9.1.6 Beurteilung von Merkmalen, die sich auf die Wiedergabe von Informationen beziehen
Übersicht
T 1472/14 × View decision
Was der beanspruchte Gegenstand leistet ist lediglich, anthropometrische Daten in einer Datenbank so zu organisieren, dass diese in standardisierter Form oder in Form statistischer Kennwerte zur Abfrage über eine Kommunikationseinrichtung bereitgestellt werden. Der Anspruchsgegenstand betrifft nur Auswertungsergebnisse, auch wenn solche im Rahmen einer Zweckangabe zur Produktherstellung gesendet werden. Es erfolgt keine Kontrolle des Betriebs einer Herstellungsanlage, sondern es werden lediglich Produktdaten bereit gestellt. Die Kammer bezweifelt, dass das Ziel der Anthropotechnik mit einer Gestaltung der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine hier relevant ist. Die Kammer erkennt in dem beanspruchten Verfahren keinen technischen Effekt, der über die reine naheliegende Automatisierung einer abstrakten Idee zur Standardisierung hinausgeht (vgl. Entscheidungsgründe, Punkt 7).
In T 489/14 (ABl. EPA 2019, A86) betraf die Erfindung ein computerimplementiertes Verfahren, ein Computerprogramm und eine Vorrichtung zur Simulierung der Bewegung einer Fußgängermenge durch eine Umgebung. Die Modellierung der Bewegung von Fußgängern konnte dazu verwendet werden, den Entwurf oder die Änderung einer Örtlichkeit zu unterstützen. Der Anmelder machte geltend, dass die beanspruchten Schritte eine technische Wirkung erzeugten, die über die Implementierung des Verfahrens auf dem Computer hinausgehe. Unter Verweis auf die Entscheidung T 1227/05 (ABl. EPA 2007, 574) brachte er vor, die Modellierung der Bewegung einer Fußgängermenge in einer Umgebung stelle einen hinreichend definierten technischen Zweck eines computerimplementierten Verfahrens dar. Nach Auffassung der Kammer jedoch bedingt eine technische Wirkung zumindest eine direkte Verbindung zur physischen Realität, wie etwa die Änderung oder Messung einer physikalischen Erscheinung. Die Kammer konnte keine solche direkte Verbindung im hier beanspruchten Verfahren der Berechnung der Bahn hypothetischer Fußgänger erkennen, die sich durch eine modellierte Umgebung bewegen. In Bezug auf T 1227/05 sah die Kammer eine offensichtliche Analogie zu einem Verfahren zum Testen – per Simulation – eines modellierten Schaltkreises im Hinblick auf Rauscheinflüsse. So wie das in T 1227/05 beanspruchte Verfahren verwendet werden kann, um vor der Fertigung eines entworfenen Schaltkreises vorherzusagen, wie dieser sich unter dem Einfluss von Rauschen verhalten wird, so kann auch das hier beanspruchte Simulationsverfahren verwendet werden, um vor der Konstruktion einer entworfenen Umgebung vorherzusagen, wie diese sich in Anwesenheit von Fußgängern verhalten wird. Die Kammer war jedoch von der Argumentation in T 1227/05 nicht ganz überzeugt. Da die Kammer beabsichtigte, von T 1227/05 abzuweichen, und weil im vorliegenden Fall über die Patentierbarkeit von Simulationsverfahren zu entscheiden war, beschloss sie, der Großen Beschwerdekammer die folgenden Rechtsfragen zur Entscheidung vorzulegen: 1. Kann – bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit – die computerimplementierte Simulation eines technischen Systems oder Verfahrens durch Erzeugung einer technischen Wirkung, die über die Implementierung der Simulation auf einem Computer hinausgeht, eine technische Aufgabe lösen, wenn die computerimplementierte Simulation als solche beansprucht wird? 2. Wenn die erste Frage bejaht wird, welches sind die maßgeblichen Kriterien für die Beurteilung, ob eine computerimplementierte Simulation, die als solche beansprucht wird, eine technische Aufgabe löst? Ist es insbesondere eine hinreichende Bedingung, dass die Simulation zumindest teilweise auf technische Prinzipien gestützt wird, die dem simulierten System oder Verfahren zugrunde liegen? 3. Wie lauten die Antworten auf die erste und die zweite Frage, wenn die computerimplementierte Simulation als Teil eines Entwurfsverfahrens beansprucht wird, insbesondere für die Überprüfung eines Entwurfs? Die Vorlage ist unter dem Aktenzeichen G 1/19 anhängig.
9.1.6 Beurteilung von Merkmalen, die sich auf die Wiedergabe von Informationen beziehen
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
Bei der Entscheidung, ob ein Merkmal, das sich auf die Darstellung von Informationen bezieht, technisch ist, muss berücksichtigt werden, ob es dazu beiträgt, eine technische Aufgabe zu lösen. Die alleinige Tatsache, dass es mentale Aktivitäten umfasst, bedeutet nicht, dass der Gegenstand nicht technisch ist (T 643/00, T 336/14). Ein Merkmal, das ausschließlich die subjektiven Präferenzen eines Nutzers betrifft, löst jedoch keine technische Aufgabe (T 1567/05).
Näheres zum technischen Charakter von Merkmalen, die sich auf die Wiedergabe von Informationen und auf das Anzeigen von Daten beziehen, ist den Kapiteln I.A.2.3. "Ästhetische Formschöpfungen" und I.A.2.6. "Wiedergabe von Information" zu entnehmen.