert werden können, soweit die Änderungen durch einen Einspruchsgrund nach Art. 100 EPÜ veranlasst sind.
Zudem beinhaltet die VOBK Bestimmungen zu nachträglichen Änderungen, s. unten.
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