8. Das Verhältnis zwischen Artikel 83 und Artikel 84 EPÜ
Übersicht
In T 250/15, in der es um ausreichende Offenbarung ging, stellte die Kammer fest, dass der Parameter des Anspruchs zur Kennzeichnung eines Polymers weit verbreitet und klar definiert sei. Und der Fachmann kenne mindestens zwei Verfahren zur Bestimmung dieses Parameters. Die möglichen Unsicherheiten hinsichtlich der eventuellen Abweichungen der mit den verschiedenen Verfahren erzielten Messergebnisse hätten keine Auswirkungen auf die Fähigkeit des Fachmanns, auf der Grundlage seines Wissens und der im Patent angegebenen Informationen ein geeignetes Polyamid auszuwählen; diese Schlussfolgerung entspricht der aktuellen Rechtsprechung der Beschwerdekammern. Der Einsprechende bat die Kammer, die Große Beschwerdekammer mit der Frage zu befassen, ob die Schwierigkeit, die der Fachmann bei der Feststellung haben könnte, ob ein Gegenstand in den Schutzbereich des Anspruchs fällt, mit der Klarheit des Anspruchs oder vielmehr mit der ausreichenden Offenbarung der Erfindung zu tun habe. Die Kammer erklärte unter Bezug auf T 1811/13, in den Beschwerdekammern herrsche derzeit eindeutig die Meinung vor, dass die Definition des "verbotenen Schutzbereichs" eines Anspruchs nicht im Zusammenhang mit Art. 83 EPÜ gesehen werden sollte. Wie die Kammer in T 1811/13 feststellte, bedeutet dies nicht, dass mangelnde Klarheit nicht auch eine unzureichende Offenbarung der Erfindung zur Folge haben könnte. Der Vollständigkeit halber bemerkte die Kammer in der vorliegenden Sache T 250/15, dass in T 626/14 unter Berücksichtigung von T 1811/13 nicht die Tatsache infrage gestellt wurde, dass es keine mangelnde Offenbarung der Erfindung darstellt, wenn der Schutzumfang unbestimmt sei. Die Kammer in der vorliegenden Entscheidung erklärte schließlich, dass sowohl T 626/14 als auch T 464/05 eine besondere Konstellation auf einem bestimmten Gebiet der Technik betrafen. Die vorliegende Sache sei aber insofern anders, als sich der Parameter auf eine klar definierte Eigenschaft beziehe, die dem Material eigen sei. Außerdem sei nicht bestritten worden, dass der Fachmann über eine begrenzte Zahl geeigneter und allgemein bekannter Messverfahren verfüge. Die Kammer lehnte die Befassung der Großen Beschwerdekammer ab. Sie legte im Übrigen dar, worin genau sich der Sachverhalt in T 250/15 von dem der Entscheidungen T 593/09, T 466/05, T 225/93 und T 626/14 unterscheidet.
In T 1305/15 war der Kammer bewusst, dass nach der ständigen Rechtsprechung Unsicherheiten bei der Messung eines Parameters nicht unbedingt einen Einwand wegen mangelnder Offenbarung, sondern möglicherweise nur einen versteckten Klarheitseinwand nach Art. 84 EPÜ darstellten (T 608/07). Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn in der Patentschrift kein Messverfahren angegeben ist und dem Fachmann mehrere bekannte Verfahren zur Verfügung standen, die möglicherweise zu unterschiedlichen Ergebnissen führen (T 1768/15). Ist der beanspruchte Parameter (ZP in T 1305/15) zur Lösung des der Erfindung zugrunde liegenden Problems unentbehrlich, sollte das verwendete Messverfahren zu einheitlichen Werten führen, damit der Fachmann, der die Erfindung ausführt, weiß, ob das von ihm hergestellte Erzeugnis das Problem löst oder nicht (T 815/07). Aufgrund des gravierenden Mangels an Informationen bezüglich des Verfahrens zur Messung des Zetapotenzials (ZP) war das ZP an der inneren Membranoberfläche so schlecht definiert, dass der Fachmann bei dem Versuch, die Hohlfasermembran gemäß dem angefochtenen Patent nachzuarbeiten, nicht wusste, ob die hergestellte Membran das der Erfindung zugrunde liegende Problem lösen konnte. Dies stellte für den Fachmann einen unzumutbaren Aufwand dar, da es ihn der Möglichkeit beraubte, die Erfindung wie vorgesehen zu nutzen, und führte daher zu einer mangelnden Offenbarung (mit Verweis auf T 593/09).
8. Das Verhältnis zwischen Artikel 83 und Artikel 84 EPÜ
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
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