2.5. Form und Frist der Beschwerde
T 317/19 × View decision
An error in a duly filed form for paying the appeal fee may be corrected under Rule 139, first sentence, EPC (Reasons, points 2.3 to 2.5).
In T 317/19 hatte der Beschwerdeführer die Beschwerde innerhalb der Zweimonatsfrist eingelegt. Die Beschwerdeschrift enthielt den folgenden Satz: "Wir zahlen die Beschwerdegebühr von unserem laufenden Konto mithilfe des beigefügten Gebührenblatts." Allerdings wurde der Abbuchungsauftrag für die Zahlung der Beschwerdegebühr wegen eines Fehlers in der Rubrik "Zahlungsart" im Formblatt 1038E (dort stand statt einer Zahlungsart "nicht angegeben") nicht fristgerecht ausgeführt. Gemäß der Stellungnahme G 1/18 (ABl. EPA 2020, A26) hatte dies zur Folge, dass die Beschwerde als nicht eingelegt galt. Um dies zu ändern, reichte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Berichtigung nach R. 139 EPÜ ein. Die Kammer verwies auf G 1/12 (ABl. EPA 2014, A114), worin die Große Beschwerdekammer bestätigt hat, dass eine Berichtigung von Fehlern nach R. 139 EPÜ in beim EPA eingereichten Unterlagen allgemein anwendbar ist. Die Kammer war sich dessen bewusst, dass die Große Beschwerdekammer diese Entscheidung nur in Bezug auf die Berichtigung eines im Namen des Beschwerdeführers enthaltenen Fehlers erlassen hatte. Die Kammer sah jedoch keinen Grund, warum die Entscheidung nicht auch für die Berichtigung eines falsch ausgefüllten Zahlungsformblatts gelten sollte. Im vorliegenden Fall erfüllte der Beschwerdeführer die in G 1/12 zusammengefassten Erfordernisse für eine Berichtigung nach R. 139 EPÜ. Der Beschwerdeführer hatte ursprünglich beabsichtigt, die Beschwerdegebühr mithilfe des Formblatts1038E zu entrichten. Dies war auch unmittelbar erkennbar. Ferner war der zu berichtigende Fehler eine falsche Angabe in einem beim EPA eingereichten Dokument, nämlich ein falscher Eintrag in der Rubrik "Zahlungsart" im Formblatt 1038E. Außerdem hatte der Beschwerdeführer seinen Antrag nach R. 139 EPÜ nur neun Tage nach der Mitteilung der Prüfungsabteilung gestellt, in der auf die Nichtzahlung der Beschwerdegebühr hingewiesen wurde. Die Kammer entschied, dass die Erfordernisse für die Berichtigung erfüllt waren. Folglich galt die Beschwerde nachträglich als eingelegt. Ein Fehler in einem ordnungsgemäß eingereichten Formblatt zur Entrichtung der Beschwerdegebühr kann somit nach R. 139 Satz 1 EPÜ berichtigt werden.
2.5.3 Fristgerechte Einlegung der Beschwerde
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
Nach Art. 108 Satz 1 EPÜ ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Entscheidung beim Europäischen Patentamt einzulegen.
In T 389/86 (ABl. 1988, 87) hat die Beschwerdekammer geklärt, dass eine Beschwerde, die nach Verkündung einer Entscheidung in einer mündlichen Verhandlung, aber vor Zustellung der schriftlich begründeten Entscheidung eingelegt wird, die Frist nach Art. 108 Satz 1 EPÜ 1973 wahrt. S. auch T 427/99, T 1125/07 und T 1431/12.
Wird die Übersetzung einer Beschwerdeschrift in einer Amtssprache des EPA nicht rechtzeitig eingereicht, so gilt dieses Schriftstück – also die Beschwerdeschrift – gemäß Art. 14 (5) EPÜ 1973 als nicht eingegangen und die Beschwerde als nicht eingelegt (T 323/87, ABl. 1989, 343; s. auch T 126/04). In einem Fall, in dem ein Unternehmen, das nicht berechtigt war, von den Möglichkeiten des Art. 14 (4) EPÜ 1973 Gebrauch zu machen, an ein und demselben Tag die Beschwerdeschrift in einer Nichtamtssprache und eine Übersetzung in einer Amtssprache eingereicht hatte, wurde die Beschwerdeschrift trotzdem als nicht eingegangen betrachtet. Angesichts der Entscheidung G 6/91 (ABl. 1992, 491) konnte das Amt die gleichzeitig mit einem Originaldokument eingereichte Übersetzung nicht als "offizielles Schriftstück" betrachten und das Originaldokument mit der Begründung außer Acht lassen, es sei überflüssig und gegenstandslos. Wie es in G 6/91 weiter heißt, kann "eine Übersetzung nie zum Original werden; sie ist und bleibt, unabhängig vom Tag ihrer Einreichung, eine Übersetzung, und zwar mit allen sich daraus ergebenden Rechtsfolgen, insbesondere der Möglichkeit, sie so zu berichtigen, dass sie mit dem Ausgangstext übereinstimmt" (T 1152/05 und T 41/09). Der Wohnsitz oder Sitz des eingeschalteten zugelassenen Vertreters war dabei nicht von Bedeutung (T 149/85, ABl. 1986, 103 und T 41/09).
In T 2133/10 verwies die Kammer auf G 6/91, wonach ein Beteiligter, der von einer Gebührenermäßigung nach R. 6 (3) EPÜ Gebrauch machen möchte, die Übersetzung "frühestens zum selben Zeitpunkt" einreichen darf wie das Original. Aus der kontextuellen Betrachtung der betreffenden Stellen schloss die Kammer, dass die Begriffe "gleichzeitig" und "zum selben Zeitpunkt" synonym verwendet wurden und zumindest Fälle wie den vorliegenden abdecken, in dem Original und Übersetzung gemeinsam am gleichen Tag eingereicht werden. Wenn das Original und die Übersetzung gemeinsam eingereicht werden, sollte daher die Gebührenermäßigung nach R. 6 (3) EPÜ gewährt werden.
Was die Auslegung von Art. 108 EPÜ betrifft, so hat der Präsident des EPA der Großen Beschwerdekammer die folgende Rechtsfrage vorgelegt (Art. 112 (1) b) EPÜ): Wenn erst nach Ablauf der in Art. 108 EPÜ vorgesehenen Frist von zwei Monaten Beschwerde eingelegt und/oder die Beschwerdegebühr entrichtet wird, ist die Beschwerde dann unzulässig oder gilt sie als nicht eingelegt, und muss die Beschwerdegebühr zurückgezahlt werden? Diese Vorlage ist unter dem Aktenzeichen G 1/18 anhängig. Die Frage war der Großen Beschwerdekammer bereits in zwei Fällen von Technischen Kammern vorgelegt worden, nämlich in G 1/14 und G 2/14, von dieser jedoch nicht beantwortet worden, weil in G 2/14 die Patentanmeldung als zurückgenommen galt und in G 1/14 die Vorlage für unzulässig befunden wurde. S. dazu auch Kapitel V.A.9.3. "Rückzahlung der Beschwerdegebühr, Beschwerde gilt als nicht eingelegt oder unzulässig".
Nach T 1281/01 ist die Fiktion, dass die Entscheidung mit dem zehnten Tag nach der Abgabe zur Post als tatsächlich zugestellt gilt (R. 78 (2) EPÜ 1973), nicht anwendbar, wenn die Entscheidung einer ehemals bevollmächtigten Vertreterin zugestellt wurde, nachdem diese dem EPA mitgeteilt hatte, dass die Akte an eine andere Vertreterin weitergeleitet worden war. Gemäß R. 82 EPÜ 1973 galt die angefochtene Entscheidung als an dem Tag zugestellt, an dem der dritte Vertreter sie erhielt; somit war die Beschwerde fristgerecht eingelegt.
Bekommt ein Beschwerdeführer fälschlicherweise vom EPA den Eindruck vermittelt, dass die ergangene Entscheidung nur ein Entwurf ist, der durch eine zweite Fassung ersetzt werden soll, so reicht es aus, wenn er die Beschwerde innerhalb von vier Monaten ab Zustellung der zweiten schriftlichen Entscheidung einreicht (T 830/03).
Hat die Einspruchsabteilung irreführenderweise zwei Entscheidungen erlassen, so reicht es aus, wenn die Beschwerdebegründung innerhalb der für die zweite Entscheidung geltenden Frist eingereicht wird, auch wenn dies außerhalb der für die erste Entscheidung geltenden Frist ist (T 993/06).
In T 124/93 wurden die Beteiligten dadurch in die Irre geführt, dass die Einspruchsabteilung ihre Entscheidung umdatiert hatte. In Anwendung des Vertrauensschutzes zwischen dem EPA und den Verfahrensbeteiligten wurde deren nach Ablauf der regulären Frist eingegangenes Vorbringen als fristgerecht eingereicht betrachtet (s. z. B. T 124/93, T 1176/00 und T 1694/12 in vergleichbaren Fällen).