10. Beweisanzeichen für das Vorliegen erfinderischer Tätigkeit
10.5. Wirtschaftlicher Erfolg
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
Grundsätzlich ist der kommerzielle Erfolg allein nicht als ein Zeichen erfinderischer Tätigkeit zu betrachten. Damit ein kommerzieller Erfolg als Indiz für das Vorliegen erfinderischer Tätigkeit berücksichtigt werden kann, muss zum einen nachgewiesen werden, dass ein seit Langem bestehendes Bedürfnis befriedigt worden ist. Und zum anderen muss der kommerzielle Erfolg auf die technischen Merkmale der Erfindung und nicht auf andere Einflüsse (beispielsweise Verkaufsverfahren oder Werbung) zurückzuführen sein.
In T 110/92 bezweifelte die Kammer nicht, dass die Kochplatte nach Anspruch 1 ein kommerzieller Erfolg gewesen sein mag. Doch könne – angesichts des negativen Ergebnisses der technischen Prüfung des beanspruchten Gegenstands – ein kommerzieller Erfolg allein noch kein Anzeichen für das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit sein, auch wenn die Kammer davon überzeugt sei, dass der Erfolg auf die technischen Merkmale der Kochplatte und nicht auf andere Gründe – z. B. kommerzieller Art – zurückzuführen sei (s. auch T 5/91, T 219/90, T 373/94, T 109/15).
Auch in T 478/91 wurde der kommerzielle Erfolg nicht als ein Zeichen erfinderischer Tätigkeit betrachtet. Die Kammer wies darauf hin, dass der kommerzielle Erfolg eines Produkts bekanntlich auch durch Faktoren begründet sein könne, die nichts mit den Produkteigenschaften zu tun hätten, so insbesondere durch eine rationellere Herstellung, eine Monopolstellung am Markt, durch Werbemaßnahmen oder durch eine effiziente Verkaufstechnik (s. T 270/84, T 257/91, T 712/92).
In T 1212/01 bezog sich das Patent auf Pyrazolopyrimidine zur Behandlung von Impotenz (Viagra). Die Beschwerdekammer befand, dass die Feststellung wirtschaftlichen Erfolgs als Beweisanzeichen für erfinderische Tätigkeit zwei beweisrechtliche Schritte voraussetze – zum einen den Nachweis des wirtschaftlichen Erfolgs und zum anderen den Nachweis, dass dieser Erfolg in der beanspruchten Erfindung gründe und nicht in einem oder mehreren anderen Faktoren. Viagra war in verschiedenen Zeitschriften mit diversen Preisen ausgezeichnet und gelobt worden. Die Beschwerdekammer teilte mit, dass diese Auszeichnungen relevant gewesen wären, wenn sie von Kreisen verliehen worden wären, die auf dem Gebiet des Patentrechts firm seien. Seien die Auszeichnungen dagegen für den Beitrag des Produkts zur Steigerung der Lebensqualität, für den hohen Recherchenstandard des Beschwerdeführers oder für einen hohen Absatz verliehen worden, dann seien dies zwar Gründe, die eine Auszeichnung rechtfertigen könnten, doch könnten sie keinerlei Relevanz in Bezug auf die erfinderische Tätigkeit haben. Die Kammer gelangte zu dem Schluss, dass sich anhand der Beweismittel nicht feststellen lasse, dass die "Auszeichnungen und das Lob" in der beanspruchten erfinderischen Tätigkeit begründet seien.
In T 677/91 trug die Kammer dem kommerziellen Erfolg der beanspruchten Erfindung Rechnung und stellte fest, dass es falsch gewesen wäre, die praktischen Auswirkungen zu ignorieren, die die Erfindung seit dem Prioritätstag auf ihrem Gebiet gehabt habe. So werde an mehreren Stellen eines Nachschlagewerks darauf hingewiesen, dass die beanspruchte Erfindung mit ihren Vorteilen auf diesem Fachgebiet eine neue Ära eingeleitet habe. Die Kammer gelangte zu dem Schluss, dass sich eine solche Aussage nur schwer mit der Vorstellung vereinbaren lasse, dass die Entwicklung der beanspruchten Erfindung reine Routinesache gewesen sei, und erkannte daher eine erfinderische Tätigkeit an.
Auch in T 626/96 hatte die Erfindung in verschiedenen Ländern große wirtschaftliche Erfolge verzeichnet und breite Anerkennung gefunden. Darüber hinaus wurde der Erfolg in sehr kurzer Zeit erzielt, sodass für diese einfache Lösung offensichtlich ein dringender kommerzieller Bedarf bestanden hatte. Zudem sei der Erfolg unmittelbar der Struktur des beanspruchten Produkts und nicht Marketingtechniken und geschickten Werbestrategien zuzuschreiben.