4. Besorgnis der Befangenheit von Mitgliedern der erstinstanzlichen Organe
4.1. Zuständigkeit für Entscheidungen
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
Die Große Beschwerdekammer entschied in G 5/91 (ABl. 1992, 617), dass die Praxis, wonach über einen gegen ein erstinstanzliches Organ erhobenen Befangenheitsvorwurf der Direktor der für dieses Organ zuständigen Direktion entscheidet, nicht als unrechtmäßig angesehen werden kann, da die erstinstanzlichen Organe wegen ihres Verwaltungscharakters gemäß Art. 10 (2) a) EPÜ den internen Vorschriften des Präsidenten unterliegen (s. auch T 2509/11 und T 71/99). Im EPÜ gibt es keine Rechtsgrundlage für eine gesonderte Beschwerde gegen die Entscheidung eines Direktors, mit der ein Befangenheitseinwand gegen ein Mitglied eines erstinstanzlichen Organs wie der Einspruchsabteilung zurückgewiesen wird. Die Zusammensetzung der Einspruchsabteilung kann jedoch im Wege einer Beschwerde gegen ihre Endentscheidung oder gegen eine Zwischenentscheidung, angefochten werden. Erfüllen nicht alle Mitglieder einer Abteilung das Erfordernis der Unparteilichkeit, so ist bei der Besetzung der Abteilung ein Verfahrensfehler begangen worden, der die Entscheidung in der Regel nichtig macht. Die Große Beschwerdekammer stellte klar, dass es eindeutig in die Zuständigkeit der Beschwerdekammern fällt, zu entscheiden, ob diese Anforderung erfüllt worden ist. Dies wird in der Praxis auch getan (s. z. B. T 251/88, T 939/91, T 382/92, T 476/95, T 838/02, T 1349/10). Diese Prüfung kann die Kammer von Amts wegen oder auf Antrag eines Beteiligten am Beschwerdeverfahren vornehmen.
Die Kammer in T 479/04 befand, dass G 5/91 einer Einspruchsabteilung nicht verbietet, über den gegen sie erhobenen Vorwurf der Parteilichkeit selbst zu entscheiden. Aus G 5/91 kann aber nicht abgeleitet werden, dass es verboten ist, diese Verfahrensfrage zusammen mit der Entscheidung in der Sache zu entscheiden. Die Kammer ist zur Schlussfolgerung gekommen, dass die Einspruchsabteilung keinen Verfahrensfehler begangen hat, indem sie in der angefochtenen Entscheidung selbst entschieden hat (s. auch T 1647/15).