5.2. Prüfungsumfang bei Änderungen
T 1437/15 × View decision
Gründe 3.2
In T 1437/15 rief die Kammer in Erinnerung, dass die Einspruchsgründe nach Art. 100 EPÜ nur die Aufrechterhaltung des erteilten Patents betreffen (Art. 101 (1) und (2) EPÜ). Hingegen muss ein im Einspruchsverfahren geändertes Patent unter Berücksichtigung dieser Änderungen den Erfordernissen des EPÜ genügen (Art. 101 (3) EPÜ), um in dieser Fassung aufrechterhalten werden zu können.
5.2.1 Allgemeines
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
Laut T 472/88 sind, in allen Fällen, in denen vom Patentinhaber Änderungen beantragt werden, die nicht gegen Art. 123 EPÜ verstoßen, die Einspruchsabteilung und die Beschwerdekammer aufgrund des Art. 102 (3) EPÜ 1973 (jetzt Art. 101 (3) a) und R. 82 EPÜ) dafür zuständig und also auch befugt, unter Zugrundelegung der Erfordernis des EPÜ insgesamt über das geänderte Patent zu entscheiden. Diese Befugnis ist damit umfassender als die in Art. 102 (1) und (2) EPÜ 1973 (beide jetzt Art. 101 (2) EPÜ) vorgesehene, die ausdrücklich auf die Prüfung der in Art. 100 EPÜ genannten Einspruchsgründe beschränkt ist. Werden an einem Patent Änderungen vorgenommen, so sind beide Instanzen befugt, auf die dadurch entstehenden Gründe und Fragen einzugehen, auch wenn diese von einem Einsprechenden nicht gemäß R. 55 c) EPÜ 1973 (jetzt R. 76 (2) c) EPÜ) konkret vorgebracht wurden und auch nicht vorgebracht werden konnten (so T 227/88, ABl. 1990, 292; G 9/91, ABl. 1993, 408; T 472/88, T 922/94; s. auch T 459/09; zur Prüfung der Vereinbarkeit mit Art. 84 EPÜ s. dieses Kapitel IV.C.5.2.2).
In T 503/96 prüfte die Kammer die Kriterien, die eine zusätzliche Recherche bei beschränkenden Änderungen erforderlich machen können. Sie verwies hierbei auf die damals geltenden Richtlinien B‑III, 3.5: "Soweit es möglich und sinnvoll ist, sollte die Recherche grundsätzlich den gesamten Gegenstand erfassen, auf den die Ansprüche gerichtet sind, oder auf den sie, wie vernünftigerweise erwartet werden kann, nach einer Anspruchsänderung gerichtet werden könnten [...]". Die Kammer erklärte, dass es im Verwaltungsermessen der Einspruchsabteilung liege, in einem bestimmten Fall eine zusätzliche Recherche zu veranlassen; berufe sie sich bei der Ausübung dieses Ermessens allerdings auf ein ungeeignetes Kriterium, so lasse dies zwangsläufig Zweifel daran aufkommen, ob das Ermessen in angemessener Weise ausgeübt worden sei. Da Änderungen der Ansprüche, die im Einspruchs- oder Beschwerdeverfahren vorgenommen würden, in vollem Umfang auf die Erfüllung der Erfordernisse des EPÜ zu prüfen seien (G 9/91, ABl. 1993, 408), sei es für einen Einsprechenden nicht unangebracht, darauf hinzuweisen, dass möglicherweise eine zusätzliche Recherche durchgeführt werden müsse, damit diese vollumfängliche Prüfung durchgeführt werden könne (damals geltende Richtlinien D‑VI, 5). Die Entscheidung, ob eine zusätzliche Recherche erforderlich ist, und die Verpflichtung, diese gegebenenfalls durchzuführen, seien für das EPA Verwaltungsangelegenheiten.
In T 648/96 stellte nach Ansicht der Beschwerdekammer die fehlende sachliche Auseinandersetzung der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung mit den Einwänden der Einsprechenden bezüglich "mangelnder Klarheit" der geänderten Unterlagen einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, da die Einspruchsabteilung nach Art. 102 (3) EPÜ 1973 (jetzt Art. 101 (3) a) und R. 82 EPÜ) die Änderungen der Unterlagen von Amts wegen auf die Erfüllung der Erfordernisse des Art. 84 EPÜ sowie derjenigen gemäß Art. 123 (2) und (3) EPÜ 1973 (inhaltlich unverändert) hätte prüfen müssen (vgl. auch T 740/94).