3. Klarheit der Ansprüche
Übersicht
In T 2574/16 war Anspruch 1 auf ein Verfahren zum Zugreifen auf elektronische Informationen gerichtet. Im letzten Schritt des Verfahrens ging es um die Modifizierung mindestens eines grafischen Elements in dem ausgewählten Portaldokument basierend auf dem ausgewählten grafischen Simulationselement und auf der operativen elektronischen Information, um damit einen Betrieb mindestens eines der Betriebselemente des mindestens einen Betriebssystems zu simulieren. Die Prüfungsabteilung hatte festgestellt, dass dieser letzte Schritt unklar (Art. 84 EPÜ) und damit die beanspruchte Erfindung unzureichend offenbart sei (Art. 83 EPÜ). Einer ihrer Einwände lautete, dass es aufgrund eines in der Beschreibung offenbarten Beispiels in Kombination mit zwei Abbildungen klar sei, dass die Erfindung nicht auf die Simulation eines Betriebs in Reaktion auf die Auswahl eines einzigen grafischen Simulationselements beschränkt sei, sondern die Simulation eines Betriebs in Reaktion auf die Auswahl von mehr als einem grafischen Simulationselement umfasse. Angesichts dieses Beispiels könne Anspruch 1 nicht so ausgelegt werden, dass er darauf beschränkt sei, bekannte Modifizierungen anzuzeigen, die in der operativen elektronischen Information gespeichert sind. Die Kammer hielt fest, dass der Anspruch aufwendige Simulationen umfasse, die über alle Beispiele hinausgingen, die in der Anmeldung in der eingereichten Fassung offenbart seien. Dies sei an sich aber kein Problem mangelnder Klarheit oder unzureichender Offenbarung. Tatsächlich sei es normal, dass in einem Anspruch der Schutzumfang mit Begriffen definiert werde, die die wesentlichen Merkmale der Erfindung positiv definierten. Jede unter den Schutzumfang des Anspruchs fallende besondere Ausführungsform könne weitere Merkmale aufweisen, die im Anspruch nicht erwähnt oder in der Anmeldung nicht offenbart seien (und sogar eine patentierbare Weiterentwicklung darstellten). Im vorliegenden Fall enthalte jedes Verfahren, das unter den Schutzumfang von Anspruch 1 falle, einen Schritt zur Modifizierung mindestens eines grafischen Elements, um damit einen Betrieb mindestens eines Betriebselements zu simulieren. Diese Simulation könne sehr aufwendig, aber auch sehr einfach sein. Der Beitrag dieses Schritts zur beanspruchten Erfindung bestehe im Wesentlichen darin, dass eine Simulation stattfinde, nicht aber, dass eine solche Simulation zum ersten Mal ermöglicht werde. Wenn der Fachmann über mindestens ein Betriebselement eines Betriebssystems verfügte, so hätte er keine Probleme, eine Simulation in Form mindestens einer Modifizierung mindestens eines grafischen Elements durchzuführen. Der Beitrag des Schritts sei daher ausreichend offenbart.
In T 3003/18 brachten die Einsprechenden 2 und 3 in Bezug auf frühere Anträge vor, dass die Definition des beanspruchten Gegenstands mittels Verweis auf durch Standards oder Normen bezeichnete Stecker unter anderem deshalb unklar sei, weil die betreffenden Standards oder Normen verschiedene Versionen umfassten und sich mit der Zeit änderten und die strukturellen und funktionellen Merkmale der beanspruchten Stecker nicht klar seien (vgl. T 1888/12, T 783/05). Der Patentinhaber brachte dagegen vor, dass Verweise auf Standards in Ansprüchen nicht generell per se unklar seien; im vorliegenden Fall müsse vielmehr betrachtet werden, wie die Merkmale des Standards mit der beanspruchten Erfindung zusammenhingen (vgl. T 2187/09, T 1196/15). Nach Auffassung der Kammer hängt die Klarheit eines Anspruchs, in dem eine Norm oder ein Standard angegeben wird, von der Sachlage und insbesondere vom beanspruchten Gegenstand ab. Der in Anspruch 1 genannte MTRJ-Stecker bezeichne eine bekannte standardisierte Steckerfamilie, die einerseits spezifische Merkmale aufweise, die innerhalb der Steckerfamilie variieren und sich mit der Zeit gemäß den verschiedenen spezifischen Versionen der betreffenden Standards oder Normen ändern könnten, und die andererseits eine Reihe gemeinsamer (oder, wie von der Einspruchsabteilung angemerkt, generischer) Merkmale aufweise, die einen vorgegebenen Grad an Kompatibilität und Austauschbarkeit zwischen den verschiedenen Steckern derselben Familie sicherstellten. Zudem würden diese Stecker in Lehrbüchern, Nachschlagewerken und Ähnlichem ohne Verweis auf eine bestimmte Version der betreffenden Standards oder Normen generell als "MTRJ-Stecker" bezeichnet. Auch seien im vorliegenden Fall die im technischen Kontext des Anspruchs 1 relevanten Merkmale des MTRJ-Steckers – anders als in Fällen wie T 1888/12 und T 783/05 (s. oben) – nicht die spezifischen, sondern die vorstehend genannten allgemeinen Merkmale, und aus diesem Grund würde der Fachmann verstehen, was im beanspruchten Kontext damit gemeint sei, dass der optische Stecker ein MTRJ-Stecker sei. Dieselben Erwägungen träfen auf die in Anspruch 1 definierten SC- und LC-Stecker zu.
3. Klarheit der Ansprüche
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
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