2.6.3 Inhalt der Beschwerdebegründung
In T 1904/14 stellte die Kammer fest, dass dies auch dann gilt, wenn die Begründung in der angefochtenen Entscheidung falsch oder widersprüchlich ist. In der angefochtenen Entscheidung war die Prüfungsabteilung zu dem Schluss gelangt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des damaligen Hilfsantrags 1, der identisch mit dem jetzigen Hauptantrag ist, nicht klar im Sinne von Art. 84 EPÜ sei. Mangelnde Klarheit war ein tragender Grund der angefochtenen Entscheidung für die fehlende Gewährbarkeit sämtlicher Anträge. Der Beschwerdeführer hat sich jedoch zu dem Zurückweisungsgrund nach Art. 84 EPÜ in der Beschwerdebegründung überhaupt nicht geäußert. Er hat weder dargelegt, dass die beanstandeten Ansprüche klar wären, noch dass die Entscheidungsbegründung zu Art. 84 EPÜ hinsichtlich der damaligen Hilfsanträge falsch, widersprüchlich oder sonst unzureichend gewesen wäre, und er hat auch keine neuen Anträge vorgelegt, um die beanstandeten Klarheitseinwände auszuräumen. Einen Widerspruch in der Begründung der angefochtenen Entscheidung hat der Beschwerdeführer vielmehr erst in Reaktion auf die vorläufige Meinung der Kammer gerügt. Die Zulässigkeitsvoraussetzung gemäß R. 99 (2) EPÜ, das heißt eine hinreichende Beschwerdebegründung, muss jedoch innerhalb der nach Art. 108 Satz 3 EPÜ vorgesehenen Frist für die Einreichung der Beschwerdebegründung erfüllt sein und kann nicht durch einen verspäteten Vortrag nachträglich geheilt werden. Dementsprechend hätte der Beschwerdeführer auch den von ihm erst in dem vorgenannten Schreiben geltend gemachten Verfahrensfehler der Prüfungsabteilung aufgrund mangelhafter Entscheidungsgründe bereits mit der Beschwerdebegründung rügen müssen. Eine fehlerhafte, widersprüchliche oder unvollständige Entscheidung entbindet einen Beschwerdeführer nicht davon, sich in der Beschwerdebegründung mit solchen Mängeln auseinanderzusetzen. Die Beschwerde war daher als unzulässig zu verwerfen.
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
In T 395/12 wurde die Beschwerde ebenfalls für unzulässig befunden. Die einzige Äußerung des Anmelders, die sich unmittelbar auf die angefochtene Entscheidung bezog, war, dass die Prüfungsabteilung "unrecht" habe, was allerdings nicht begründet wurde. In den Entscheidungen T 213/85 (ABl. 1987, 482) und T 95/10 wird klargestellt, dass das Beschwerdeverfahren keine bloße Fortsetzung des Prüfungsverfahrens ist (im Einklang mit den Entscheidungen G 10/91, ABl. 1993, 420; G 9/92 date: 1994-07-14, ABl. 1994, 875 und G 4/93, ABl. 1994, 875), sondern ein eigenes Verfahren. Wenn der Anmelder in der Beschwerdebegründung nur die bereits in der Prüfungsphase vorgebrachten Argumente wiederholt, ohne auf die angefochtene Entscheidung einzugehen, missversteht er die Aufgabe der Beschwerdekammern: diese ist nicht in einer Neuauflage des Prüfungsverfahrens zu sehen, sondern in der Überprüfung von Entscheidungen der Prüfungsabteilungen ausgehend von den in der Beschwerdebegründung vorgebrachten Einwänden gegen die Entscheidung, die sich deshalb auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung stützen müssen. Die Beschwerde musste außerdem für unzulässig befunden werden, weil der Anmelder in der Beschwerdebegründung nicht auf alle Gründe eingegangen war, die die Prüfungsabteilung für die Zurückweisung der Anmeldung angeführt hatte. Gemäß T 1045/02 muss die Beschwerdebegründung alle Gründe behandeln, auf denen die angefochtene Entscheidung basiert. Dies entspricht dem Erfordernis des Art. 12 (2) VOBK 2007, wonach "die Beschwerdebegründung und die Erwiderung ... den vollständigen Sachvortrag eines Beteiligten enthalten [müssen]". S. auch T 473/09, wo die Beschwerde ebenfalls für unzulässig befunden wurde, weil in der Begründung nicht auf alle Gründe für die Zurückweisung der Anmeldung eingegangen worden war und T 918/17.
Nach Auffassung der Kammer im Fall T 1045/02 sind die Mindestanforderungen an eine Beschwerdebegründung jedoch nicht erfüllt, wenn sie sich nur mit einem von mehreren Zurückweisungsgründen auseinandersetzt. In der Sache T 1407/17 war die Kammer der Ansicht, dass die Beschwerdebegründung keinen Hinweis darauf enthielt, warum der Zurückweisungsgrund nach Art. 56 EPÜ nicht fundiert war. Folglich war in der Beschwerdebegründung einer der drei unabhängigen Zurückweisungsgründe, die zu der angefochtenen Entscheidung geführt hatten, nicht behandelt worden.
- Rechtsprechung 2019