9.19. Beispiele für die Verneinung der erfinderischen Tätigkeit
9.19.8 Auswahl einer von mehreren naheliegenden Lösungen
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
Eine rein willkürliche Auswahl aus einer Fülle möglicher Lösungen kann nicht erfinderisch sein (T 939/92, ABl. 1996, 309; T 739/08; T 1175/14). In T 400/98 wurde ausgeführt, dass die Anwendung einer von mehreren möglichen Lösungen, die dem Fachmann zur Verfügung standen, keine besonderen Fähigkeiten erfordert und deshalb auch keine erfinderische Tätigkeit aufweist (T 107/02).
In T 588/99 wies die Kammer darauf hin, dass in dem speziellen Fall, in der ein Dokument ausdrücklich alle eine bestimmte Wirkung aufweisenden Verbindungen als geeignete Komponenten einer Waschmittelzusammensetzung auswies und den Fachmann dazu anhielt, in Veröffentlichungen aus anderen technischen Gebieten wie denen der Biochemie und der Medizin nach solchen Verbindungen zu suchen, bedürfe es keiner erfinderischen Tätigkeit, um die technische Aufgabe zu lösen, die darin bestand, eine Alternative zu den im Stand der Technik offenbarten Zusammensetzungen bereitzustellen, indem diese ausdrücklich genannten Komponenten mit besagter Wirkung durch andere solche Komponenten ersetzt werden, die bei der Suche in den erwähnten technischen Gebieten ermittelt werden können.
In T 190/03 vom 29. März 2006 date: 2006-03-29 stellte die Kammer fest, dass es im Hinblick auf das Naheliegen einer aus verschiedenen Möglichkeiten gewählten Lösung ausreicht, dass die gewählte Lösung naheliegend ist, und dass es nicht unbedingt darauf ankommt, dass es mehrere andere mögliche Lösungen gibt. Die Kammer verwies auf T 939/92 (ABl. 1996, 309), in der festgestellt wurde (dort auf dem Gebiet der Chemie), dass die willkürliche Auswahl einer Lösung aus mehreren Möglichkeiten ohne entsprechenden Anhaltspunkt, gerade diese Auswahl zu treffen, nicht erfinderisch ist, wenn sie nicht in einer bislang unbekannten technischen Wirkung begründet liegt, durch die sich die beanspruchte Lösung von den anderen Lösungen unterscheidet. Im vorliegenden Fall vermochte die Kammer keine unbekannten oder überraschenden Wirkungen zu erkennen, sondern nur solche, die ohne Weiteres vorhersehbar waren. Die Kammer in T 1941/12 erklärte dazu unter anderem Folgendes: Die zwei speziellen, in den Ansprüchen 1 und 6 gewählten Bakterienstämme stellen eine willkürliche Auswahl von bereits aus dem Stand der Technik bekannten Stämmen zur Erzielung der gewünschten Wirkung dar, die natürliche Immunabwehr zu stärken. Schon aufgrund der Tatsache, dass sie willkürlich ist, beruht eine solche Auswahl nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Dies gilt umso mehr, als die beiden ausgewählten speziellen Stämme aus dem Stand der Technik als im Handel erhältlich bekannt waren.
In T 892/08 verwies die Kammer auf die ständige Rechtsprechung. Demnach gilt, wenn eine technische Aufgabe lediglich in der Bereitstellung eines weiteren Stoffgemischs oder eines weiteren Verfahrens, d. h. einer Alternative zum Stand der Technik besteht, dass alle Merkmale oder Merkmalkombinationen, die für diese Art von Stoffgemisch oder Verfahren bereits üblich sind, gleichermaßen naheliegende Lösungen der gestellten Aufgabe darstellen. Die Kammern haben wiederholt festgestellt, dass die rein willkürliche Auswahl einer Alternative unter mehreren gleichermaßen naheliegenden Variationen keinerlei erfinderischen Charakter hat (s. auch T 311/95).