2.4. Mitteilungen nach Regel 71 (1) und (2) EPÜ
2.4.2 Inhalt der Mitteilung nach Regel 71 (2) EPÜ
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
Nach R. 71 (2) EPÜ (R. 51 (3) EPÜ 1973) sind die Mitteilungen nach Art. 94 (3) EPÜ (Art. 96 (2) EPÜ 1973) zu begründen; dabei sollen alle Gründe zusammengefasst werden, die der Erteilung des europäische Patents entgegenstehen.
Wurde keine Stellungnahme zur Recherche erstellt, enthält der erste Bescheid des Prüfers nach Art. 94 (3) EPÜ im Allgemeinen und analog zur Stellungnahme zur Recherche alle Einwände zu der Anmeldung (Richtlinien C‑III, 4 – Stand November 2018).
In T 937/09 stellte die Kammer fest, nach R. 71 (2) EPÜ sind die Mitteilungen nach Art. 94 (3) EPÜ zu begründen und alle Gründe, die der Erteilung des europäischen Patents entgegenstehen, sollen zusammengefasst werden. Diese Regel enthält somit zwei Erfordernisse. Erstens soll der Anmelder über alle Erfordernisse des EPÜ unterrichtet werden, die als nicht erfüllt angesehen werden. Zweitens müssen dem Anmelder zu jedem der genannten Erfordernisse die rechtlichen und faktischen Gründe mitgeteilt werden, die zu der Feststellung führen, dass Erfordernisse des EPÜ nicht erfüllt sind.
In J 32/95 (ABl. 1999, 733) stellte die Juristische Kammer fest: Der Einwand der Beschwerdeführerin, die Prüfungsabteilung habe die Anmeldung unzulässigerweise nur nach und nach bearbeitet, ist ebenfalls unbegründet. Nach den Richtlinien hat der erste Bescheid des Prüfers im Allgemeinen alle Einwände zu der Anmeldung zu enthalten. Nach R. 51 (3) EPÜ 1973 sind in einem Bescheid alle Gründe zusammenzufassen, die der Erteilung des europäischen Patents entgegenstehen. Ob und in welchem Umfang dies zu geschehen hat, ist somit eine Frage der Verfahrensökonomie. Dies bedeutet, dass die Prüfungsabteilung die Aspekte des betreffenden Falls gegeneinander abwägen muss. Insbesondere sind dabei die Wahrscheinlichkeit, dass der erhobene Einwand ausgeräumt werden kann, die Art der Änderungen, die zu erwarten sind, und etwaige Einwände, die anschließend noch bestehen bleiben könnten, dem zusätzlichen Arbeitsaufwand der Prüfungsabteilung gegenüberzustellen. Im betreffenden Fall wurde im ersten Bescheid ein Neuheitseinwand gegen sämtliche Ansprüche der Anmeldung erhoben. Einem solch weitreichenden Einwand kann normalerweise nur durch eine umfangreiche Änderung der Ansprüche begegnet werden. Werden solchermaßen geänderte Ansprüche eingereicht, so müssen daher sie größtenteils einer erneuten Prüfung im Hinblick auf den Stand der Technik unterzogen werden. Nach Auffassung der Juristischen Kammer ist es daher nach R. 51 (3) EPÜ 1973 nicht erforderlich, dass eine Prüfungsabteilung umgehend den Einwand erhebt, die aktenkundigen Ansprüche seien gegenüber anderen Dokumenten nicht erfinderisch, wenn sie der Auffassung ist, dass sämtliche Ansprüche in der Anmeldung durch ein einziges Dokument vorweggenommen werden. In ihrem zweiten, die vom Beschwerdeführer eingereichten geänderten Ansprüche betreffenden Bescheid hatte die Prüfungsabteilung unter Aufrechterhaltung des Neuheitseinwands gegen Anspruch 1 zudem einen Einwand fehlender erfinderischer Tätigkeit erhoben. Die Juristische Kammer gelangte daher zu dem Schluss, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers, die Prüfungsabteilung habe durch den Erlass mehrerer Bescheide gegen R. 51 (3) EPÜ 1973 verstoßen, nicht stichhaltig sei. S. auch T 937/09.
In T 2311/10 stellte die Kammer fest, dass ob und in welchem Umfang in einem Bescheid der Prüfungsabteilung alle Gründe zusammengefasst werden, die der Erteilung des europäischen Patents entgegenstehen, eine Frage der Verfahrensökonomie (s. J 32/95) ist und liegt im Ermessen der Prüfungsabteilung.
In T 161/82 (ABl. 1984, 551) wies die Kammer darauf hin, dass zwischen den Gründen, auf die eine Entscheidung gestützt ist (d. h. die Erfordernisse des EPÜ, die von der Anmeldung oder der Erfindung, die sie zum Gegenstand hat, nicht erfüllt werden) und der Begründung, in der ausführlich dargelegt ist, warum die Prüfungsabteilung vom Vorliegen solcher Gründe überzeugt ist (s. R. 51 (3) EPÜ 1973). Art. 113 (1) EPÜ 1973 schreibe nicht vor, dass dem Anmelder wiederholt Gelegenheit gegeben werden müsse, sich zum Vorbringen der Prüfungsabteilung zu äußern, wenn die entscheidenden Einwände gegen die Erteilung des europäischen Patents die gleichen blieben, abgesehen von einigen zusätzliche Bemerkungen zu den Argumenten des Anmelders, die die Prüfungsabteilung nicht zu überzeugen vermochten.
In T 20/83 (ABl. 1983, 419) wurde festgestellt, die Prüfungsabteilung sei nach Art. 96 (2) EPÜ 1973 verpflichtet, dem Anmelder sämtliche Patentierungshindernisse mitzuteilen. Damit waren aber die im EPÜ selbst festgelegten Voraussetzungen der Patentierbarkeit gemeint. Die Rechtsbeständigkeit eines Patents in verschiedenen Vertragsstaaten gehört hingegen nicht zu den im EPÜ aufgeführten unmittelbaren Voraussetzungen (s. T 830/91 date: 1993-05-25, ABl. 1994, 728).
In T 98/88 wies die Beschwerdekammer darauf hin, dass R. 51 (3) EPÜ 1973 nicht zwingend festlegt, dass in den Bescheiden nach Art. 96 (2) EPÜ 1973 alle der Erteilung des Patents entgegenstehenden Gründe zusammenzufassen sind. Nach Ansicht der Beschwerdekammer stand in der vorliegenden Sache das Zurückstellen der Prüfung gemäß Art. 52 EPÜ 1973 bis zum Vorliegen einer deutlichen Anspruchsfassung nicht in Widerspruch zu R. 51 (3) EPÜ 1973. S. auch T 677/97.