1.2. Fortsetzung des Einspruchsverfahrens nach Erlöschen oder Verzicht (R. 84 (1) EPÜ)
1.2.1 Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens vom Einsprechenden gestellt
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
In T 1213/97 war das Patent während des Einspruchsbeschwerdeverfahrens in allen benannten Vertragsstaaten erloschen. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte eine Entscheidung nach Aktenlage, was einen Antrag auf Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens im Hinblick auf eine Entscheidung implizierte. Die Kammer übte ihre Befugnis nach R. 60 (1) EPÜ 1973 aus, das Beschwerdeverfahren fortzusetzen.
Auch in T 598/98 war das Patent seit einem nach Einlegung der Beschwerde durch die Einsprechende liegenden Zeitpunkt in allen benannten Vertragsstaaten erloschen und die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hatte die Fortsetzung des Verfahrens beantragt. Dem Antrag wurde stattgegeben. Die Kammer führte aus, dass das Bestehen eines Rechtschutzinteresses der Einsprechenden an einem rückwirkenden Widerruf des Patents eines der Elemente sei, die für die Entscheidung der Kammer über die Einstellung oder Fortsetzung des Verfahrens gemäß R. 60 EPÜ 1973 eine Rolle spielen können. Außerdem führte die Kammer aus, dass das allgemeine Interesse an einer zentralen Feststellung über die Patentwürdigkeit einer in einem Patent beanspruchten Erfindung es jedenfalls dann rechtfertige, das Verfahren bis zum Erlass einer Endentscheidung fortzusetzen, wenn die Sache im Zeitpunkt des Erlöschens im Wesentlichen entscheidungsreif sei, und es auch im Hinblick auf den Bestand des Patents einen Unterschied im Ergebnis ausmache, ob eine Sachentscheidung getroffen oder das Verfahren bloß eingestellt werde.
In T 500/12 gab die Kammer dem Antrag des Beschwerdeführers (Einsprechenden) auf Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens statt. Der Beschwerdeführer hatte Auszüge aus verschiedenen nationalen Patentregistern vorgelegt, die belegten, dass das angefochtene Patent nicht in allen Vertragsstaaten erloschen, sondern noch in Kraft war. Außerdem machte er geltend, dass die Jahresgebühren nicht nur von Patentinhabern, sondern auch von Dritten entrichtet werden könnten. Ferner könnten die Jahresgebühren in vielen Vertragsstaaten unter Zahlung einer Zuschlagsgebühr noch wirksam nachgezahlt werden, und selbst wenn sie nicht fristgerecht mit Zuschlagsgebühr entrichtet worden seien, müssten auch noch die Wiedereinsetzungsfristen beachtet werden.
In T 740/15 legte die Kammer R. 84 (1) EPÜ dahin gehend aus, dass, wenn der Einsprechende die Fortsetzung des Verfahrens innerhalb der vorgegebenen Frist beantragt, der Entscheidungsspielraum der Einspruchsabteilung nach R. 84 (1) EPÜ auf eine einzige mögliche rechtmäßige Entscheidung – nämlich die Fortsetzung des Einspruchsverfahrens – begrenzt ist. Die Kammer wies darauf hin, dass diese Auffassung durch die vorbereitenden Arbeiten zum EPÜ 1973 gestützt wird.