2.9. Formlose Mitteilungen
2.9.2 Rücksprachen ("Interviews")
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
Grundsätzlich verletzt die Ablehnung eines Antrags auf eine Rücksprache mit dem beauftragten Prüfer keine der im EPÜ enthaltenen Verfahrensvorschriften. Beantragt der Anmelder eine Rücksprache, so ist diesem Antrag zu entsprechen, es sei denn, die zu erörternde Frage macht ein formales Verfahren erforderlich oder der Prüfer ist der Ansicht, dass eine solche Unterredung nicht sachdienlich ist (Richtlinien C‑VII, 2 – Stand November 2018).
In T 98/88 wurde ausgeführt, dass Art. 116 EPÜ 1973 lediglich ein absolutes Recht jedes Beteiligten auf mündliche Verhandlung vorsieht, nicht aber ein Recht auf Rücksprache mit einem einzelnen Mitglied einer Prüfungsabteilung. Die Durchführung einer solchen Rücksprache entscheidet der betroffene Prüfer (s. auch T 589/93). In T 193/93 stellte die Kammer fest, es besteht keine Verpflichtung des Prüfers, eine "Rücksprache" zu gewähren (T 235/85, T 909/95).
In T 409/87 wies die Kammer darauf hin, dass Art. 116 EPÜ 1973 klarstellt, dass ein Beteiligter, der dies beantragt, ein Anrecht auf eine mündlichen Verhandlung hat, ganz gleich, ob das EPA dies für sachdienlich hält (s. T 299/86 date: 1987-09-23, ABl. 1988, 88; s. auch Kapitel III.C.2.1. "Recht auf mündliche Verhandlung im Prüfungs-, Einspruchs- und Beschwerdeverfahren"). Wird um Rücksprache gebeten, so stellt dies für sich genommen jedoch keinen Antrag auf eine mündliche Verhandlung dar, und die Prüfungsabteilung ist nicht verpflichtet, dieser Bitte zu entsprechen, wenn der Prüfer wie in den Prüfungsrichtlinien dargelegt der Ansicht ist, dass eine solche Unterredung nicht sachdienlich wäre (s. T 19/87, ABl. 1988, 268, T 909/95). Eine Unterredung sei im Gegensatz zum mündlichen Verfahren kein im EPÜ vorgesehener Verfahrensschritt. Daher sei die Ablehnung eines Antrags auf eine solche Unterredung keine beschwerdefähige Entscheidung und falle somit nicht unter R. 68 (2) Halbsatz 1 EPÜ 1973. S. auch T 283/88.
In T 299/86 date: 1987-09-23 (ABl. 1988, 88) befand die Kammer, das Recht eines Beteiligten, nach Art. 116 EPÜ 1973 eine mündliche Verhandlung zu beantragen, bleibe von der Tatsache vollkommen unberührt, dass dieser Beteiligte eventuell auch um eine Unterredung mit dem Prüfer gebeten und/oder daran teilgenommen habe.
In T 808/94 stellte die Kammer fest, dass formlose Unterredungen (auch als "persönliche Rücksprache" bezeichnet) und/oder formlose telefonische Rücksprachen, die nur mit dem ersten Prüfer abgehalten werden, kein Ersatz für ein ordnungsgemäß beantragtes mündliches Verfahren gemäß Art. 116 EPÜ 1973 sind, das vor allen Mitgliedern der Prüfungsabteilung stattfinden muss (Art. 18 (2) EPÜ 1973).