7.5. Zurückverweisung bei neuem Vorbringen im Beschwerdeverfahren
7.5.2 Einspruchsbeschwerdeverfahren
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
Wird im Verlauf des Einspruchsbeschwerdeverfahrens eine neue Entgegenhaltung eingereicht, so stellt sich die Frage, ob die Sache an die erste Instanz zurückverwiesen werden muss. Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern (s. T 258/84, ABl. 1987, 119; T 273/84, ABl. 1986, 346; T 215/88, T 611/90, ABl. 1993, 50; T 621/90, T 166/91, T 223/95) sollte ein Dokument, das erstmals im Einspruchsbeschwerdeverfahren vorgelegt wurde und hinreichend relevant ist, um berücksichtigt zu werden, normalerweise zur Zurückverweisung an die erste Instanz führen, damit es von zwei Instanzen geprüft werden kann und der Patentinhaber keinen Instanzverlust erleidet. Jedoch kann die Kammer die Sache nach Art. 111 (1) EPÜ 1973 selbst prüfen und entscheiden, wenn sie zu der Schlussfolgerung gelangt, dass das Dokument nicht so relevant ist, dass es den Bestand des Patents gefährdet (T 253/85; T 326/87, ABl. 1992, 522; T 416/87, ABl. 1990, 415; T 626/88; T 457/92; T 527/93; T 97/90, ABl. 1993, 719).
In T 966/95 führte die Kammer aus, dass die Einräumung eines Ermessens sinnlos wäre, wenn die Kammern ipso facto zur Zurückverweisung verpflichtet wären, sobald im Beschwerdeverfahren neues Material präsentiert wird, unabhängig davon, wie dieses beschaffen ist. Art. 111 EPÜ überträgt einer Beschwerdekammer nämlich unter anderem auch die Befugnis, in Anbetracht eines erst im Beschwerdeverfahren eingereichten Dokuments als erste und einzige Instanz über eine Sache zu entscheiden, und zwar ohne dass eine Nachprüfung durch eine weitere Instanz möglich wäre. Eine Zurückverweisung wegen eines neu zugelassenen Dokuments könnte jedoch in Betracht kommen, wenn ein Beteiligter ohne Zurückverweisung nicht ausreichend Gelegenheit hätte, sich gegen einen auf dem neuen Dokument gründenden Angriff zu verteidigen, oder wenn sich der faktische Rahmen so geändert hat, dass der Fall nicht mehr mit dem in der ersten Instanz entschiedenen Fall vergleichbar ist (T 577/97, s. auch T 111/98, T 98/00, T 402/01 vom 21. Februar 2005 date: 2005-02-21, T 148/05).