3.3. Im Wesentlichen biologische Verfahren
G 3/19 × View decision
Taking into account developments after decisions G 2/12 and G 2/13 of the Enlarged Board of Appeal, the exception to patentability of essentially biological processes for the production of plants or animals in Article 53(b) EPC has a negative effect on the allowability of product claims and product-by-process claims directed to plants, plant material or animals, if the claimed product is exclusively obtained by means of an essentially biological process or if the claimed process features define an essentially biological process.
This negative effect does not apply to European patents granted before 1 July 2017 and European patent applications which were filed before that date and are still pending.
In ihrer Stellungnahme G 3/19 (ABl. 2020, A119) analysierte die Große Beschwerdekammer zunächst Umfang und Schwerpunkt der Vorlage und stellte fest, dass die beiden zugrunde liegenden Fragen zusammenhingen und in einer einzigen Frage zusammengefasst werden konnten: "Könnte unter Berücksichtigung der Entwicklungen, die nach einer Entscheidung der Großen Beschwerdekammer eingetreten sind, bei der eine Auslegung des Umfangs des Patentierbarkeitsausschlusses von im Wesentlichen biologischen Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren in Art. 53 b) EPÜ getroffen wurde, dieser Ausschluss negative Auswirkungen auf die Gewährbarkeit von auf Pflanzen, Pflanzenmaterial oder Tiere gerichteten Erzeugnisansprüchen oder Product-by-Process-Ansprüchen haben, wenn das beanspruchte Erzeugnis ausschließlich durch ein im Wesentlichen biologisches Verfahren gewonnen wird oder das beanspruchte Verfahrensmerkmal ein im Wesentlichen biologisches Verfahren definiert?" Hinsichtlich des Art. 53 b) EPÜ für sich genommen, d. h. ohne Bezugnahme auf R. 28 (2) EPÜ, bestätigte die Große Beschwerdekammer ihre früheren Entscheidungen G 1/98 (ABl. 2000, 111), G 2/07 (ABl. 2012, 130) und G 1/08 (ABl. 2012, 206) sowie G 2/12 (ABl. 2016, A27) und G 2/13 (ABl. 2016, A28). Sie fand keine spätere Übereinkunft oder Übung im Sinne von Art. 31 (3) a) und b) des Wiener Übereinkommens zur früheren Auslegung. Nach Auffassung der Großen Beschwerdekammer führt die Anwendung der verschiedenen Auslegungsmethoden nach Art. 31 und 32 des Wiener Übereinkommens, bei der auch die späteren Entwicklungen in den Vertragsstaaten berücksichtigt werden, nicht zu der Feststellung, dass der Begriff "im Wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen" in Art. 53 b) EPÜ klar und eindeutig so zu verstehen wäre, dass er sich auf Erzeugnisse erstreckt, die durch solche Verfahren definiert oder gewonnen werden. Sie bestätigte daher ihre diesbezüglichen Schlussfolgerungen in G 2/12. Gleichzeitig räumte die Große Beschwerdekammer jedoch ein, dass Art. 53 b) EPÜ einem solchen umfassenderen Verständnis des Verfahrensausschlusses auch nicht entgegensteht. Außerdem erkannte sie an, dass sich die der Entscheidung G 2/12 zugrunde liegende Rechts- und Sachlage mit dem Erlass der R. 28 (2) EPÜ wesentlich geändert hat. Diese Änderung stellt einen neuen Aspekt dar, der sich seit der Unterzeichnung des EPÜ ergeben hat und Grund zu der Annahme geben kann, dass eine grammatische und restriktive Auslegung des Wortlauts des Art. 53 b) EPÜ in Widerspruch zu den vom Gesetzgeber verfolgten Zielen steht, während eine dynamische Auslegung zu einem vom Wortlaut der Vorschrift abweichenden Ergebnis führen könnte. Die Große Beschwerdekammer befand, dass der Patentierbarkeitsausschluss von Erzeugnissen, die ausschließlich durch ein im Wesentlichen biologisches Verfahren gewonnen werden, nicht mit dem Wortlaut des Art. 53 b) EPÜ unvereinbar ist, der diese breitere Auslegung des Begriffs "im Wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren" nicht ausschließt. Sie kam zu dem Ergebnis, dass die Aufnahme der R. 28 (2) EPÜ angesichts der eindeutigen gesetzgeberischen Absicht der im Verwaltungsrat vertretenen Vertragsstaaten und im Hinblick auf Art. 31 (4) des Wiener Übereinkommens eine dynamische Auslegung des Art. 53 b) EPÜ zulässt und sogar verlangt. Die Große Beschwerdekammer gab deshalb die in G 2/12 getroffene Auslegung des Art. 53 b) EPÜ auf und befand im Lichte der R. 28 (2) EPÜ, dass der Begriff "im Wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren" in Art. 53 b) EPÜ so zu verstehen und anzuwenden ist, dass er sich auf Erzeugnisse erstreckt, die ausschließlich durch ein im Wesentlichen biologisches Verfahren gewonnen werden, oder auf Fälle, in denen das beanspruchte Verfahrensmerkmal ein im Wesentlichen biologisches Verfahren definiert. Auf dieser Grundlage beantwortete die Große Beschwerdekammer die Vorlagefrage schließlich wie folgt: "Unter Berücksichtigung der Entwicklungen nach den Entscheidungen G 2/12 (ABl. 2016, A27) und G 2/13 (ABl. 2016, A28) der Großen Beschwerdekammer wirkt sich der Patentierbarkeitsausschluss von im Wesentlichen biologischen Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren in Art. 53 b) EPÜ negativ auf die Gewährbarkeit von auf Pflanzen, Pflanzenmaterial oder Tiere gerichteten Erzeugnisansprüchen und Product-by-Process-Ansprüchen aus, wenn das beanspruchte Erzeugnis ausschließlich durch ein im Wesentlichen biologisches Verfahren gewonnen wird oder die beanspruchten Verfahrensmerkmale ein im Wesentlichen biologisches Verfahren definieren. Diese negative Auswirkung gilt nicht für vor dem 1. Juli 2017 erteilte europäische Patente und für anhängige europäische Patentanmeldungen, die vor diesem Tag eingereicht wurden und noch anhängig sind."
In T 1063/18 entschied die Kammer, dass R. 28 (2) EPÜ im Widerspruch zu Art. 53 b) EPÜ steht, wie er von der Großen Beschwerdekammer in den Entscheidungen G 2/12 (ABl. EPA 2016, 27) und G 2/13 (ABl. EPA 2016, 28) ausgelegt wurde. Nach Art. 164 (2) EPÜ gehen die Vorschriften des Übereinkommens vor. Wie die Große Beschwerdekammer in G 2/12 und G 2/13 feststellte, lässt die Anwendung der verschiedenen methodischen Auslegungsweisen auf Art. 53 b) EPÜ darauf schließen, dass der Anwendungsbereich des Verfahrensausschlusses nicht auf einen auf Pflanzen oder Pflanzenmaterial gerichteten Erzeugnis- oder Product-by-Process-Anspruch erweitert werden sollte. In ihren weiteren Überlegungen hatte sich die Große Beschwerdekammer auch gefragt, ob eine dynamische Auslegung des Art. 53 b) EPÜ gerechtfertigt wäre und ob durch die Gewährbarkeit eines solchen Erzeugnisanspruchs der Patentierungsausschluss für im Wesentlichen biologische Verfahren für die Züchtung von Pflanzen bedeutungslos wird. Die Große Beschwerdekammer sah keine rechtliche Grundlage dafür gegeben, das durch Anwendung herkömmlicher Auslegungsmittel erzielte Verständnis des Art. 53 b) EPÜ zu ändern. Im Lichte der Entscheidungen G 2/12 und G 2/13 folgte die Kammer nicht dem von der Prüfungsabteilung in der angefochtenen Entscheidung geltend gemachten Argument, R. 28 (2) EPÜ sei eine Klarstellung des Anwendungsbereichs von Art. 53 b) EPÜ. Vielmehr stand für sie die Bedeutung dieser Regel im Widerspruch zur Bedeutung des Art. 53 b) EPÜ, wie er von der Großen Beschwerdekammer ausgelegt wurde. Während die Kammer die Befugnis des Verwaltungsrats, materiellrechtliche Bestimmungen in der Ausführungsordnung festzulegen, nicht in Zweifel zog, machte sie sich doch die Erkenntnis aus G 2/07 (ABl. EPA 2012, 130) zu eigen, wonach sich die Grenzen der dem Verwaltungsrat mittels der Ausführungsordnung zukommenden gesetzgeberischen Befugnisse dem Art. 164 (2) EPÜ entnehmen lassen. Im Übrigen schloss sich die Kammer der Feststellung in T 39/93 (ABl. EPA 1997, 134) an, dass die Wirkung eines Artikels des EPÜ, dessen richtige Auslegung die Große Beschwerdekammer in einer Entscheidung festgestellt habe, nicht durch eine neu gefasste Regel der Ausführungsordnung aufgehoben werden könne, deren Wirkung in Widerspruch zu dieser Auslegung stehe. Sie hielt die Auslegung der Biotechnologierichtlinie in der Mitteilung der Europäischen Kommission über bestimmte Artikel der Richtlinie 98/44/EG für keine relevante Entwicklung, weil diese nicht rechtsverbindlich bestätigt worden sei. Zur Frage, ob Art. 53 b) EPÜ im Hinblick auf Art. 31 (3) a) des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge anders ausgelegt werden müsse als in den Entscheidungen G 2/12 und G 2/13, befand die Kammer, dass weder der Beschluss des Verwaltungsrats, R. 28 (2) EPÜ zu genehmigen, noch die Mitteilung der Europäischen Kommission als spätere Übereinkunft zwischen den Vertragsparteien im Sinne des Wiener Übereinkommens gewertet werden können.
3.3.3 Erzeugnisansprüche auf Pflanzen oder Pflanzenmaterial
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
In den miteinander verbundenen Fällen G 2/12 und G 2/13 (ABl. 2016, A28 und ABl. 2016, A29) hatte die Große Beschwerdekammer zu klären, ob sich der Ausschluss von im Wesentlichen biologischen Verfahren zur Züchtung von Pflanzen in Art. 53 b) EPÜ negativ auf die Gewährbarkeit von Erzeugnisansprüchen oder Product-by-Process-Ansprüchen auswirkt, die auf durch ein im Wesentlichen biologisches Verfahren unmittelbar hergestellte oder definierte Pflanzen oder entsprechendes Pflanzenmaterial (wie eine Frucht oder einen Pflanzenteil) gerichtet sind. Sie verneinte diese Frage.
Die Große Beschwerdekammer wandte die in Art. 31 und 32 des Wiener Übereinkommens genannten verschiedenen methodischen Auslegungsprinzipien an. Sie stellte fest, dass keines davon zu dem Schluss führt, dass sich der Begriff "im Wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen" über die Verfahren hinaus auch auf Erzeugnisse erstreckt, die durch solche Verfahren definiert oder hergestellt werden. Dieses Ergebnis fand sich bestätigt, als die vorbereitenden Arbeiten zum EPÜ als weitere Auslegungsmethode herangezogen wurden.
Außerdem untersuchte die Große Beschwerdekammer, ob sich seit der Unterzeichnung des Übereinkommens Gesichtspunkte ergeben haben, die Grund zu der Annahme geben könnten, eine dem Wortlaut getreue Auslegung der einschlägigen Vorschrift stehe in Widerspruch zu den vom Gesetzgeber verfolgten Zielen. Jedoch konnte sie nicht erkennen, warum die ursprüngliche Absicht des Gesetzgebers bei der Abfassung des Art. 53 b) EPÜ nicht mehr gerechtfertigt sein sollte, nur weil es auf dem Gebiet der Pflanzenzuchttechnik mittlerweile neue Technologien gebe.
Die Große Beschwerdekammer befasste sich mit der Frage, ob die Gewährung eines Erzeugnisanspruchs oder eines Product-by-Process- Anspruchs für durch ein im Wesentlichen biologisches Verfahren erzeugte Pflanzen oder entsprechendes Pflanzenmaterial als Umgehung des Verfahrensausschlusses angesehen werden könnte. Diese Frage verneinte sie unter Verweis auf den eindeutigen Wortlaut des Art. 53 b) EPÜ. Die Große Beschwerdekammer warnte, dass die Erweiterung des Verfahrensausschlusses auf Erzeugnisse, die durch im Wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen hergestellt werden, eine Unstimmigkeit in das System des EPÜ brächte, da für Pflanzen und Pflanzenmaterial, sofern es sich dabei nicht um eine Pflanzensorte handelt, generell Patentschutz erlangt werden kann.
Zur Frage, ob es relevant ist, dass sich der durch den Erzeugnisanspruch verliehene Schutz auf die Erzeugung des beanspruchten Erzeugnisses durch ein im Wesentlichen biologisches Verfahren für die Züchtung von Pflanzen erstreckt, das nach Art. 53 b) EPÜ als solches nicht patentierbar ist, wies die Große Beschwerdekammer auf den Unterschied zwischen den Patentierbarkeitserfordernissen und dem Schutzumfang des Patents hin. Ob ein Erzeugnisanspruch oder ein Product-by-Process-Anspruch patentierbar ist, muss unabhängig von dem durch das erteilte Patent gewährten Schutzumfang geprüft werden.
Bezüglich der ethischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Aspekte der laufenden Debatte betonte die Große Beschwerdekammer, dass deren Prüfung nicht unter ihre richterlichen Entscheidungsbefugnisse falle. Zu einer Einmischung in die Gesetzgebung sei sie nicht befugt.
Die der Großen Beschwerdekammer vorgelegten Rechtsfragen wurden wie folgt beantwortet:
1. Der Ausschluss von im Wesentlichen biologischen Verfahren zur Züchtung von Pflanzen in Art. 53 b) EPÜ wirkt sich nicht negativ auf die Gewährbarkeit eines Erzeugnisanspruchs aus, der auf Pflanzen oder Pflanzenmaterial wie eine Frucht (G 2/12) oder Pflanzenteile (G 2/13) gerichtet ist.
2. Die Tatsache, dass die Verfahrensmerkmale eines Product-by-Process-Anspruchs, der auf Pflanzen oder Pflanzenmaterial gerichtet ist, bei denen es sich nicht um eine Pflanzensorte handelt, ein im Wesentlichen biologisches Verfahren zur Züchtung von Pflanzen definieren, steht der Gewährbarkeit des Anspruchs nicht entgegen (G 2/13). Die Tatsache, dass das einzige am Anmeldetag verfügbare Verfahren zur Erzeugung des beanspruchten Gegenstands ein in der Patentanmeldung offenbartes im Wesentlichen biologisches Verfahren zur Züchtung von Pflanzen ist, steht der Gewährbarkeit eines Anspruchs, der auf Pflanzen oder Pflanzenmaterial gerichtet ist, bei denen es sich nicht um eine Pflanzensorte handelt, nicht entgegen (G 2/12, G 2/13).
3. Unter diesen Umständen ist es nicht relevant, dass sich der durch den Erzeugnisanspruch verliehene Schutz auf die Erzeugung des beanspruchten Erzeugnisses durch ein im Wesentlichen biologisches Verfahren für die Züchtung von Pflanzen erstreckt, das nach Art. 53 b) EPÜ als solches nicht patentierbar ist (G 2/12, G 2/13).
In T 83/05 vom 10. September 2015 date: 2015-09-10 wandte die Kammer G 2/13 an. Anspruch 1 des Hauptantrags bezog sich auf eine in einem Kreuzungs- und Selektionsverfahren hergestellte genießbare Brassica-Pflanze. Die Ansprüche 2 und 3 waren auf einen genießbaren Teil und auf den Samen einer Broccolipflanze gerichtet, die nach einem Verfahren hergestellt waren, das genauso definiert war wie in Anspruch 1. Die Ansprüche 4 und 5 betrafen eine Broccolipflanze und eine Broccoli-Infloreszenz. Die Kammer verwies die Sache an die erste Instanz zurück mit der Auflage, das Patent auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 5 des Hauptantrags, einer noch anzupassenden Beschreibung.
In T 1242/06 vom 8. Dezember 2015 date: 2015-12-08 wandte die Kammer G 2/12 an. Die neu vorgelegten Ansprüche waren auf Erzeugnisse beschränkt und auf eine (natürlich) dehydratisierte Tomatenfrucht der Art L. exculentum gerichtet. Sie befand, dass der Gegenstand der Ansprüche nicht nach Art. 53 b) EPÜ vom Patentschutz ausgeschlossen ist. Die Kammer verwies den Fall an die Einspruchsabteilung zurück mit der Auflage, das Patent auf der Grundlage dieser Ansprüche aufrechtzuerhalten.
Auf eine Mitteilung der Europäischen Kommission hin, wonach die Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen Erzeugnisse ausschließen sollte, die "ausschließlich durch ein im Wesentlichen biologisches Verfahren gewonnen werden", hat der Verwaltungsrat 2017 R. 27 EPÜ und R. 28 EPÜ geändert (ABl. 2017, A56), um Pflanzen, die ausschließlich durch ein im Wesentlichen biologisches Verfahren gewonnen werden, von der Patentierbarkeit auszuschließen.
In T 1063/18 befand die Kammer in erweiterter Zusammensetzung aus drei technisch vorgebildeten und zwei rechtskundigen Mitgliedern, dass R. 28 (2) EPÜ (s. ABl. 2017, A56) im Widerspruch zu Art. 53 b) EPÜ steht, wie er von der Großen Beschwerdekammer in den Entscheidungen G 2/12 und G 2/13 ausgelegt wurde. Die Kammer verwies auf Art. 164 (2) EPÜ, dem zufolge bei mangelnder Übereinstimmung mit den Vorschriften der Ausführungsordnung die Vorschriften des Übereinkommens vorgehen, und entschied, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur weiteren Entscheidung an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen.
Die Kammer sah keinen Grund, von G 2/12 und G 2/13 abzuweichen. Sie hielt die Auslegung der Biotechnologierichtlinie in der Mitteilung der Europäischen Kommission über bestimmte Artikel der Richtlinie 98/44/EG für keine relevante Entwicklung, weil diese nicht rechtsverbindlich bestätigt worden sei. Zur Frage, ob Art. 53 b) EPÜ im Hinblick auf Art. 31 (3) a) des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge anders ausgelegt werden müsse als in den Entscheidungen G 2/12 und G 2/13, befand die Kammer, dass weder der Beschluss des Verwaltungsrats, R. 28 (2) EPÜ zu genehmigen, noch die Mitteilung der Europäischen Kommission als spätere Übereinkunft zwischen den Vertragsparteien im Sinne des Wiener Übereinkommens gewertet werden können.
Am 4. April 2019 legte der Präsident des Europäischen Patentamts der Großen Beschwerdekammer Rechtsfragen zur Auslegung von Art. 164 (2) EPÜ und der Beurteilung von R. 28 (2) EPÜ im Licht besagter Vorschrift vor. Gemäß Art. 112 (1) b) EPÜ wurden der Großen Beschwerdekammer folgende Fragen vorgelegt:
1. Können angesichts von Art. 164 (2) EPÜ die Bedeutung und der Umfang von Art. 53 EPÜ in der Ausführungsordnung zum EPÜ klargestellt werden, ohne dass die Auslegung dieses Artikels in einer früheren Entscheidung der Beschwerdekammern oder der Großen Beschwerdekammer diese Klarstellung von vornherein beschränkt?
2. Falls die Frage 1 bejaht wird, ist dann der in R. 28 (2) EPÜ verankerte Patentierbarkeitsausschluss von Pflanzen und Tieren, die ausschließlich durch ein im Wesentlichen biologisches Verfahren gewonnen werden, mit Art. 53 b) EPÜ vereinbar, der solche Gegenstände weder ausdrücklich ausschließt noch ausdrücklich erlaubt?
Diese Vorlage ist unter dem Aktenzeichen G 3/19 anhängig.